"Let that sink in": Elon Musk kam mit einem Waschbecken in die Twitter-Zentrale in San Francisco.

Foto: Elon Musk, Twitter

Es ist ein Übernahmekrimi, wie es ihn in der Tech-Welt noch nicht gegeben hat. Nun aber hat das sechsmonatige Drama um Elon Musks Kauf von Twitter ein Ende gefunden. Wie das "Wall Street Journal" berichtet, hat Musk bereits Vorkehrungen getroffen, die erste Tranche des Kaufpreises zu überweisen. 13 Milliarden Dollar sollen in einer ersten Zahlungsanweisung fließen, während die gesamte Übernahme bis Ende der Woche abgeschlossen sein soll. Der Kauf von Twitter wird Musk mit allen Vertrags- und Nebenkosten rund 46,5 Milliarden Dollar kosten.

Unter Berufung auf Insider berichtet das "Wall Street Journal", dass sich mehrere Banken bereiterklärt haben, Musk Geld für den Twitter-Kauf zur Verfügung zu stellen. Diese Banken werden nun das nötige Geld auf ein Treuhandkonto einzahlen, sobald die Details der Kreditverträge unterzeichnet sind. Sind sich Musk und die Banken einig, werden diesem die Mittel zur Verfügung gestellt, damit der Tech-Milliardär die Transaktion durchführen kann.

Mit an Bord sind auch zahlreiche private Investoren. So steuert der saudische Prinz Alwaleed bin Talal rund 1,9 Milliarden Dollar bei, während sich der Co-Gründer von Oracle, Larry Ellison, mit einer Milliarde Dollar beteiligt. Die letztmögliche Frist für die Abwicklung der Übernahme endet am Freitag.

Keine herzlicher Empfang für Musk

Am gleichen Tag soll sich Musk an die 7.500 Mitarbeiter starke Belegschaft wenden. Diese wurde laut einem Bericht der "New York Times" bereits angewiesen, ihren neuen Chef freundlich zu begrüßen, sollte sie ihn in den Gängen des Hauptquartiers in San Francisco treffen. Allzu überschwänglich dürften die Willkommensbekundungen der Belegschaft aber nicht ausfallen, hat Musk doch angekündigt, die Zahl der Mitarbeiter um 75 Prozent zu reduzieren. Gleichzeitig befürchten die Angestellten laut "NYT", dass Musk ihre Bezahlung reduzieren könnte.

Twitter-Mitarbeiter machen sich über den angekündigten Personalabbau lustig.

Das Management von Twitter versuchte die verunsicherten Mitarbeiter in einem durchgesickerten Memo zu beruhigen – und erreichte damit das Gegenteil. Demnach gebe es keine Pläne für Entlassungen, und dem Personal wurde empfohlen, nicht auf die Gerüchte zu hören und auf "Fakten vom Käufer direkt" zu warten, hieß es. Musk selbst hat mittlerweile angekündigt, seine Pläne zum drastischen Personalabbau nicht weiterzuverfolgen. Das dürfte auch praktische Gründe haben: Auf einen Schlag über 5.600 Mitarbeiter zu entlassen würde den Kurznachrichtendienst wohl handlungsunfähig machen, wie Bloomberg berichtet.

Große Umwälzungen bei Twitter wahrscheinlich

Dass Musk jedoch große Änderungen bei Twitter vornehmen wird, gilt als unbestritten. Der exzentrische Milliardär hat bereits angekündigt, Twitter zum "Leuchtturm der Redefreiheit" zu machen. Dafür möchte er nicht nur die Moderation von Beiträgen stark reduzieren, sondern auch den gesperrten Ex-US-Präsidenten Donald Trump zurückholen. Dieser hatte Twitter während seiner Amtszeit als bevorzugten Kommunikationskanal genutzt, wurde aber nach dem Sturm auf das US-Kapitol von der Plattform verbannt.

Musk scheint sich in seiner Rolle als neuer Besitzer von Twitter jedenfalls schon recht wohlzufühlen: Er bezeichnet sich nun selbst als "Chief Twit" und gab seinen Arbeitsplatz mit "Twitter HQ" an. Auch sein scheinbar spontaner Besuch in der Twitter-Zentrale sowie der Scherz mit dem Waschbecken waren kein Zufall. Die medienwirksame Inszenierung dürfte vor allem dazu dienen, das Gericht zu überzeugen, dass die Twitter-Übernahme bis zur Deadline am Freitag abgeschlossen wird.

Auf Twitter postete Elon Musk ein Video auf dem er mit einem Waschbecken in den Händen die Twitter-Zentrale betritt. Überschrift: "Let that sink in!"
DER STANDARD

Wenn alles klappt, sollte das der letzte Akt im Drama der Twitter-Übernahme sein. An dieser Stelle ein kurzer Rückblick: Im April gab Musk bekannt, die Plattform kaufen zu wollen, nachdem er sich über Monate schon signifikante Aktienanteile gesichert hatte. Im Mai kündigte er schließlich überraschend den Stopp der Verhandlungen an, das Geschäft lag auf Eis. Musk verlangte von Twitter genaue Berechnungen zur Anzahl der aktiven Spam- und Bot-Konten auf der Plattform.

Am 8. Juli ließ Musk den Deal schließlich platzen, woraufhin Twitter am 12. Juli klagte. Musk sollte gezwungen werden, Twitter zum vereinbarten Preis von 54,20 Dollar pro Aktie zu übernehmen. Am 4. Oktober, kurz vor dem Gerichtstermin, wechselte Musk noch einmal seinen Kurs und kündigte an, den Deal doch abschließen zu wollen. Die Richterin gewährte ihm einen Aufschub – bis 28. Oktober. Die detailreiche Aufarbeitung der Ereignisse finden Sie hier.

Ist es nun endlich vollbracht? Bei der "NYT" ist man nach all den Kurswechseln des reichsten Menschen der Welt skeptisch und möchte das Ende des Dramas Musk gegen Twitter erst dann ausrufen, wenn die US-Börsenaufsicht den Deal besiegelt – dem sprunghaften Verhalten des Milliardärs sei Dank. (Peter Zellinger, 27.10.2022)