Drei Wochen sind bereits vergangen, seitdem Russland eine neue Phase des Krieges gegen die Ukraine eingeläutet hat. Mit den Raketen- und Drohnenangriffen gegen die zivile Infrastruktur auch fernab der Front wächst in der Ukraine die Angst vor dem nahenden Winter. Große Teile der Energie- und Wasserversorgung sind lahmgelegt und müssen rasch wieder funktionstüchtig gemacht werden – wenn möglich, auch mit Unterstützung aus dem Ausland.

Vasyl Khymynets, der ukrainische Botschafter in Österreich, setzt dabei vor allem auf Partnerschaften zwischen Städten und Gemeinden beider Länder: "Die Zusammenarbeit auf Gemeindeebene ist für mich sehr wichtig, weil sie effektiv ist und schnell organisiert werden kann", sagte Khymynets im Gespräch mit dem STANDARD. "Und die Menschen in Österreich können dabei sehen, wo die Hilfe konkret ankommt."

Vasyl Khymynets, der ukrainische Botschafter in Österreich, sieht in den russischen Angriffen auf die ukrainische Energieinfrastruktur nichts anderes als Akte des Terrorismus.
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Dass in fast jeder Gemeinde ukrainische Schutzsuchende Zuflucht gefunden haben, wirke sich zudem positiv auf die weitere Hilfsbereitschaft aus. "Die Vertrautheit mit der Ukraine war früher ziemlich niedrig", meint Khymynets. Durch die persönlichen Kontakte mit den Schutzsuchenden habe sich das geändert. Auch viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister würden nun zu erkennen geben, dass sie den Menschen in der Ukraine nicht nur helfen wollen, sondern sie als potenzielle Partner für die Zukunft sehen.

Regionale Partnerschaften

Insgesamt gehe es also sowohl um kurzfristige Unterstützung für all jene, die etwa nach Bombardements von Kraftwerken und Umspannwerken ohne Strom dastehen, als auch um langfristigen Wiederaufbau und um gemeinsame Projekte. Die Ausgangslage für die Gründung weiterer Städte- und Gemeindepartnerschaften sieht Khymynets dabei positiv. Bereits jetzt gebe es regionale Partnerschaften, etwa zwischen Niederösterreich und der Region Kiew, zwischen Kärnten und der Region Czernowitz, zwischen dem Burgenland und Transkarpatien. Auf ihnen und den entsprechenden persönlichen Kontakten aufbauend könne man auch einzelne Gemeinden näher zusammenbringen.

In Transkarpatien etwa gebe es mehr als 300.000 Binnenflüchtlinge. Die Region war früher für den Weinbau bekannt, mit dem man gerade im Burgenland viel Erfahrung hat. Khymynets sieht das als eine der vielen Möglichkeiten, eine nachhaltige Zusammenarbeit zu organisieren – und damit Arbeitsplätze für die Binnenflüchtlinge zu schaffen, damit diese in ihrem Heimatland bleiben können.

Aktuell besteht laut Khymynets vor allem Bedarf an Stromaggregaten, Transformatoren, Wasseraufbereitungssystemen und kommunaler Technik wie Müllfahrzeugen, Schulbussen oder auch Baggern: "Die Bilder aus der heutigen Ukraine erinnern ja oft an jene aus dem Zweiten Weltkrieg, als Menschen mit bloßen Händen Trümmer beseitigt haben."

Ein durch Angriffe beschädigtes Haus im nordukrainischen Tschernihiw. Der Winter in der Ukraine werde "nicht nur kalt, sondern auch dunkel", warnt ÖRK-Generalsekretär Michael Opriesnig.
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Der Transport von Hilfsgütern in die Zielregion sollte in der Regel kein Problem darstellen. Hilfsorganisationen aus beiden Ländern seien untereinander sowie mit der Botschaft gut vernetzt, auch ukrainische Transportunternehmen könnten helfen. "Wenn es irgendwo ein Stromaggregat gibt: Am Transport soll es nicht scheitern", so Khymynets. Angesichts des nahenden Winters und der täglichen russischen Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur, die nichts anderes seien als Akte des Terrorismus, sei diese Hilfe nötiger denn je.

Vor allem Geldspenden benötigt

Privatpersonen, die von Österreich aus den Menschen in der Ukraine helfen wollen, haben verschiedene Möglichkeiten. Eine Option wäre das Österreichische Rote Kreuz (ÖRK), das bereits seit dem Kriegsausbruch 2014 in der Ukraine tätig ist. "Die nächsten 14 Tage, bis es dann richtig kalt wird, versuchen wir, Häuser zu reparieren und winterfest zu machen und Sammelunterkünfte, etwa in Schulen, herzurichten", sagt ÖRK-Generalsekretär Michael Opriesnig dem STANDARD.

Zudem werden neben Hygienesets und Decken auch Stromaggregate verteilt. Heuer, sagt Opriesnig, werde der Winter in der Ukraine "nicht nur kalt, sondern auch dunkel". Um all diese Aktivitäten zu unterstützen, sind laut Opriesnig vor allem Geldspenden sehr hilfreich.

Bei der Caritas wird in Sachen Ukraine ebenfalls finanzielle Unterstützung bevorzugt, um flexibler helfen zu können. Die Menschen werden mit Heizmaterial unterstützt, zudem organisiert auch die Caritas Renovierungen und Reparaturen von Häusern. Lebensmittelpakete, Hygienesets und Einkaufsgutscheine werden weiterhin an die Bevölkerung verteilt.

Der Hilfsbedarf, so die Caritas, steige durch die russischen Luftangriffe enorm, gleichzeitig werde die Durchführung von Hilfsprojekten riskanter. Auch Unterbrechungen bei Strom- und Wasserversorgung sowie Ausfälle von Internet- und Mobilfunkdiensten erschweren die Durchführung der Nothilfe.

Fokus auf vulnerable Gruppen

Die Luftangriffe hat das Personal von Ärzte ohne Grenzen (MSF) bereits zu spüren bekommen, sagt Franz Luef, einer der Einsatzleiter der Hilfsorganisation in der Ukraine. Der Österreicher ist mit seinem Team in der zentralukrainischen Stadt Kropywnyzkyj stationiert. "Einige Mitarbeiter haben die Einschläge gespürt, danach gab es Stromausfälle, auch die Heizung ging nicht." Vor allem die Einheimischen in seiner Mannschaft seien "sehr besorgt, weil sie wissen, wie kalt der Winter hier werden kann".

MSF ist in der Ukraine mit mehr als 500 lokalen und mehr als 100 internationalen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen tätig. Dabei konzentriert man sich vor allem auf die rund sechs Millionen Binnenflüchtlinge und andere vulnerable Gruppen. Die Renovierung von Häusern, die Bereitstellung von Kleidung, Nahrung, Holz, Wasserkochern oder Heizsystemen: Der Hilfsbedarf sei enorm, sagt Luef, da helfe jede Geldspende.

Das offizielle Österreich hat bislang rund 80 Millionen Euro für humanitäre Hilfe bereitgestellt. Das Geld kommt der Ukraine und ihren Nachbarländern sowie Ländern zugute, die von den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs betroffen sind. (Kim Son Hoang, Gerald Schubert, 31.10.2022)