"Ich bin mehr oder weniger seit 40 Jahren als Kellner in der Gastronomie tätig. In Wien hat's im Grünen Café begonnen, dann kam das U4, gefolgt vom Amerlingbeisl, dem Lux, dem Café Amacord am Naschmarkt und dem Gasthaus Wild. Auch im Jazzclub Porgy & Bess war ich beschäftigt. Im Kleinen Café am Franziskanerplatz bin ich nun auch schon wieder seit acht Jahren tätig. Zur Gastronomie bin ich eigentlich der Liebe wegen gekommen. Das war noch vor meiner Zeit in Wien, im Westen. Ich arbeitete damals als Grafiker und hatte eine Freundin, die berufsbedingt öfters ihren Wohnsitz wechselte. Aus diesem Grund musste ich ihr wohl oder übel hinterherreisen.

Das gestaltete sich mit einem fixen Job sehr schwierig. In der Gastronomie kann man überall tätig sein und findet schnell eine neue Arbeit. Ich habe dann auch schnell meine Liebe zu dieser Branche entdeckt, und die ist bis heute geblieben. Absolut. Ich mache Menschen einfach gern glücklich, im Kleinen sozusagen. Ich möchte ihnen eine angenehme Zeit ermöglichen. Die jüngeren Kolleginnen und Kollegen sind in ein anderes System eingetreten, als es früher geherrscht hat. Seinerzeit war alles analog, es gab kaum Kontrollinstanzen, und wenn, dann gestalteten sich diese sehr aufwendig. Heute läuft mehr oder weniger alles über die Kassa. Seinerzeit sah man alles noch lockerer.

Harri Ölz arbeitet seit vier Jahrzehnten in der Gastronomie – seit acht Jahren im Kleinen Café am Franziskanerplatz.
Foto: Michael Hausenblas

Viele Wirtsleute haben früher durch Schwarzgeld echt viel verdient. Uns im Service hat das nicht wirklich etwas gebracht, da man viel schlechter angemeldet war. Es gab zum Beispiel weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld. Heutzutage ist man ab dem ersten Tag gemeldet, was natürlich von großem Vorteil ist. Früher hieß es: "Ihr kriegt eh so viel Trinkgeld." Klar haben wir ganz gut verdient, aber die Sache war trügerisch.

Man war jung und teilweise ein bisserl blöd. Viel ist da am Monatsende nicht übriggeblieben. Ich denke, diesbezüglich hat sich nicht viel verändert. Nein, ich würde nicht sagen, dass früher alles besser war. Auf keinen Fall. Die Gäste sind allerdings nicht mehr so freigiebig und lustbetont. Seinerzeit haben die Menschen mehr konsumiert, sind länger zusammengesessen. Dass sich das verändert hat, liegt natürlich in erster Linie an einem ganz anderen Gesundheitsbewusstsein, das sich in weiten Teilen der Gesellschaft etabliert hat. Es hat nicht nur mit Geld zu tun.

"Auf den Mund gefallen sollte man auch nicht unbedingt sein."

Ich hab eine 17-jährige Tochter und weiß nicht, ob ich ihr die Gastro empfehlen würde. Aber warum nicht? Sie müsste es sich halt genau anschauen. Sie hat vor zu studieren, am liebsten in den USA. Weshalb also nicht neben dem Studium in einem Café jobben? Wenn man Freude in dieser Branche verspürt, hat der Job des Kellnerns durchaus das Zeug zu einem Lebensentwurf. Ohne Freude geht man bei diesem Job ein. Sie ist absolute Grundvoraussetzung. Ich kenne eine Reihe von Leuten, die mit mir arbeiteten und mit 30 ins Burnout gingen. Einige haben den Job gewechselt, andere sind dann in Frühpension gegangen. Ach ja, und noch etwas: Auf den Mund gefallen sollte man auch nicht unbedingt sein. Eine gewisse Robustheit ist von Vorteil. Empathie detto. Teamarbeit spielt eine weitere, sehr große Rolle. Am besten ist es, wenn alles wie aus einem Guss abläuft. Hapert es im Team, wird es anstrengend. Für alle. Auch für die Gäste.

Dass viele Gastrobetreiber kein Personal finden, erkläre ich damit, dass es sich bei der Kellnerei im Grunde genommen um einen Stressjob handelt, den sich viele nicht antun wollen. Ich bin jetzt 64, und offensichtlich ziehe ich mit meiner Freude an meiner Tätigkeit auch meinen Körper mit. Ich verstehe die Arbeit als eine Art kleine Bühne, ein kleines Theater. Ich freue mich jeden Tag schon am Morgen, wenn wir den Orangensaft pressen, das Besteck in die weißen Servietten wickeln, die Tageszeitungen herrichten und ich mir überlege, welche Musik gespielt wird. Um zehn geht der Vorhang auf, und die Vorstellung kann beginnen. Und ich, ich bin eine Art Dirigent." (Michael Hausenblas, 30.10.2022)