Der Trick ist die Illusion der einsamen Insel: Ein jeder Gast soll sich fühlen, als wäre sonst niemand da. Schließlich ist so eine Tropeninsel das Gegenteil von Rimini und Jesolo, Ölsardinenzustände, wo man vor lauter Menschen den Sand nicht sieht. Auf der im Nord-Male-Atoll gelegenen Insel, die das Resort Huvafen Fushi beherbergt, gelingt das hervorragend. Obwohl sie nur 150 mal 350 Meter misst, hat man sehr oft das Gefühl herrlicher Einsamkeit. Eine Raffaello-Werbungsidylle, kokosraspelweißer Strand, aquariumblaues Wasser und Sonnenuntergänge, die jeden Instagramfilter in den Schatten stellen, genau das, was Touristinnen und Touristen von den Malediven erwarten. Fünfzig Jahre ist es her, dass die ersten von ihnen das im Indischen Ozean gelegene Land bereisten – Zeit, einen Blick auf die Vergangenheit und in die Zukunft zu werfen, auf Fehler ebenso wie auf Chancen.

Bungalows direkt am Wasser – dafür sind die Malediven und Resorts wie das Huvafen Fushi bekannt.
Foto: Huvafen Fushi

"Als ich vor sieben Jahren auf die Malediven kam, landeten nur eine Handvoll Flugzeuge pro Woche. Schon vor der Pandemie waren es rund zehn am Tag, und seit dem Ende der Reisebeschränkungen sind die Zahlen noch mal gestiegen." Ivy Salem Sacupon, eine zierliche Frau, Mitte dreißig, mit strahlendem Lächeln, stammt ursprünglich von den Philippinen und ist im Huvafen Fushi für die Gästebetreuung zuständig. In den vergangenen Jahren, rechnet sie vor, hätten um die hundert neue Resorts eröffnet.

Auf Stelzen im Riff

Während sie erzählt, lenkt sie ein Golfcart über die sandigen Wege der Insel, vorbei an mit Palmwedeln bedeckten Gartenbungalows, einem Infinitypool, einem Meerwasser-Floating-Becken und einem rundumverglasten Fitnessraum mit Blick aufs Hausriff, in dem unter anderem völlig ungefährliche Haie schwimmen. Das Huvafen Fushi umfasst 44 Bungalows, manche davon mit privatem Strandabschnitt, andere auf Stelzen im Riff stehend. Schon die unterste Zimmerkategorie verfügt über zwei private Pools, eine Outdoorbadewanne sowie einen Butlerservice. Rund tausend Euro werden dafür pro Nacht fällig, für den siebenfachen Preis kann man sich in die zweistöckige, 800 Quadratmeter große Mastervilla einmieten, mit verglastem Schlafzimmerboden und Privat-Spa.

Schon die unterste Zimmerkategorie verfügt über Butlerservice. Wer will, kann sich in die zweistöckige, 800 Quadratmeter große Mastervilla einmieten, mit verglastem Schlafzimmerboden und Privat-Spa.
Foto: Huvafen Fushi

"Viele unserer Gäste stammen aus England, den USA, der Schweiz und Deutschland", erzählt Salem Sacupon, während sie das Golfcart auf die zu den Riffbungalows führenden Holzplanken lenkt. Zugegeben auch aus Russland, worüber aus bekannten Gründen derzeit eher der Mantel des Schweigens gebettet wird. Österreicher wiederum tauchen nur in den Top 20 auf, buchen allerdings oft über deutsche Reiseveranstalter, weswegen sie anders erfasst werden. Und was sind das nun für Leute? Wenige Kinder, kaum Alleinreisende. Manche leisten sich so einen Traumurlaub einmal im Leben, der Klassiker sind Flitterwochen, Jubiläen oder runde Geburtstage, andere machen das jedes Jahr, bleiben zwei Wochen und verlassen ihren Bungalow nicht mal für die Mahlzeiten – oder lassen sich mit dem Golfcart zur Sashimibar kutschieren, statt barfuß im Sand zu gehen.

Auf der Insel Vihamanaafushi errichteten Ahmed Naseem, Mohamed Umar Maniku und Hussain Afeef 1972 mit dem italienischen Reiseveranstalter George Corbin eine Handvoll Korallensteinhütten.

Mit seinem bis ins letzte Detail durchgeplanten Luxus ist das 2004 eröffnete Huvafen Fushi das absolute Gegenteil jenes Resorts, mit dem im Oktober 1972 vor exakt 50 Jahren die touristische Geschichte der Malediven begann. Auf der Insel Vihamanaafushi errichteten Ahmed Naseem, Mohamed Umar Maniku und Hussain Afeef gemeinsam mit dem italienischen Reiseveranstalter George Corbin eine Handvoll palmwedelbedeckte Korallensteinhütten und nannten das Ergebnis Kurumba, was in der Landessprache Dhivehi "Kokosnuss" bedeutet. Anfangs kamen vor allem italienische Journalisten. Statt Klimaanlage erwartete sie eine Brackwasserdusche. Aufgrund eines fehlenden Anlegestegs mussten sie die letzten Meter durchs Wasser waten.

