Die Vielzahl an Corona-Hilfen war gut gemeint, aber unübersichtlich – und führte zusammen mit der Corona-Kurzarbeit zu Überförderungen vor allem bei den Personalkosten.

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Wien – Nun ist es sozusagen amtlich: Die großzügig und bisweilen nur kursorisch geregelten Corona-Hilfen des Staates haben dazu geführt, dass manche Unternehmen in der Pandemie höhere Gewinne erwirtschafteten als vor dem Ausbruch von Covid-19. Zu diesem Schluss kommt der Rechnungshof in seinem am Freitag vorgelegten Bericht.

Vor allem die gleichzeitige Inanspruchnahme der staatlichen Covid-19-Kurzarbeitsbeihilfe (KUA) beförderte eine Überförderung geradezu, denn weder sahen die Richtlinien zum "Umsatzersatz November und Dezember" eine Anrechnung der Covid-Kurzarbeitsbeihilfe auf die Höhe der Zuschüsse vor noch eine betragliche Deckelung, schreibt der RH. Beim Umsatzersatz hingegen waren die Zuschüsse zu kürzen, falls die Summe aus Umsatzersatz und Covid-KUA höher war als der Umsatz des Vergleichszeitraums im Jahr 2019, dem letzten "normalen" Geschäftsjahr vor der Krise.

Keine Deckelung

Worin bestand die von Wirtschaftsprüfern und Experten bereits ab Ende 2020 kritisierte, aber rechtlich mögliche und somit zulässige Überförderung konkret? Unternehmen konnten völlig legal beide Förderungen beanspruchen und erhielten so – ebenso legal – eine Überförderung bei den Personalkosten, attestiert der RH, der 50 Fälle genauer unter die Lupe nahm: Diese Unternehmen erhielten für November 2020, also während des zweiten Lockdowns mit Betretungsverboten für Geschäftslokale und Gastronomiebetriebe sowie Veranstaltungsverboten, sowohl den maximal zulässigen Umsatzersatz von 800.000 Euro als auch KUA-Beihilfe, die bei den ausgewählten Musterunternehmen zwischen 343.400 und 5,6 Millionen Euro ausmachte.

Nach deutschem Vorbild hätten 15 der 50 Unternehmen keinen Anspruch auf "Umsatzersatz November" gehabt, und 35 Unternehmen hätten nicht die vollen 800.000 Euro bekommen, sondern weniger. In Summe hätte sich die Republik Österreich allein bei diesen 50 Beispielunternehmern bis zu 29 Millionen Euro ersparen können, rechnet der Rechnungshof vor.

Ohne Nachweise, ohne Not

Als Nachweis für den Förderanspruch beim Umsatzersatz für November und Dezember genügten die Höhe der Umsätze im Vergleichszeitraum 2019 sowie die Zugehörigkeit zu bestimmten Branchen. Die im Betrachtungszeitraum erwirtschafteten Umsätze hingegen waren irrelevant, denn der Ersatz war als Prozentsatz konstruiert, der je nach Branche zwischen 12,5 und 80 Prozent des Vergleichswerts von 2019 ausmachte, also pauschal errechnet wurde und sämtliche Kostenarten abdeckte. Der tatsächliche Umsatzausfall, ein Liquiditätsengpass oder Zahlungsschwierigkeiten mussten weder belegt noch plausiblisiert werden.

Kein Geschäft, keine Kosten

Genau das erachtet der RH als Kardinalfehler, denn dabei blieb außer Acht, dass die Kosten – bei eingeschränkter Geschäftstätigkeit – gegenüber dem Vorjahreszeitraum häufig sanken oder gar nicht anfielen, weil ohne Geschäftsbetrieb weniger Rohstoffe oder Waren eingekauft werden mussten und saisonale Personalkosten ebenso entfielen wie Betriebskosten. Das Geschäft oder Restaurant war ja geschlossen. "Im Ergebnis konnten daher für den Förderzeitraum höhere Gewinne als im Vergleichszeitraum vor der Covid-19-Pandemie und eine systematische Überförderung entstehen."

