Der Chef der pro-britischen Democratic Unionist Party (DUP), Jeffrey Donaldson, ist Neuwahlen nicht abgeneigt.

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Belfast/London – Nordirland steht wegen der Blockade der beiden Machtblöcke im Parlament vor vorgezogenen Neuwahlen. Nachdem die katholisch-nationalistische Partei Sinn Fein im Mai erstmals eine Mehrheit im Parlament errungen hatte, verweigerte die pro-britische Democratic Unionist Party (DUP) am Donnerstag während einer Krisensitzung der Abgeordneten die notwendige Unterstützung für die Wahl des Parlamentspräsidenten. Damit wurde die sechsmonatige Frist zur Bildung einer Regierung verpasst. Deswegen muss nun innerhalb der nächsten zwölf Wochen eine Neuwahl ausgerufen werden.

Gemäß dem Friedensabkommen aus 1998 – das den 30-jährigen Konflikt zwischen den beiden Lagern weitgehend beendet hat – müssen sich Nationalisten und Unionisten in Nordirland auf einen Parlamentspräsidenten einigen, bevor eine Regierung gewählt werden kann.

Neuverhandlung als Bedingung

"Wir glauben nicht, dass ausreichende Fortschritte gemacht wurden", begründete der Vorsitzende der DUP, Jeffrey Donaldson, die Entscheidung seiner Partei, den von Sinn Fein vorgeschlagenen Präsidenten nicht anzuerkennen. Grund sei das Nordirland-Protokoll. Die Partei hat die Neuverhandlung des Abkommens – das die Zollregelungen zwischen der Europäischen Union (EU) und Nordirland nach dem Brexit regeln sollte – zur Bedingung für die Wahl des Parlamentspräsidenten gemacht.

Das Nordirland-Protokoll sieht für Nordirland besondere Zollregeln vor, um die Grenze zwischen der britischen Provinz und dem EU-Staat Irland offen zu halten – auch um ein Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts zu verhindern. Durch die Übereinkunft ist aber de facto eine Zollgrenze in der Irischen See entstanden, die Nordirland vom Rest des Vereinigten Königreichs trennt.

Laut DUP soll es keinerlei Beschränkungen für den Handel zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs geben. Die Regierung in London vertrat bislang eine ähnliche Position. Die EU lehnt aber eine Nachverhandlung des Abkommens ab. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums visiert Sinn Fein eine Abspaltung von Großbritannien und eine Wiedervereinigung mit Irland an. (red, Reuters, 27.10.2022)