Der verdiente Sieger.

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Denis Shapovalov zeigte vor allem im ersten Satz fantastisches Tennis.

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Daniil Medwedew darf nur Daniil Medwedew sein. Denis Shapovalov hingegen ist der Kanadier Denis Shapovalov, auf den Anzeigentafeln in der Wiener Stadthalle war neben seinem Namen die Maple Leaf Flag eingeblendet. Neben dem Schriftzug Medwedew waren nur weiße Flecken. Der 26-Jährige weiß ohnedies, dass er Russe mit Wohnsitz in Monte Carlo ist. Und nicht nur Tennisinteressierte wissen das. Medwedew hat am Sonntag die Erste Bank Open, ein ATP-500-Turnier gewonnen. Er schlug im hochklassigen Finale, das 2:16 Stunden gedauert hat, den 23-jährigen Shapovalov 4:6, 6:3, 6:2. Der siebente Matchball passte.

Lohn waren 439.305 Euro, er ist nun wieder Dritter in der Weltrangliste und fix für die ATP-Finals in Turin qualifiziert. Es war sein 15. Titel, nach Los Cabos der zweite in dieser Saison. Die Gala-Vorstellung hat quasi eine Woche gedauert. Medwedew spazierte durch Wien, zeigte in den fünf Partien großartiges Tennis. Erst im Finale wurde es eng, er kassierte im ersten Satz sein erstes Break im Turnierverlauf und ein zweites. Prinzipiell agierte Medwedew aber mit einer Leichtigkeit, die er sich nach überstandener Adduktoren-Verletzung selbst nicht zugetraut hatte. Kaum Eigenfehler, die langen Ballwechsel waren sein Metier. Die Gegner, etwa Dominic Thiem, hechelten hinterher. Nur Shapovalov, ein Linkshänder, leistete phasenweise Widerstand. Der Aufschlag funktionierte beim Sieger. "Das Service ist der wichtigste Schlag im Tennis, den kannst du selbst beeinflussen."

Medwedew misst 1,98 Meter, dennoch bewegte er sich elegant über den Platz, es sah alles rund aus, nach tollen Punkten hat er gelächelt. Er genoss den Schlussapplaus. "Ich bin einfach nur glücklich."

Fehleinschätzung

Medwedew saß übrigens Fake News auf. Ein Freund hatte ihm gesagt, in die ausverkaufte Stadthalle passten 16.000 Zuschauer. Ausverkauft stimmte, aber es sind immer nur 9500 gewesen. Medwedew konnte mit der Fehleinschätzung leben. Er war inhaltlich (verbal) auf der Höhe, seine Pressekonferenzen waren nicht lang-, sondern kurzweilig. Die Frage nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine musste er schon öfters beantworten. "Ich habe es bei den US Open gesagt: die Situation ist traurig. Es ist für viele Leute traurig, was zwischen den beiden Ländern passiert." In Wien ergänzte er: "Es gibt viele gute Leute in Russland, einige sind böse. Es gibt viele gute Leute in der Ukraine, einige sind böse. So ist das Leben, so gehe ich mit der Situation um. Ich habe einige Freunde aus der Ukraine und sie respektieren mich noch immer, weil sie wissen, wer ich bin." Es sei okay, als Einzelsportler unter neutraler Flagge anzutreten. Den Ausschluss russischer Mannschaften könne er nachvollziehen.

Am 15. Oktober wurde Medwedew zum ersten Mal Vater, das Mädchen heißt Alisa, es ist nicht in Wien, sondern daheim bei Muttern. Die Geburt seiner Tochter habe einiges verändert. "Je glücklicher du im Leben bist, desto leichter fällt es dir auf dem Court. Ich bin derzeit glücklich in meinem Leben, daher bin ich es auch auf dem Platz. Ich bin ein Wettkämpfer. Ich liebe Tennis, ich liebe es zu gewinnen. Das hat sich nicht geändert." Alisa sei aber eine Zusatzmotivation: "Weil da ist eine Person mehr, für die man besser werden kann."

Heimsieg

Gleich zwei Personen sorgten im Doppel-Bewerb für eine Überraschung. Die Österreicher Alexander Erler und Lucas Miedler gewannen das Finale gegen Santiago Gonzalez und Andres Molteni – der eine ist Mexikaner, der andere Argentinier – 6:3, 7:6 (1). Sie teilten das Preisgeld von 144.000 Euro brüderlich. Der Tiroler Erler wird sich darum "ein oder zwei Biere kaufen", der Niederösterreicher Miedler überlegt noch.

Die Erste Bank Open sind vorbei. Veranstalter Herwig Straka vermeldete einen Zuschauerrekord, die Schallmauer von 70.000 wurde geknackt. Daniil Medwedew arbeitet nächste Woche in Paris. Wann er wieder Russe sein darf, liegt an Landsmann Wladimir Putin.(Christian Hackl, 30.10.2022)