Elon Musk hat Twitter gekauft.

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Nun ist es also wirklich passiert. Nach einem monatelangen Rechtsstreit und dem Versuch, sich mit einer faulen Ausrede (Stichwort Bot-Konten) gänzlich aus der Affäre zu ziehen, hat Elon Musk Twitter übernommen – und kurzerhand die halbe Chefetage gefeuert. CEO Parag Agrawal und auch die oberste Juristin Vijaya Gadde, die unter anderem für die Sperre Donald Trumps verantwortlich war, waren ihm schon länger ein Dorn im Auge. Sie setzen sich gegen die Verbreitung von Hassrede und Desinformation ein, die auf Musks Twitter sehr wohl einen Platz finden dürften. Immerhin prahlte er im Frühjahr damit, einen "Marktplatz der Redefreiheit" schaffen zu wollen, auf dem Moderation niemals das gesetzliche Mindestmaß überschreitet.

Musks rüpelhafter Auftritt als oberster Twitterant steht also symptomatisch für all das, was den Kurznachrichtendienst und seine Nutzerinnen und Nutzer in den kommenden Jahren erwarten könnte: unberechenbare Entscheidungen über die Zukunft des Unternehmens, die verstärkte Verbreitung von Desinformation, Hass und Hetze. Ein Rechtsruck also, dem kaum Sanktionen gegenüberstehen dürften. Wenig verwunderlich, dass die Übernahme vor allem von Konservativen bejubelt wird, die nicht müde werden zu betonen, dass "liberale" Tech-Konzerne sie unfair behandeln würden.

Rückkehr der Verbannten

Genau ihnen spielt Elon Musk in die Hände, hat er doch angekündigt, Trumps Rückkehr auf Twitter zu ermöglichen. Gemeinsam mit seiner Gefolgschaft ist dieser nach seiner Sperre erst auf rechte Alternativplattformen wie Parler ausgewichen, um dann mit Truth Social sein eigenes soziales Medium zu gründen. Man bedenke: Trump wurde verbannt, weil er monatelang Fake News zur Präsidentschaftswahl verbreitet und den gewaltsamen Sturm auf das US-Kapitol am 6. Jänner 2021 befeuert hatte.

Geht es nach dem neuen Twitter-Chef, sind dauerhafte Kontosperren aber Geschichte. Empfehlungsalgorithmen sollen offengelegt werden, um die Reichweite von Postings erklären zu können. Inhaltsmoderation unterdessen soll das gesetzlich vorgeschriebene Mindestmaß niemals überschreiten.

Profiteur des eigenen Vorhabens ist freilich auch Elon Musk. In der Vergangenheit fiel er immer wieder mit fragwürdigen Aussagen und Positionen auf – angefangen beim fälschlichen Vorwurf, ein britischer Taucher, der Kinder aus einer thailändischen Höhle retten wollte, sei pädophil, bis hin zum kürzlich veröffentlichten "Friedensplan" für die Ukraine, in dem er unter anderem vorschlug, Russland die Halbinsel Krim zu überlassen.

Wilder Westen

Falls sie tatsächlich umgesetzt werden, könnten seine Ideen schwerwiegende Folgen haben. Twitter ist eine wichtige Kommunikationsplattform für Politikerinnen und Politiker, um die Wählerschaft mit pointierten Kommentaren zum tagespolitischen Geschehen zu erreichen – und Stimmung für eine bestimmte Position zu machen. Mit dem Wegfall aller Moderationsbemühungen könnte die Plattform zum Wildwest-Saloon werden, in dem ungefiltert wild herumgeschossen wird.

Die Balance sicherzustellen ist nun Aufgabe der Politik. Während Hassrede in den USA unter die Redefreiheit fällt, schützt europäisches Recht die Bevölkerung vor ebendieser. Derzeit hakt es zwar noch an der Durchsetzung. Dank des Digital Services Act (DSA) der EU dürfte sich das aber bald ändern. Spätestens 2024 müssen sich Social-Media-Plattformen strengeren Regeln unterwerfen – stets unter der Androhung empfindlicher Geldstrafen. Ignorieren kann Musk all das nicht. Dafür ist Europa ein zu wichtiger Markt. Es bleibt also zu hoffen, dass der DSA tatsächlich wasserdicht ist. Sonst sieht es schlecht aus für den freien Diskurs im Internet. (Mickey Manakas, 28.10.2022)