Die Leitzinserhöhungen der EZB spüren nicht alle gleich intensiv. Während Sparer noch warten müssen, bis sich die Zinsen für Einlagen wieder lohnen, werden Kreditnehmer bereits zur Kasse gebeten.

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Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag die Zinsen zum dritten Mal angehoben. Der Leitzins – das ist der Zins, zu dem sich die Banken bei der EZB Geld borgen – beträgt nun zwei Prozent. Damit werden variabel verzinste Kredite teurer, Sparer erkennen hingegen langsam wieder einen Zinssatz. Wo gibt es jetzt noch Spielraum, und wie hoch werden die Zinsen noch steigen?

Frage: Dreimal hat die EZB die Zinsen heuer schon erhöht. War es das?

Antwort: Nein. Die EZB hat angekündigt, im Dezember die Zinsen erneut anzuheben. Auch kommendes Jahr sollen die Zinsen steigen.

Frage: Warum steigen die Zinsen jetzt so rasch an?

Antwort: Weil die Inflation stetig nach oben steigt. In der Eurozone erreichte die Teuerung im September einen Rekordwert von 9,9 Prozent – das höchste Niveau seit Einführung des Euro.

Frage: Wie können höhere Zinsen die Inflation beeinflussen?

Antwort: Durch höhere Zinsen steigen die Kosten für Geld – etwa für Kredite. Der Schuldendienst wird teurer. Das soll – vereinfacht gesagt – die Nachfrage senken. Die Abkühlung der Wirtschaft soll zur Folge haben, dass die Preise zurückkommen, sprich die Inflation sinkt.

Frage: Aber für Kreditnehmer wird es jetzt noch enger ...

Antwort: Ja. Wer aktuell einen Kredit aufnehmen möchte, muss bereits höhere Zinsen bezahlen. Ein variabel verzinster Kredit kostet derzeit zwei Prozent Zinsen. Zum Vergleich: Im Dezember 2021 waren es noch 0,25 Prozent. Inhaber von variabel verzinsten Krediten spüren die Zinsanstiege jetzt schon deutlich: Für einen Kredit in der Höhe von 300.000 Euro mit einer Laufzeit von 30 Jahren werden bei einer Verzinsung von zwei Prozent monatlich 1113 Euro fällig. Steigen die Zinsen um einen Prozentpunkt an, verteuert sich die Rate um 242 Euro; bei einem Zinsplus von 1,5 Prozentpunkten sind es bereits 329 Euro pro Monat. Bei fix verzinsten Krediten ändert sich im Moment nichts.

Frage: Kann man diesen Mehrkosten entkommen?

Antwort: Jein. Es kommt immer auf die Laufzeit und die persönliche Situation an. Läuft der Kredit nicht mehr lange und hält ein Haushalt die Mehrbelastung aus, macht es vielleicht Sinn, die Schulden rasch abzubauen. Banken bieten auch bereits Stundungen an, wenn es ganz eng wird. Damit können schwierige Monate überbrückt werden. Konsumentenschützer Christian Prantner von der Arbeiterkammer warnt im Ö1-Morgenjournal aber davor, dieses Instrument zu sehr auszureizen, denn die Zinsen laufen im Hintergrund weiter, und der Kreditsaldo kann sich damit weiter auftürmen. Die Kosten werden also nur verschoben. Bei einem Kredit kann auch die Laufzeit verlängert werden, damit die monatliche Rate sinkt. Aber je länger ein Kredit läuft, desto höher ist letztlich auch der Zinssaldo.

Frage: Lohnt es sich denn, jetzt von einem variabel verzinsten Kredit auf einen fix verzinsten umzusteigen?

Antwort: Das ist eine Möglichkeit, die Kosten zumindest stabil zu halten. Die Bank ist laut Prantner aber nicht verpflichtet dazu, Kunden im laufenden Kreditvertrag einen Fixzins anzubieten. Hinzu kommt, dass Fixzinskredite, die neu vergeben werden, ebenfalls schon teurer geworden sind. Vor einem Umstieg sollten laut Prantner Angebote mehrerer Banken eingeholt werden.

Frage: Sparer haben von den Zinserhöhungen hingegen noch nicht viel gemerkt. Warum?

Antwort: Im Bankenrechner der Arbeiterkammer zeigt sich, dass die Institute die Zinsen wohl auch anpassen. Sie tun das aber nicht so schnell, wie Kosten hochgeschraubt werden. Gelingt die Übung, dass die Inflation sinkt, während die Zinsen steigen, könnten Sparer tatsächlich wieder von ihren Einlagen profitieren. Dafür müssten die Zinsen aber höher sein als die Inflation. Wann das erreicht sein wird, lässt sich nicht abschätzen.

Frage: Es hieß doch auch, die EZB werde die Zinsen nicht stark anheben, weil sich Länder wie Italien ihre Schulden dann nicht leisten können.

Antwort: Es stimmt, dass mit steigenden Zinsen auch der Schuldendienst der Staaten teurer und das für einige Länder zur Belastung wird. Einschnitte etwa im hochverschuldeten Italien könnten folgen. Deswegen hat die EZB ja lange gezögert, bis sie aktiv wurde. Doch das Inflationsrisiko wurde zu groß. Die EZB sieht stabile Preise bei einer Teuerung von zwei Prozent an. Davon ist die Lage nun weit entfernt. (FRAGE & ANTWORT: Bettina Pfluger, 29.10.2022)