Im Gastblog betrachtet der Geologe und Bibliothekar Thomas Hofmann das Leben des kreativen Wissenschaftskommunikators Ferdinand von Hochstetter.

Wissenschafterinnen und Wissenschafter haben es schwer, wenn es um die öffentliche Kommunikation ihrer Forschungsarbeit geht. "Exzellente Wissenschaft braucht soliden Wissenschaftsjournalismus, der Sinn von Unsinn unterscheiden und die zum Teil hochkomplexen Erkenntnisse der Forscher:innen in gut verständliche Informationen für die allgemeine Öffentlichkeit übersetzen kann", bringt es Eva Stanzl, Vorsitzende vom Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalist:innen, auf den Punkt. Anton Zeilinger, Physiknobelpreisträger dieses Jahres, führte dazu am 4. Oktober in der "Zeit im Bild" aus: "Ich sehe Wissenschaftsskepsis als Problem, aber das liegt auch daran, dass der Wissenschaftsjournalismus reduziert wurde. Es gibt viel weniger Wissenschaftsjournalisten, und das ist nicht gut."

Eine wichtige Rolle kommt den Wissenschafterinnen und Wissenschaftern selber zu. Je aktiver und kreativer deren Beteiligung ist, desto leichter sind Botschaften zu vermitteln. Das Beispiel des Geologen Ferdinand von Hochstetter (1829–1884) zeigt, dass nicht nur Offenheit und Bereitschaft, sondern Eigeninitiative und das Bespielen geeigneter Kommunikationskanäle zum A und O erfolgreicher Wissenschaftskommunikation gehören.

1857 bis 1859: Nachrichten in Echtzeit

Der erste Bericht von der Weltumsegelung der Fregatte Novara wurde am 29. April 1857, einen Tag vor der Abfahrt, verfasst.
Foto: ANNO

Ehe Hochstetter an seinem 28. Geburtstag, am 30. April 1857, mit der Fregatte Novara den Hafen von Triest verließ, hatte er tags zuvor einen Bericht für die "Wiener Zeitung" verfasst. Knapp drei Wochen später erschienen seine Zeilen unter dem Titel "Expedition der k. k. Fregatte Novara (1. Vor der Abreise. Triest, Bucht von Muggia, den 29. April an Bord der Novara)". Diesem ersten Schreiben folgten von allen Häfen, wo die Novara ankerte, weitere Mitteilungen. Je weiter die Expedition von Wien entfernt war, desto länger ließ die Veröffentlichung auf sich warten. Folge 36, eine Beschreibung der Insel Puynipet im Archipel der Carolinen, wurde im September 1858 verfasst; das Wiener Publikum las sie im Abendblatt der Wiener Zeitung am 22. Jänner 1859.

Die Route der Novara bei ihrer Weltumsegelung in den Jahren 1857 bis 1859.
Foto: GBA

Aus damaliger Sicht waren das Nachrichten in Echtzeit, schneller ging es damals eben nicht. Hochstetter hatte damals die Nase vorn, denn der offizielle Bericht der Weltumsegelung, die "Reise der Österreichischen Fregatte Novara um die Erde in den Jahren 1857, 1858, 1859 unter den Befehlen des Commodore B. von Wüllerstorf-Urbair" von Karl von Scherzer erschien erst 1864 und 1865. Hochstetter wusste, dass er nur mit einer Serie von Berichten, die er bei jeder ihm gebotenen Gelegenheit nach Wien schickte, seine Leserschaft, die begierig nach Nachrichten aus der weiten Welt war, zeitnah erreichen konnte. Wer damals die Berichte nicht sammelte, konnte "Ferdinand v. Hochstetter´s gesammelte Reiseberichte von der Erdumsegelung der Fregatte Novara 1857 bis 1859" als Büchlein mit 340 Seiten posthum nach dem Tod Hochstetters erwerben.

1870: "Vulkanische Eruptionen im Kleinen"

Ferdinand Ritter von Hochstetter auf dem Karlsplatz vor dem Gebäude der TU-Wien.
Foto: GBA

Als Hochstetter, der in Neuseeland Station gemacht hatte, um die dortige Geologie zu erforschen, zu Beginn des Jahres 1860 nach Wien zurückkehrte, wurde er am Polytechnikum (heute TU Wien) zum Professor für Mineralogie ernannt.

Um seine Vorlesungen lebendiger zu gestalten, wissenschaftliche Thesen anschaulich zu demonstrieren, wendete er Experimente an. So selbstverständlich dies im Physik- und Chemieunterricht war und ist, so fremd war es in den Erdwissenschaften. Zu groß und zu langsam sind geologische und tektonische Prozesse, um auf Knopfdruck reproduziert werden zu können.

