Paul und Nancy Pelosi.

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Das Anwesen der Pelosis in San Francisco.

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Die gute Nachricht zuerst. Paul Pelosi, dem 82-jährigen Ehemann der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi, geht es wieder besser. Er musste in der Nacht zum Samstag eine Operation wegen eines Schädelbruchs über sich ergehen lassen, nachdem ein Einbrecher sich Zutritt zum Anwesen der Familien in San Francisco verschafft und ihm mit einem Hammer auf den Kopf geschlagen hatte. Auch zwei Tage nach der Tat waren noch nicht alle Umstände zum Verbrechen klar. Einiges aber ist mittlerweile bekannt:

Was wir wissen

  • Die Grundzüge des Geschehens sind mittlerweile klar. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag verschaffte sich ein 42-Jähriger Zutritt zum Anwesen der Spitzenpolitikerin. Sie selbst war nicht anwesend, der Schutz des Gebäudes daher gering. Im Gebäude war allerdings Pelosis Mann Paul, den der Täter mehrfach mit der Frage "Wo ist Nancy?" konfrontierte. Offenbar soll er auch versucht haben, Paul Pelosi zu fesseln, "bis Nancy wieder da ist". Dem 82-Jährigen soll es aber gelungen sein, unbemerkt den Notruf zu wählen und danach ein von den Behörden mitgehörtes Gespräch mit dem Täter anzuzetteln, in dem er seine Notlage klarmachte, ohne dass der Angreifer den Anruf bemerkte. Als Polizisten zur Nachschau eintrafen, wurde Paul Pelosi nach einem Handgemenge mit dem Täter verletzt.

  • Über den Angreifer ist offiziell noch wenig bekanntgegeben worden, allerdings haben US-Medien bereits zahlreiche Internetaktivitäten des Mannes registriert. Vor allem in den vergangenen zwei Jahren ist er demnach tief in den Sumpf der US-Verschwörungsszene eingesunken. In Einträgen wetterte der in Kanada geborene gegen die Twitter-Sperre des kanadischen Antifeministen Jordan Peterson, gegen transidente Menschen und den Feminismus – und in zahlreichen antisemitischen Einträgen gegen Juden. Auch die Legitimität der Wahl Joe Bidens zum US-Präsidenten stellte er infrage, zudem kritisierte er die Corona-Politik der US-Regierung. Allerdings lässt einiges auch auf psychische Probleme im medizinischen Sinne schließen. Nach Angaben der "Washington Post" behauptete der Mann unter anderem, er stehe mit Feen in Kontakt, die sich ihm in Form von Vögeln zeigten.

Was wir noch nicht wissen

  • Angesichts dieser Gemengelage ist noch unklar, ob der Täter in einer – im klassischen Sinne – politischen Absicht gehandelt hat. Zwar scheint offensichtlich, dass er von jenem Diskurs, den viele weit rechts stehende Agitatoren in den USA führen, beeinflusst war. Ob das aber ausschlaggebend für seine Tat war oder eher psychische Faktoren zu tragen kommen – dazu fehlen noch die Erkenntnisse. Ebenso sind Fragen zu seiner Zurechnungsfähigkeit noch nicht endgültig geklärt.

  • Nicht ganz sicher ist nach wie vor auch, wie sich der Täter Zutritt zum Anwesen der nach Präsident Joe Biden und Stellvertreterin Kamala Harris ranghöchsten Frau im Staat verschaffen konnte. Bekannt ist allerdings schon bisher, dass Familienangehörige von wichtigen US-Politikerinnen und -Politikern nicht den gleichen Schutz genießen wie die Amtsträger selbst. Das hatte in den vergangenen Wochen schon mehrfach Anlass zur Sorge gegeben. Politiker beider Seiten warnten immer wieder vor der Gefahr durch die angespannte politische und gesellschaftliche Lage im Land.

  • Über die politischen Folgen des Angriffs zu diskutieren mag taktlos scheinen – dass sich die Frage stellt, ist knapp eine Woche vor den wichtigen Midterm-Wahlen in den USA aber offensichtlich. Einschätzen lassen sie sich aber noch nicht – historische Beispiele lassen kaum Ableitungen zu. Auffällig war, dass viele Republikaner gleich nach der Tat versuchten, diese in den Kontext der steigenden Kriminalität zu stellen, anstatt sie als Tat mit politischem Hintergrund einzuordnen. (Manuel Escher, 30.10.2022)