Es sah ganz nach Routine aus, als der Nasa-Marslander Insight am 24. Dezember 2021 ein Beben auf unserem Nachbarplaneten registrierte. Der stationäre Lander, der sich seit Ende 2018 in der Mars-Region Elysium Planitia befindet, hatte mit seinem Seismometer zu diesem Zeitpunkt schon mehr als tausend Mars-Beben aufgezeichnet. Nähere Analysen der seismischen Wellen, deren Daten am Weihnachtstag auf der Erde einlangten, zeigten aber verblüffende Besonderheiten: Die Bebenwellen hatten sich entlang der Planetenoberfläche ausgebreitet.

Der Krater des Einschlags hat rund 150 Meter Durchmesser und ist 21 Meter tief, wie Aufnahmen des Mars Reconnaissance Orbiter zeigen.
Foto: NASA/JPL-Caltech/University of Arizona

Die Ursache, so stellte sich heraus, kam auch nicht aus dem Inneren des Roten Planeten. Die seismischen Wellen stammten von einem der größten je beobachteten Meteoriteneinschläge auf dem Mars. Aufnahmen der Sonde Mars Reconnaissance Orbiter fanden schließlich auch Spuren des Impakts in rund 3.500 Kilometer Entfernung zu Insight.

Einblick in die Kruste

"Der Ort stimmte gut mit unseren Schätzungen für die Quelle des Bebens überein", sagt Doyeon Kim von der ETH Zürich, der gemeinsam mit seinem Team eine Studie zu dem Ereignis in der aktuellen Ausgabe von "Science" veröffentlicht hat. "Es ist das erste Mal, dass jemand auf einem anderen Planeten als der Erde seismische Oberflächenwellen beobachtet hat. Selbst auf dem Mond während der Apollo-Missionen war dies nicht möglich", sagte Kim. In weiterer Folge konnte auch noch ein zweites untypisches Mars-Beben einem Einschlag rund 7.500 Kilometer von Insight entfernt zugeordnet werden.

Dass die Instrumente des Landers diese Ereignisse messen konnten, ist ein wissenschaftlicher Glücksfall. Denn aus der Analyse solcher Oberflächenwellen lassen sich wertvolle Informationen über die Struktur der Mars-Kruste gewinnen. Die Raumwellen, die bei Mars-Beben durch das Innere des Planeten wandern und schon vielfach aufgezeichnet wurden, ermöglichten bisher zwar Erkenntnisse über den Mars-Kern und den Mantel, sagten aber nur wenig über die Kruste aus.

Planetares Archiv

Die bisherigen Daten zur Mars-Kruste stammten vor allem von einer Punktmessung unter dem Nasa-Marslander. Die Analyse der Oberflächenwellen durch die Meteoriteneinschläge brachte im Vergleich eine Überraschung: Die Mars-Kruste zwischen den Einschlagsorten und dem Seismometer von Insight hat im Durchschnitt eine sehr einheitliche Struktur und eine hohe Dichte. Direkt unter der Sonde waren hingegen drei Schichten nachgewiesen und eine geringere Dichte gemessen worden. Die Forschenden vermuten, dass die Krustenstruktur unter dem Marslander nicht repräsentativ für die allgemeine Krustenstruktur des Mars ist. "Die Struktur unter Insight könnte auf eine einzigartige Art entstanden sein, beispielsweise, als bei einem großen Asteroideneinschlag vor über drei Milliarden Jahren Material ausgeworfen wurde", sagte Kim.

Aber was ist an der Kruste eines Planeten überhaupt so interessant? Sie ist ein wichtiges Archiv. Anhand ihrer Beschaffenheit können Forschende auf die Entstehung und Entwicklung eines Himmelskörpers schließen und die Bedingungen vor Milliarden von Jahren rekonstruieren. Dabei hilft Insights seismischer Datenschatz: Geschwindigkeit und Ausbreitungsmuster seismischer Wellen erlauben einige Einblicke in dieses Archiv: So können etwa Oberflächenlava oder die Schließung von Porenräumen durch Erhitzung im Zusammenhang mit vulkanischen Prozessen die Geschwindigkeit seismischer Wellen erhöhen.

Hinweise auf Vulkanismus

Aber nicht nur Rückschlüsse auf planetare Urzeiten sind dadurch möglich, wie ein zweites Forschungsteam im Fachblatt "Science" berichtet: Die Analyse der Insight-Daten zu 20 weiteren Mars-Beben deutet nämlich darauf hin, dass die Mars-Oberfläche bis heute von vulkanischen Aktivitäten geprägt wird. Das Team um Simon Stähler, ebenfalls von der ETH Zürich, untersuchte Beben, die ihren Ursprung in Cerberus Fossae hatten, einer von Gräben und Brüchen gekennzeichneten Mars-Region. In den niedrigfrequenten seismischen Daten fanden sich Hinweise auf eine potenziell warme Quelle. Das ließe sich wiederum durch Magma unter der Mars-Oberfläche erklären.

Ein Bruch im Grabensystem Cerberus Fossae.
Foto: ESA/DLR/FU Berlin

Auf Bildern von Raumsonden fand das Team auch Spuren dunkler Ascheablagerungen in der Region. "Der Farbton dieser Asche weist neuere vulkanische Aktivität nach, die vielleicht innerhalb der letzten 50.000 Jahre aufgetreten ist. Das ist geologisch gesehen relativ jung", sagte Stähler. Dem Forscher zufolge wäre es auch möglich, dass sich dort noch heute der Rest einer ehemals aktiven Vulkanregion befindet und sich sogar jetzt Magma hin zum nächsten Ausbruchherd bewegt. Die Forschenden hoffen, den heißen Verdacht mit weiteren Daten untermauern zu können. "Auch wenn es noch viel zu entdecken gibt, ist der Nachweis eines möglichen Magmavorkommens auf dem Mars spannend", sagte Anna Mittelholz, Ko-Autorin der Studie. (David Rennert, 29.10.2022)