Der Biohof von Kerstin und Christian Steidl ist einer von derzeit 27 Partnerbetrieben der Regionalwert AG.

Foto: Steidlhof

Regional, organisch, biologisch – nach diesem Ansatz bewirtschaften Kerstin und Christian Steidl ihren kleinen Biohof im niederösterreichischen Oberwölbling. Sie nutzen natürlichen Dünger für ihren Acker, verzichten auf Pestizide und halten ihren Boden fruchtbar. Das kostet zwar viel Geld, Zeit und Arbeit, schont aber Umwelt und Boden. Auch die Lieferwege von Steidls Biobetrieb sind kurz: Gemüse, Getreide und Eier verkauft die Familie direkt in ihrem Hofladen und auf dem lokalen Monatsmarkt. Der Betrieb ist einer von rund 25.000 Biobetrieben in Österreich, die Gemeinden vor Ort mit Lebensmitteln versorgen.

Dennoch wird die Arbeit solcher Biobetriebe noch zu wenig gefördert, kritisieren Experten. Die gesetzlichen Förderungen richten sich in erster Linie nach der Größe der landwirtschaftlichen Fläche und weniger danach, wie nachhaltig ein Hof wirtschaftet. Begünstigt werden dadurch tendenziell industrielle Großbetriebe. Gerade für Kleinbetriebe lohnt sich die biologische Landwirtschaft deshalb häufig nicht.

Mit Bürgeraktien regionale Betriebe fördern

Eine Initiative in Niederösterreich beschloss deshalb kurzerhand, die Förderung selbst in die Hand zu nehmen und regionale Biobetriebe aus der Zivilgesellschaft heraus zu finanzieren. Rund 50 Personen und Betriebe gründeten dafür im Vorjahr die Regionalwert AG Niederösterreich-Wien, die erste Bürgeraktiengesellschaft in Österreich.

Die Idee ist simpel: Bürgerinnen und Bürger können sogenannte Bürgeraktien über die AG erwerben. Das angelegte Geld investiert sie dann in Biobetriebe in der Region Niederösterreich-Wien. Zu dem Netzwerk der Regionalwert AG gehören inzwischen 27 Partnerbetriebe. Darunter finden sich Biohöfe, Bio- und Naturkostläden, Produktions- und Verarbeitungsbetriebe und regionale Genossenschaften. Auch der Hof von Familie Steidl ist dabei.

Mittlerweile besitzen 150 Personen Bürgeraktien der Regionalwert AG, das Grundkapital liegt momentan bei 871.000 Euro. Wenn ein Betrieb etwa Geld benötigt, um seinen Stall zu erweitern oder neue landwirtschaftliche Maschinen zu kaufen, unterstützt die AG das finanziell. Für Biohöfe, die ihr Getreide etwa viele Kilometer weit zur Reinigung fahren müssen, kann sich etwa eine Reinigungsmaschine vor Ort lohnen, um Transportwege und -kosten zu sparen.

Alfred Schwendinger ist Mitgründer und Vorstand der Regionalwert AG.
Foto: Karlheinz Fessl / Regionalwert AG

Partnerbetriebe kooperieren über das Netzwerk

Die Idee ist aber nicht nur, Partnerbetriebe mit den Bürgeraktien finanziell zu unterstützen. Ziel ist es laut Gründern auch, die regionale Zusammenarbeit zwischen den Betrieben zu fördern. Gegen eine jährliche Lizenzgebühr vernetzt die AG Betriebe miteinander und hilft ihnen bei der Produktvermarktung.

Dadurch sind bereits unterschiedliche Kooperationen in der Region entstanden. Familie Steidl tauscht etwa mit einem Regionalwert-Partnerbetrieb Gemüse für die Marktstände aus. In anderen Fällen kaufen Bioläden ihr Brot aus der lokalen Bäckerei, die ihr Mehl vom benachbarten Biohof bezieht.

Im Unterschied zu klassischen Aktien sind die Bürgeraktien nicht börsennotiert. Es sind Namensaktien, die nicht am freien Markt gehandelt werden. Dass eine einzelne Person alle Aktien kauft, ist per Satzung nicht möglich. Eine Besonderheit ist auch, dass die Regionalwert AG keine Rendite abwirft. Aktionärinnen und Aktionäre profitieren von dem Wert, den sie mit dem angelegten Geld für die Region schaffen.

"Die Rendite ist, dass Menschen mehr Bioprodukte aus der Region auf ihrem Teller haben", sagt Alfred Schwendinger, der selbst 37 Jahre lang als Biobauer tätig war und heute Vorstand der Regionalwert AG ist.

Ziel: 30.000 Aktionärinnen und Aktionäre

Wie genau sich die Bürger-AG auf die regionale Entwicklung in Niederösterreich auswirkt, wurde bisher noch nicht untersucht. Dafür ist sie noch zu jung. Die Partnerbetriebe äußern sich auf Anfrage jedenfalls positiv. "Die Zusammenarbeit und das Vernetzen mit Gleichgesinnten funktionieren gut", sagt Biobäuerin Kerstin Steidl im Gespräch mit dem STANDARD. Das Netzwerk helfe ihnen, Kontakte in der Region zu knüpfen und Produkte besser zu vermarkten.

Auch Andreas Egger von der Genossenschaft Milchkandl, die von Regionalwert heuer finanziell unterstützt wurde, hält die AG für eine "tolle Idee". Die AG müsse aber beweisen, dass es auch wirtschaftlich Sinn mache, in Biobetriebe zu investieren. Immer nur Geld in Betriebe "hineinzupumpen" reiche dafür nicht aus. Die AG müsse sich langfristig an Unternehmen beteiligen, die eine Dividende abwerfen, und damit zusätzliches Kapital für Investitionen schaffen, so Egger.

Bis es so weit ist, will die Regionalwert AG weiter wachsen. Rund 30.000 Aktionärinnen und Aktionäre sollen es in zehn Jahren sein, so das Ziel. Für November ist heuer die nächste Aktienemission geplant. Eine Bürgeraktie kostet dann 600 Euro. Schwendinger sieht in der Regionalwert AG eines von vielen Modellen, um regionale Biobetriebe besser zu fördern. Die Politik dürfe man aber nicht in Ruhe lassen, sagt er. Wie viele Biobäuerinnen und Biobauern fordert er ein Umdenken in der aktuellen Agrarpolitik, damit kleine Höfe wie der von Familie Steidl den Regionen auch künftig erhalten bleiben. (Florian Koch, 29.10.22)