Lula liegt in den Umfragen noch hauchdünn in Führung. Bolsonaro will eine Niederlage nicht einfach hinnehmen.

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Ex-Präsident Lula kämpft mit Abgeordneter Celia Xakriaba an seiner Seite.

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Amtsinhaber Bolsonaro umarmt den ultrakonservativen Abgeordneten Nikolas Ferreira.

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Belo Horizonte – In Brasilien gibt es für die Präsidentschaftskandidaten im Moment nur einen Ort, an dem sie sein müssen: den Bundesstaat Minas Gerais. Jene Region mit den zweitmeisten Bewohnerinnen und Bewohnern wird bei jeder Wahl zum umkämpften Gebiet, da noch alle Wege seit 1950 zur Präsidentschaft über einen dortigen Sieg führten. Und das Rennen um das höchste Amt im Staat ist vor dem Stichwahltag am Sonntag sehr knapp.

In Umfragen führt zwar noch immer der ehemalige linke Präsident Luiz Inácio Lula da Silva vor dem Amtsinhaber Jair Bolsonaro, doch trennen die beiden nur noch vier Prozentpunkte. Bei einer Schwankungsbreite von zwei Prozent könnten die beiden quasi gleichauf liegen.

Bei ihren Wahlkampfauftritten im rohstoffreichen Bundesstaat zeigen sich die beiden Politiker mit jungen, erfolgreichen Gesichtern aus ihrer Partei. Bolsonaro umarmte den jugendlich aussehenden Abgeordneten Nikolas Ferreira, der in Tiktok-Videos seine ultrakonservativen Ansichten und evangelikalen Glaubensmeinungen verbreitet. In einem Interview warnte er etwa davor, dass Brasilien zu Kanada werde, "wo es gute Busse, gute Schulen gibt, aber keine Moral". Wählerinnen und Wähler von Lula setzt er mit Satanisten gleich: "Es gibt Gläubige, die sich für den Teufel entscheiden. Es gibt Gläubige, die sich für Lula entscheiden."

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Gestiegene Abholzung

Als Stimme der Armen, Arbeiter und Indigenen verkauft sich hingegen Ex-Präsident Lula, der dazu passend mit der Abgeordneten Célia Xakriabá unterwegs ist. Die erste gewählte indigene Repräsentantin spricht von einem "historischen Moment". Umweltthemen müssten nun oberste Priorität erhalten. Damit legt sich Xakriabá vor allem mit dem mächtigen Bergbausektor an, der für die Abholzung des Regenwaldes verantwortlich ist, eines essenziellen Systems für den Schutz des Klimas.

Unter Bolsonaro als Präsident ist die Abholzung stark gestiegen – unter anderem, weil der zuvor einflussreichen Umweltagentur Ibama sowohl Budget als auch Arbeitsplätze gestrichen wurden. Bolsonaro kritisierte sie zudem scharf dafür, Werkzeug zu konfiszieren, das im illegalen Bergbau und für die Abholzung eingesetzt wurde. Das Ergebnis: Zwischen 2019 und 2021 verlor der Amazonas eine Fläche größer als Belgien. Im Kontrast dazu ging die Abholzung während Lulas Präsidentschaft von 2002 bis 2010 um 65 Prozent zurück. Auch jetzt verspricht er, der Zerstörung des Waldes ein Ende zu setzen.

Am Sonntag wird also vieles entschieden. Bolsonaro hat bereits für den Fall seiner Niederlage – ähnlich wie Ex-US-Präsident Donald Trump – eine Geschichte von der gestohlenen Wahl vorbereitet. Fachleute befürchten, dass ein erneuter Sieg des Amtsinhabers Brasilien auf den Weg von Nicaragua oder Venezuela führen könnte, wo ebenso vorerst legitim gewählte Staatsmänner die Demokratie quasi abgeschafft haben. (bbl, alp, 28.10.2022)