Die Eiszeit zwischen der Fis und einigen nationalen Verbänden erschwert die Bewältigung der Herausforderungen, die durch den Klimawandel auf den Skirennsport zukommen.

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Vion und die Fis wollen zurück nach China: "China ist ein Schlüsselland. Dort gibt es ein Erbe von den Olympischen Spielen. Es wäre schlecht, das Kapitel zu schließen."

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Schwere Zeiten für den Skirennsport: Der internationale Skiverband (Fis) steht nicht nur wegen der umstrittenen Wiederwahl von Johan Eliasch zum Präsidenten in der Kritik, er liegt auch wegen der geplanten Zentralvermarktung mit nationalen Verbänden im Clinch. Zudem sorgen der frühe Saisonstart, die Absage von fünf der ersten sechs Rennen, der ausgeweitete Rennkalender, Gerüchte über Rennen in Dubai, die Vergabe der Asienspiele 2029 an Saudi-Arabien und nicht zuletzt der CO2-Abdruck für Unmut.

STANDARD: Warum wurde der ohnehin mit vielen Rennen gespickte Weltcupkalender von 37 auf 42 für Frauen bzw. 43 für Männer aufgebläht?

Vion: Wir haben versucht, mehr Rennen unterzubringen, um einen kompakteren und attraktiveren Kalender zu schaffen. Darum haben wir die Rennen in Zermatt/Cervinia für heuer eingeplant. Wenn wir neue Destinationen finden, müssen wir Veränderungen vornehmen. In Sölden ist traditionell alles perfekt organisiert und die Piste perfekt präpariert. Sie haben dort viel Erfahrung, und der Gletscher ist der beste, den wir für das Opening finden können.

STANDARD: Viele kritisieren den frühen Saisonstart. Wäre es nicht klüger, später zu beginnen und die Saison erst im April ausklingen zu lassen?

Vion: Wir müssen versuchen, den Kalender im November kompakter zu machen, wenn die Kälte und der Schnee kommen. Aber die Saison können wir nicht verlängern. Eine Abfahrt Ende März ist allein schon aus Sicherheitsgründen schwierig. Auch wegen der Schneeverhältnisse und der Nachhaltigkeit. Und es geht auch um das Interesse. Im März haben wir Fußball, Formel 1, MotoGP, Radsport und mehr.

STANDARD: Warum wurde im Frühjahr ein zweiter Amerikarennblock geplant, wo es doch darum geht, den CO2-Fußabdruck zu verkleinern?

Vion: Wir haben die Kritik gehört und verstanden. Zweimal in die USA zu fliegen ist mehr ein Test. Für den US-Markt ist der März ein idealer Zeitpunkt, um den Markt dort zu entwickeln. Ende November, Anfang Dezember ist es immer schwierig, gut für die Skiindustrie, aber nicht für die Zuschauer vor Ort. Wir wollen künftig vermeiden, zweimal in die USA zu reisen.

STANDARD: Sie haben in den Raum gestellt, dass es wegen der Energiekrise zu Absagen kommen könnte.

Vion: Ich sagte nur, dass es passieren kann. In Österreich ist das normalerweise kein Problem. Wir haben jedes Jahr Absagen. Das kann bei unpassendem Wetter passieren.

STANDARD: Wird es künftig mehr Rennen in Asien geben?

Vion: Asien ist eine Option. China ist ein Schlüsselland. Dort gibt es ein Erbe von den Olympischen Spielen. Es wäre schlecht, das Kapitel zu schließen. Wir wollen dorthin zurückkehren. Im Moment sind sie nicht bereit, weil sie kein Flutlicht haben. Ohne Flutlicht können wir die Rennen nicht zu einer günstigen Zeit in Europa übertragen. Wir brauchen keine Rennen um vier Uhr morgens, aber wir brauchen den chinesischen Markt.

