Die WKStA hat den ersten Ermittlungsstrang gegen Sebastian Kurz abgeschlossen.

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Es waren bewegte Tage für den früheren Öbag-Chef Thomas Schmid: Am 18. Oktober wurde bekannt, dass er sich der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als Kronzeuge angeboten und bereits 15 ganztägige Einvernahmen absolviert hat. Tags darauf präsentierte Sebastian Kurz, der von Schmid in der Causa Umfragen/Beinschab-Tool schwer belastet wird, ein aufgezeichnetes Telefonat, das er im Oktober 2021, wenige Tage nach seinem Rücktritt als Kanzler, mit Schmid geführt hatte. In den Augen von Kurz entlastet ihn das Gespräch, und es deute darauf hin, dass Schmid die Unwahrheit sage. Denn Kurz sprach in der Unterhaltung davon, dass er mit den Studien und Inseraten nichts zu tun hatte – Schmid widersprach ihm nicht.

Was bislang nicht bekannt war: Nachdem das Team Kurz das Protokoll des Telefonats veröffentlicht hatte, reiste Schmid flugs nach Österreich, um erneut vor der WKStA auszusagen. Die wollte wissen, warum Schmid dieses Telefonat in seinen Einvernahmen nicht erwähnt hatte. Schmid verwies darauf, dass er den Ermittlern von sich aus von seiner Angst erzählt habe, dass Kurz ihre Gespräche aufnehme.

Angst vor Abhörmaßnahmen

Im Protokoll zur neuerlichen Befragung vom 21. Oktober sind Details nachzulesen. Und so hat sich Schmid gerechtfertigt: Sein Vertrauensverhältnis zu Kurz sei schon schwer beschädigt gewesen. Er und sein gesamtes Umfeld hätten außerdem befürchtet, dass alle Telefonate von Ermittlern abgehört würden. Im Zuge des Anrufs von Kurz zum Beinschab-Tool habe Schmid "nach den ersten Minuten vor allem nach seiner Frage zu den strafrechtlichen Vorwürfen und ob ich mir die erklären könne den Eindruck gewonnen, dass vielleicht auch Kurz das Telefonat aufzeichnen könnte".

Er habe angenommen, dass Kurz eine "Verteidigungsrede für die überwachende Staatsanwaltschaft oder für seine eigene Aufnahme" halte. Er selbst habe ab da "sichtlich herumgeschwurbelt" und "die gemeinsame Verteidigungslinie bestätigt, wonach es ja gar keine Straftaten gegeben hätte". Er habe alles kleingeredet.

"Aufgrund der Körpersprache sehr misstrauisch"

Viel stärker als das Telefonat habe sich in seiner Erinnerung ein wenig später stattgefundenes Treffen mit Kurz in der Politischen Akademie der ÖVP eingeprägt. Dort sei man "sehr weit auseinandergesessen", es habe "förmlich geknistert", und er sei "aufgrund der Körpersprache von Kurz sehr misstrauisch gewesen". Kurz habe erneut darauf gedrängt, dass ihm Schmid "das Kastl" – also das Backup mit allen Chats von Schmid – übergebe. Denn er wolle für die Vorbereitung des Untersuchungsausschusses "ein Team mit der Auswertung beauftragen, um zu 'screenen', welche Inhalte die anderen Parteien diskreditieren könnten".

Die WKStA hat Schmid auch mit konkreten Passagen aus dem Kurz-Telefonat konfrontiert, zum Beispiel dessen Anmerkung, er, Kurz, habe "ja nicht einmal in meinem eigenen Ministerium selber die Inserate vergeben (...), und jetzt unterstellen sie mir, ich hätte gesteuert, was im Finanzministerium für Inserate vergeben werden (...) absurder geht's ja nicht." Auch das ließ Schmid, der ja nun als potenzieller Kronzeuge das Gegenteil behauptet, im Telefonat so stehen. Warum? Für ihn war diese Erklärung "so absurd, dass es mir fast die Sprache verschlagen hat", sagte Schmid. Deshalb sei seine Antwort "zuerst nur Gestammel" gewesen, danach habe er das Thema gewechselt.

Wohl mit Handy von Chauffeur aufgezeichnet

Die Ermittler haben sich auch mit dem Entstehen der Aufnahme des Telefonats vom 18. Oktober 2021 aufseiten von Kurz beschäftigt. Dessen Anwalt Werner Suppan hat Transkript und Aufnahme ja an die WKStA geschickt. Laut jüngstem Aktenvermerk der Ermittler über die Tonaufnahme wurde das Gespräch wohl mit dem Smartphone eines Chauffeurs aus dem Bundeskanzleramt angefertigt. Dessen Name scheine als Urheber der Datei auf. Außerdem weise der Klang der Aufnahme darauf hin, dass sie "durch ein Drittgerät" und nicht am Telefon von Kurz selbst erstellt worden sei.

Nun soll Kurz noch einmal zu alldem befragt werden. Die WKStA bat seinen Anwalt am 24. Oktober um einen "zeitnahen Einvernahmetermin" – heraus kam das Angebot, Kurz könne am 25. oder 28. November zur Verfügung stehen. Angesichts der mehrfach von Kurz geäußerten Kritik an zu langer Verfahrensdauer sei dieser Termin "bedauerlich", werde aber zur Kenntnis genommen, reagierte der zuständige Staatsanwalt. Kurz wird also am 28. November befragt werden, und dabei wird es nicht nur um das brisante Schmid-Telefonat gehen, sondern auch um den Verdacht auf falsche Beweisaussage: Diesen Ermittlungsstrang gegen Kurz und seinen früheren Kabinettschef Bernhard Bonelli hat die WKStA "inzwischen abgeschlossen". Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

ÖVP gegen WKStA-Themenliste für Schmid-Befragung

Die WKStA hat am Freitag eine Liste mit Themen für die Befragung von Schmid im U-Ausschuss an die Fraktionen übermittelt. Anlass war, dass die Ermittler befürchteten, ein Vorgreifen der Parlamentarier würde die Ermittlungen behindern. Die WKStA ersuchte deshalb um Konsultation. Laut SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer kamen vier Fraktionen dem Wunsch nach, lediglich die ÖVP ist dagegen.

Die Anklagebehörde muss sich in dieser Frage aber auf die Kooperationsbereitschaft der Parteien verlassen. Darauf bestehen, dass bestimmte Fragen im U-Ausschuss nicht gestellt werden, kann sie nicht. Um eine gemeinsame Vereinbarung zu treffen, verlangt es Einstimmigkeit. Am Montag werde man sich erneut besprechen, sagte Krainer. (Renate Graber, Fabian Schmid, APA, 28.10.2022)