Goldener Herbst mit Schattenseiten: Der Oktober war nicht nur deutlich zu warm, sondern auch viel zu trocken.
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Die sommerlichen Temperaturen der vergangenen Tage dürften manche kurzfristig erfreut haben. Dahinter verbirgt sich aber eine dramatische Entwicklung, die nichts Gutes zu verheißen vermag: Der zu Ende gehende Oktober ist der wärmste, der je in Österreich gemessen wurde. "Es ist traurige Gewissheit, dass der Oktober der wärmste in der 256-jährigen Geschichte im Tiefland Österreichs werden wird", sagte Marc Olefs, Leiter der Abteilung Klimaforschung an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Im Vergleich zum langjährigen Klimamittel für die Oktobertemperaturen von 1961 bis 1990 wurde heuer eine Abweichung von plus 3,6 Grad Celsius registriert.

Doch der Oktober war nicht nur zu warm, sondern auch um rund 33 Prozent zu trocken. Nicht nur ausbleibende Niederschläge tragen zur Trockenheit bei, sondern auch die längere Aktivität der Pflanzen im warmen Herbst, durch die dem Boden zusätzlich Feuchtigkeit entzogen wird.

Rasante Eisschmelze

In den Bergen war der Oktober sogar wärmer als der September. Im drittwärmsten Sommer der Messgeschichte in den Bergen ist zudem eine Rekordschmelze zu verzeichnen: Die Herbstmessungen der ZAMG haben ergeben, dass die großen Gletscher in Österreich zumindest doppelt so schnell abgeschmolzen sind wie im langjährigen Durchschnitt. Der größte Gletscher, die Pasterze am Großglockner, wies eine bis zu viermal so hohe Schmelzrate auf, berichtete ZAMG-Expertin Marion Greilinger. Durchgängig hätten sich "die größten Eisdickenverluste innerhalb eines Jahres mit im Schnitt um die vier Meter gezeigt".

Nicht jedes singuläre Wettereignis muss zwangsläufig durch den Klimawandel bedingt sein. Was die aktuell ungewöhnlich hohen Temperaturen angeht, ist der Zusammenhang mit der globalen Erwärmung für Olefs aber offenkundig: "Natürliche Schwankungen spielen immer eine Rolle. Aber diese massive Erwärmung trägt ganz eindeutig den Fußabdruck der menschgemachten Erderwärmung in sich und reiht sich auch langfristig in den immer wärmer werdenden Herbst ein. "In den vergangenen 30 Jahren ist der Herbst um 1,4 Grad wärmer geworden im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter. Damit ist der Herbst zwar jene Jahreszeit, die sich in Österreich bislang am wenigsten stark erwärmt hat, "doch auch hier werden die wärmen Jahre immer häufiger", sagt Olefs.

Warum der Herbst hierzulande bislang weniger Erwärmung verzeichnet als die anderen Jahreszeiten, hat einerseits mit der Sonneneinstrahlung zu tun, die im Frühjahr und Sommer besonders stark ist und die Temperaturen in die Höhe treibt.

Winter werden immer wärmer

Mit durchschnittlich plus 2,3 Grad hat sich aber bislang in Österreich der Winter von allen Jahreszeiten am stärksten gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter erwärmt. Der Grund dafür ist laut Olefs am wahrscheinlichsten bei Aerosolen zu finden. Es handelt sich dabei um feste und flüssige Schwebstoffe in der Luft. Seit der Einführung von Luftschutzmaßnahmen in den 1980ern hat sich deren Anteil stark verringert. Das ist zwar gut für die Luftqualität, führt aber dazu, dass mehr Sonnenstrahlung den Boden erreicht. Dieser Effekt "verschärft die Erwärmung durch Treibhausgase – im Sommer wie im Winter", sagt Olefs.

Angesichts der bevorstehenden Klimakonferenz in Scharm el-Scheich führt für Olefs "überhaupt kein Weg daran vorbei, die Emissionen sehr rasch und drastisch zu reduzieren". In den nächsten acht Jahren müsse die Reduktion 45 Prozent betragen, "um bis Mitte des Jahrhunderts auf null Emissionen zu kommen". Allerspätestens müsse das bis 2070 gelingen, um zumindest noch das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen.

"Katastrophale Folgen"

"Leider ist es so, wenn wir uns die derzeit umgesetzten Klimaschutzmaßnahmen ansehen, setzen uns diese auf einen Pfad von 2,8 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts. So eine Erwärmung von fast drei Grad hätte aber katastrophale Folgen für die Menschheit", sagt Olefs. Wenn man die derzeit in Planung befindlichen Maßnahmen auch noch mitberücksichtigt, ergibt sich immer noch eine Erwärmung um 2,5 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter. "Wir sind also weit entfernt vom Pariser Klimaabkommen, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken." Um das Abkommen noch einhalten zu können, müsste der Umbau für die Dekarbonisierung deutlich schneller vonstattengehen.

Die aktuell überdurchschnittlich hohen Temperaturen bieten für Olefs auch eine Chance in Sachen Klimakommunikation – und dabei hätten auch die Medien eine Verantwortung, sagt Klimaforscher Olefs: "Man sollte in der jetzigen Situation nicht bloß von schönem Wanderwetter und angenehm herrlichen Temperaturen sprechen, sondern betonen, dass das aktuelle Wetter das Symptom einer langfristigen katastrophalen Entwicklung ist." (Tanja Traxler, 29.10.2022)