STANDARD: Sind Rennen in Dubai geplant und Rennen in Hallen überhaupt vorstellbar?

Vion: Nein. Es war eine lange Diskussion, und wir haben entschieden, dass Weltcuprennen in Skihallen keine Option sind. Parallelrennen im Europacup sind vorstellbar. Und wir brauchen die Hallen für Trainingszwecke.

STANDARD: Veranstalter stehen vor dem Problem, nicht längerfristig planen zu können. Ist diesbezüglich eine Änderung in Sicht?

Vion: Wenn wir neue Destinationen finden, müssen wir Veränderungen vornehmen. Wir wollten und werden aber einen langfristigen Kalender erstellen, die Weltcuporganisatoren brauchen einen Plan, um ihre Investitionen planen zu können. Wir sind nur gerade in einer Übergangsphase, die uns nicht erlaubt, weit vorauszudenken. Wir brauchen noch etwas Zeit.

STANDARD: Ist es vertretbar, dass die Asienspiele 2029 in Saudi-Arabien ausgetragen werden?

Vion: Es ist nicht ganz natürlich, in dieses Land zu gehen. Aber, um Missverständnisse zu vermeiden, die Spiele werden nicht in der Wüste, sondern hoch oben in den Bergen stattfinden. Sie haben sehr hohe Berge, und es ist sehr kalt dort oben. Sie werden Schnee und Skilifte haben. Es ist nicht so wie bei der Fußball-WM in Katar. In die Wüste zu gehen ist nicht natürlich. Und in Anbetracht des Klimawandels wirkt es befremdlich. In die Entscheidung für Saudi-Arabien waren wir nicht eingebunden. Das ist Sache des IOC.

STANDARD: Die Kosten für Energie, Rennen und Reisen steigen. Wie kann die Fis gegensteuern?

Vion: Wir haben das Regenwalderhaltungsprogramm gestartet, um klimaneutral zu sein. Und wir müssen die Emissionen reduzieren. Da gibt es zwei Punkte: Wie managen wir Großevents klimaneutraler, und wie können wir über den Kalender gegensteuern? Aber gleichzeitig müssen wir auch realistisch sein. Wir werden immer reisen. Wenn wir alle Rennen in Österreich austragen, wäre es kein Weltcup mehr. Aber wir müssen reduzieren, indem wir etwa eine Tour durch Skandinavien machen. Die Termine der Klassiker werden aber nicht verändert.

STANDARD: Wie kann man Skirennen für ein jüngeres Publikum attraktiver gestalten?

Vion: Wir wollen seit vielen Jahren neue Formate entwickeln, etwa mit dem Parallelformat. Aber wir sollten uns auf die vier Kerndisziplinen fokussieren und die attraktiver gestalten. Und wir müssen eine bessere Show bieten und mehr Daten über die Bildschirme mitliefern.

STANDARD: Zwischen der Fis und einigen nationalen Verbänden herrscht Eiszeit. Wie geht es weiter?

Vion: Einige Verbände sind mit dem Wahlprozedere nicht zufrieden. Die Unzufriedenheit richtet sich aber nicht in erster Linie gegen Eliasch. Vor den Sportgerichtshof Cas zu ziehen war keine besonders gute Idee. Besser wäre gewesen, das intern zu klären. Der Cas wird eine Entscheidung fällen, und dann werden wir sehen, ob wir den Wahlprozess verändern müssen.

STANDARD: Österreichs Verbandsspitze beklagt, dass die Kommunikation schwierig ist. Ist sie das?

Vion: Österreich, die Schweiz und Deutschland sind nicht glücklich mit unseren Plänen der Zentralisierung der Vermarktung. Ich kann das verstehen, weil ihre Systeme funktionieren. Die Gespräche verlaufen relativ gut, und wir respektieren einander. Aber im Moment sind wir bezüglich der Zukunft nicht gleicher Meinung. (Thomas Hirner, 28.10.2022)