Es rennt.

Foto: APA/ERWIN SCHERIAU

Es gibt Momente, die vergisst ein ganzes Stadion nicht, da schreibt sich ein fliegender Fußball in den alten Beton der Arena und in die jungen, alten und ekstatischen Hirne der Fans ein. Einen solchen erlebte Graz am Donnerstagabend, es war die dritte Minute der Nachspielzeit: Sturm Graz steuerte gegen Feyenoord auf ein 0:0 zu, es gab einen Freistoß, der kam über Umwege zu Otar Kiteishvili, der stoppte den Ball mit der Brust und versenkte ihn halbvolley im Tor. Das bedeutete für Sturm vor dem letzten Spieltag der Europa-League-Gruppenphase Platz zwei.

Vor dem fünften Spieltag hatten alle Teams bei fünf Punkten gehalten, schon am frühen Abend hob sich Lazio mit einem 2:1 gegen Midtjylland vom Rest ab. In Graz verzichtete Sturm-Coach Christian Ilzer auf Überraschungen, den erkrankten Jon Gorenc-Stankovic ersetzte Ivan Ljubic. Gernot Trauner diente Feyenoord als Abwehrchef.

Pyro-Nebel

Die Partie begann kunstnebelbedingt leicht verspätet, die zwei Fanlager hatten sich in Sachen Pyrotechnik nichts geschenkt. Die niederländischen Anhänger hatten schon untertags den Grazer Hauptplatz be- oder entehrt und eine unheilige Wolke aus Bier, Urin und Erbrochenem hinterlassen. Auf dem Feld gehörte der erste Akzent den Ihrigen, Sebastian Szymański schoss nach einem Affengruber-Fehlpass vorbei. Sturm versuchte es wie so oft mit schnellen Angriffen, doch die Pässe waren so hoffnungslos wie steil. Einen Schuss von Tomi Horvat parierte Trauner unfreiwillig mit dem Gesicht.

Feyenoord war tonangebend, näherte sich immer wieder bedrohlich an. Sturm versuchte sich zwischenzeitlich an kontrollierterem Spielaufbau, die Beziehung zum Spielgerät blieb trotzdem von sehnsüchtiger Distanz geprägt. Es gab auch steirische Offensivmomente: Prass scheiterte im improvisierten 1-gegen-7-Dribbling am Sechzehner, einen 3-gegen-2-Konter machte Trauner zunichte.

Immer wieder Siebenhandl

Der Österreicher war es auch, dessen Kopfball Siebenhandl an die Latte lenkte (31.). Auch Innenverteidiger Gregory Wüthrich hatte seinen Auftritt, er grätschte Danilo Pereira als letzter Mann im Vollgalopp den Ball ab. Die brasilianische Nummer neun blieb glücklos, köpfelte aus wenigen Metern Jörg Siebenhandl an (40.) und konnte Sturms Rückhalt auch nach einem Stanglpass nicht überwinden (45.). Die Gastgeber waren mit dem 0:0 zur Pause exzellent bedient.

Halbzeit zwei glich anfangs Halbzeit eins. Sturm kam im Pressing meist einen Schritt zu spät, machte leere Kilometer und pickte gewonnenen Bällen schnell das Rücksendeetikett auf. Einmal funktionierte ein Konter, Horvat schloss ihn unplatziert ab (53.). Ilzer nahm Kapitän Stefan Hierländer und Albian Ajeti vom Feld, das war nachvollziehbar. Kiteishvili und Emmanuel Emegha ersetzten das Duo.

Der Kipppunkt

Die Wechsel zeigten Wirkung. Bei einem langen Ball war Emegha noch zu spät dran, nach einer Ljubic-Flanke köpfelte der Angreifer an die Außenstange. Ausgedehnte Ballbesitzphasen waren weiterhin ein niederländisches Exklusivvergnügen, aber Sturm war im Spiel. Affengruber brachte das Stadion fast zum Überkochen, er köpfelte völlig frei vorbei (71.). Jeder Eckball wurde von dem hiesigen Anteil der 13.987 Fans gefeiert. Das Resultat der Corner ... weniger.

Feyenoord blieb gefährlich, Patrik Walemark raste im Konter in den Strafraum, hob aber lachhaft ab – Gelb für die Schwalbe. Andere Seite, Minute 81: William Böving dribbelt an der Strafraumgrenze, setzt Alexander Prass ein, dessen Schuss wird geblockt. Minute 87: Emeghas Schuss wird entscheidend abgefälscht. Feyenoord sah die Zeichen, begann auf Zeit zu spielen. Joker David Schnegg stieg beim Corner auf – pariert. Und dann kam die Nachspielzeit, und dann kam Kiteishvili. Sturm reicht nun am 3. November ein Remis bei Midtjylland für den Aufstieg. (Martin Schauhuber, 27.10.2022)

Fußball-Europa-League, Gruppe F – 5. Runde:

SK Sturm Graz – Feyenoord Rotterdam 1:0 (0:0).
Graz, Stadion Liebenau, 13.987, SR Espen Eskaas/NOR.

Tor: 1:0 (93.) Kiteishvili

Sturm: Siebenhandl – Gazibegovic, Affengruber, Wüthrich, Dante (91. Schnegg) – Hierländer (56. Kiteishvili), Ljubic, T. Horvat, Prass – Ajeti (56. Emegha), Böving (83. Jantscher)

Feyenoord: Bijlow – Geertruida, Trauner, Hancko, Marcos Lopez – Timber, Szymanski (67. Pedersen), Orkun Kökcü – Jahanbakhsh (60. Waalemark), Danilo (85. Gimenez), Dilrosun

Gelbe Karten: Ljubic bzw. Timber, Waalemark, Dilrosun