Die Entstehung von Vulkanen zu zeigen erforderte Kreativität. Hochstetter war findig, beim Besuch der "ersten österreichischen Soda-Fabrik" in Hruschau (heute: Hrušov) bei Mährisch-Ostrau kam die entscheidende Beobachtung. Der dort erstarrende Schwefel bildete im Kleinen Strukturen, die wie Lavaströme im Großen aussahen. Die Idee der Minivulkane war geboren. Hochstetter wählte ebenfalls Schwefel mit einem Schmelzpunkt von 115 °C. Zusammen mit dem Chemiker Karl Opl fertigte er Modelle an und war vollends begeistert: "Die Modelle sind so täuschend naturähnlich, so wahre Miniaturbilder wirklicher Vulkane, daß jeder, der dieselben sieht, zuerst der Ansicht sein wird, daß dieselben in einer künstlich mit aller Sorgfalt nach dem Bild eines wirklichen Vulkanes geformten Matrize gegossen seien, und doch kann man sie vor seinen Augen in Zeit einer Stunde entstehen sehen."

Das auf der Wiener Weltausstellung 1873 gezeigte Vulkanmodel Hochstetters.
Foto: GBA

Jenes Modell, das 1873 in der Rotunde auf der Wiener Weltausstellung zu sehen war, ist heute noch erhalten. Dass Hochstetter seinem wohl berühmtesten Schüler, Kronprinz Rudolf, den er als Privatlehrer ab November 1872 wöchentlich je zwei Stunden in den Naturwissenschaften unterrichtete, auch die Vulkanexperimente vorführte, darf angenommen werden. Dank der Experimente mit den Minischwefelvulkanen waren die Vorlesungen von Professor Hochstetter alles andere als trockene Materie. Und der zwölfjährige Kronprinz hatte wohl auch seinen Spaß daran; eindrucksvoller hätte der innovative Hochstetter vulkanische Phänomene nicht vermitteln können.

Wohlüberlegt: Die Gelehrtengalerie am Museum

Nach dem Polytechnikum war der nächste Karriereschritt Hochstetters die Bestellung zum Intendanten des k. k. naturhistorischen Hof-Museums am 30. April 1876. Das monumentale Gebäude an der Wiener Ringstraße beruht auf Plänen von Gottfried Semper (1803–1879) und Karl von Hasenauer (1833–1894). Sie lagen Ende 1869 vor, gebaut wurde von 1871 bis 1881, die Eröffnung erfolgte 1889. Die Bestellung Hochstetters während der Bauphase bot noch Gestaltungsmöglichkeiten. Insbesondere die Fassade und die Balustrade, für die lebensgroße Statuen von Naturforschern vorgesehen waren, war noch nicht in Stein gemeißelt. Semper hatte als Architekt ein Konzept vorgelegt.

Naturforscher auf der ringstraßenseitigen Balustrade des Naturhistorischen Museums (von links nach rechts): Alexander Humboldt, Georg Cuvier, Robert Brown, Friedrich Mohs, Leopold von Buch und Ludwig Johann Rudolf Agassiz.
Foto: GBA

Hochstetter – selbst renommierter Naturwissenschafter – hatte andere Ideen. Er wusste genau, welchen seiner Kollegen er hier eine Bühne in der Öffentlichkeit bieten wollte und welchen nicht. Er wusste, dass Statuen und Porträtköpfe von Wissenschaftern maximale Anerkennung brachten, daher war es ihm wichtig, seine persönliche Auswahl einzubringen und die Entscheidung nicht alleine dem Architekten zu überlassen. So gehen 16 von insgesamt 36 Figuren auf der Balustrade auf Hochstetters Willen zurück. Bei den Porträtköpfen ist ebenso seine Handschrift zu erkennen; Personen, die auf der Balustrade keinen Platz fanden, wurden hier positioniert, darunter auch Charles Darwin (1809–1882) als einziger damals noch lebender Wissenschafter.

Dazu noch ein Detail zu Wilhelm von Haidinger (1795–1871), dem Gründer der k. k. Geologischen Reichsanstalt und frühen Förderer von Hochstetter. Er war es, der sich einsetzte, dass der junge Hochstetter auf der Novara mitfahren konnte.

Der Porträtkopf Haidingers über dem Eingang des Naturhistorischen Museums am Burgring 7.
Foto: GBA

Kein Wunder, dass der Herr Intendant seinen mittlerweile verstorbenen Mentor prominent über dem Seiteneingang (Burgring 7, ringstraßenseitig), jenem Eingang, der von allen Bediensteten des Hauses täglich genutzt wird, zentral positionierte. (Thomas Hofmann, 1.11.2022)