Fixkostenzuschuss I

Allein das Förderdesign des Fixkostenzuschusses I hat demnach bis zu 117 Millionen Euro an Mehrauszahlungen verursacht. Unternehmen trachteten demnach aufgrund der nach Höhe des Umsatzentfalls gestaffelten Zuschüsse, in die nächste Förderkategorie zu kommen und so höhere Zuschüsse zu lukrieren. Das widersprach dem im Abbag-Gesetz und der dazugehörigen Verordnung des damaligen Finanzministers Gernot Blümel (ÖVP) festgeschriebenen Prinzip der Schadensminderung.

Als Nachweis für den Förderanspruch auf Umsatzersatz für November und Dezember genügten übrigens die Höhe der Umsätze im Vergleichszeitraum 2019 sowie die Zugehörigkeit zu bestimmten Branchen. Die im Betrachtungszeitraum erwirtschafteten Umsätze waren irrelevant, denn der Ersatz war als Prozentsatz konstruiert und betrugen zwischen 12,5 und 80 Prozent des Vergleichswertes. Pauschal errechnet deckte er sämtliche Kostenarten ab. Dass ohne Geschäftsbetrieb weniger Rohstoffe oder Waren eigenkauft werden mussten und saisonale Personalkosten ebenso entfielen wie Betriebskosten, änderte daran nichts.

Konzernteile einzeln betrachtet

"Beträchtliches Überförderungspotenzial" habe bei Konzernen bestanden, weil mangels Konzernbetrachtung jede Filiale als einzelnes Unternehmen Zuschüsse bis zum Höchstbetrag beanspruchen konnte. Dies habe die Treffsicherheit der Zuschüsse beeinträchtigt und potenziell zu Wettbewerbsverzerrungen geführt.

Massive Kritik gibt es auch an der Errichtung und Besetzung der Leitungs- und Kontrollorgane der für die Abwicklung der Corona-Hilfen binnen weniger Tage als Tochter der Bankenabbaugesellschaft Abbag aus dem Boden gestampften Cofag. Wozu es überhaupt eine neue Abwicklungsstelle gebraucht habe, erschließt sich für den RH nicht. Das Finanzministerium hätte auf vorhandene Strukturen zurückgreifen können, etwa Finanzämter oder die staatliche Förderbank AWS. Die zuständige Finanzabteilung im Ministerium sei so gut wie gar nicht eingebunden worden. Dass die Willensbildung und Entscheidungsfindung im Finanzministerium nicht nachvollziehbar dokumentiert wurde und Alternativen nicht ausreichend abgewogen worden seien, rundet das Bild ab.

Millionen für Expertise

Mit Stand Juni 2021 sei für die Cofag umgerechnet eine Arbeitskapazität von deutlich mehr als 200 Vollzeitstellen nötig gewesen – überwiegend externe Prüfer und Experten, denn die Cofag war dazu gar nicht in der Lage, sie hatte lediglich zwei Geschäftsführer und 16 Beschäftigte (umgerechnet auf Vollzeitstellen).

Das ging ins Geld: Der Zukauf von Beratungsleistungen schlug von März 2020 bis Mitte 2021 mit rund 21 Millionen Euro zu Buche, bis Ende 2021 waren es bereits 36 Millionen, kritisiert der Rechnungshof. Als Enkeltochter des Finanzministeriums ist die Cofag zudem der Kontrolle des Parlaments entzogen.

Nachträgliche Überprüfungen

Seitens des Finanzministeriums wurde am Freitag versichert, dass die Empfehlungen des Rechnungshofs evaluiert oder bereits teilweise umgesetzt wurden. Die Wirtschaftshilfen seien immer wieder angepasst worden. Hilfen, die zu Unrecht bezogen wurden, will man zurückfordern, was sich schwierig gestalten dürfte, denn die meisten der angeführten Auffälligkeiten waren legal. Im Zusammenspiel mit der Finanzverwaltung habe man bereits mehr als 300 Millionen Euro zurückgeholt oder durch reduzierte Auszahlungen eingespart. Gemäß Covid-19-Förderungsprüfungsgesetz würden bezogene Hilfen auf Richtigkeit geprüft, das Finanzamt für Großbetriebe prüfe appelliert in diesem Zusammenhang, zu Unrecht bezogene Hilfen zurückzuzahlen.

In der neu geschaffenen Transparenzdatenbank zu den Corona-Hilfen, die seit Donnerstag, online ist, seien Cofag-Hilfen über 10.000 Euro einsehbar. (Luise Ungerboeck, 28.10.2022)