Schnell ausgebucht

Große Skepsis schlug dem einheimischen Betreibertrio entgegen, weil die Malediven, damals eines der ärmsten Länder der Welt, über keine nennenswerte Infrastruktur verfügten. Und doch war der Erfolg auf ihrer Seite: Schon kurz nach der Eröffnung war das Kurumba Village ausgebucht. Das Beispiel machte Schule, mehr und mehr Inseln wurden bebaut und der staatlich geförderte Tourismus als Chance auf Wohlstand entdeckt. 1981 wurde der auf einer Nachbarinsel der Hauptstadt Malé gelegene Flughafen ausgebaut, spätestens ab da kamen auch die Europäer im großen Stil.

Gut 160 von fast 1200 Inseln der Malediven werden mittlerweile touristisch genutzt.
Foto: iStock

Derzeit gibt es 159 Resorts auf den Malediven, mit fast 40.000 Betten. Diverse internationale Ketten sind vertreten, von Hyatt über One & Only und Six Senses bis hin zu Ritz-Carlton. Aus dem Kurumba Village wurde ein Fünf-Sterne-Resort. Und doch gehören nicht alle Unterkünfte der Luxuskategorie an, es gibt Familienresorts und Öko-Lodges ebenso wie Barfußhostels. Manche Inseln sind so klein, dass ihre Umrundung keine zehn Minuten dauert, andere verfügen über 800 Betten. Nicht nur der Preis entscheidet über die Auswahl, sondern auch die eigenen Präferenzen, wie ein aus der Schweiz stammendes Paar erklärt, das bereits zum zehnten Mal auf den Malediven ist, jedes Mal woanders.

Weinkeller unter Wasser

"Manche wollen eine möglichst schillernde Unterwasserwelt sehen, andere spektakulär essen, wieder andere suchen das beste Spa", erklärt der aus Zürich stammende, sonnengeküsste Gast. Er und seine Partnerin seien eher die aktiven Typen, für heute stehen Yoga und Nachtschnorcheln auf dem Programm. Zu den Vorzügen ihres aktuellen Aufenthaltsorts gehören vier Restaurants, ein unterirdischer Weinkeller und das weltweit erste Unterwasser-Spa. Für Unterwasserrestaurants oder Unterwasserweinkeller muss man auf andere Inseln fahren – in Sachen ausgefallener Ideen übertrumpfen sich die Resorts gegenseitig.

Zu einem halben Jahrhundert Tourismus gehören auch dessen Schattenseiten. Eine aus allen Nähten platzende Hauptstadt – nirgendwo leben mehr Menschen auf weniger Raum als auf Malé –, mühsam importierte Waren (denn viel mehr als Fisch und tropische Früchte gibt es nicht vor Ort) und immer mehr Gäste, die immer mehr Abfall verursachen, der auf einer eigenen Müllinsel namens Thilafushi entsorgt wird, bis zu 1500 Tonnen täglich. Erst allmählich findet ein Umdenken statt, gibt es Resorts, die auf Plastik verzichten, und solche mit Korallenschutzprogramm. Anderswo werden künstliche Inseln aufgeschüttet, eine davon in Sichtweite des Huvafen Fushi. Warum das denn, wo doch die Mehrheit der 1196 maledivischen Inseln unbewohnt ist?

Kokosraspelweißer Strand, aquariumblaues Wasser und Sonnenuntergänge, die jeden Instagramfilter in den Schatten stellen.
Foto: Huvafen Fushi

"Entscheidend ist die Nähe zu Malé und dem dort gelegenen Flughafen", so der aus Australien stammende Hotelmanager Noel Cameron. Während man seinen Arbeitsplatz in einer dreißigminütigen Schnellbootfahrt erreicht, liegen manche Inseln eineinhalb Flugstunden entfernt. Während man seinen Arbeitsplatz in einer dreißigminütigen Schnellbootfahrt erreicht, liegen manche Inseln eineinhalb Flugstunden entfernt. Eines seiner Anliegen ist, möglichst viele Einheimische zu beschäftigen, etwas mehr als die Hälfte sind es aktuell, davon weniger als zehn Prozent Frauen. Die 190-köpfige Crew lebt auf der Insel, was ziemlich überrascht angesichts des solitären Gefühls, das sich beim Aufenthalt einstellt. In die Personaleinkünfte haben die Gäste natürlich keinen Einblick.

Die Weltlage spüren

Cameron zufolge liegt die Auslastung jetzt, Mitte Oktober, bei vierzig Prozent, das wären also um die sechzig Gäste, gefühlt sind es allerdings sehr viel weniger. "Vor allem die Europäer kommen eher zwischen November und März, wenn das Wetter stabil und der heimische Winter besonders hart ist. Abgesehen davon spüren auch wir die von Pandemie, Krieg und Rezession geprägte Weltlage."

Das 50-jährige Jubiläum sei für die Regierung hoffentlich Anlass, das Konzept der kommenden Jahre zu überdenken, immer mit der Frage, wie nachhaltiger Tourismus gelingen kann. Als Vorbild nennt Cameron Mauritius, nicht zuletzt aufgrund dessen Verbots von Einwegplastik. Klimatisch ist es dort ähnlich paradiesisch, Raffaello-Werbungsstrände gibt es ebenfalls – aber dieses spezifische Einsame-Insel-Gefühl, das hat man wohl doch eher auf den Malediven. (Eva Biringer, 27.10.2022)