Heinz-Christian Strache kann einfach nicht loslassen. Seit der ehemalige Chef der Freiheitlichen und Ex-Vizekanzler über das Ibiza-Video und damit aus der großen Politik gestolpert ist, versucht er fast schon zwanghaft, im Gespräch zu bleiben. Allerdings ohne dabei wirklich erfolgreich zu sein. Sein Team HC Strache stellte sich als politischer Rohrkrepierer heraus. Auch in den sozialen Netzwerken hat die einstige Facebook-Größe längst an Strahlkraft verloren. Und ausgerechnet Strache will jetzt in der Diskussion um den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine den Vermittler spielen.

Laut Informationen des STANDARD bastelt der ehemalige freiheitliche Frontmann nämlich an einer "Ukraine-Konferenz", die am 12. Dezember in den Sophiensälen in Wien stattfinden soll. Mit "Brötchen, Getränken und gemütlichem Ausklang" soll unter anderem die Frage geklärt werden, ob es sich überhaupt um einen Angriffskrieg Russlands handle.

Ein Blick auf die Teilnehmerliste legt nahe, dass es eine Veranstaltung mit hart rechter und russophiler Schlagseite werden dürfte. Unter den Diskussionsteilnehmern, die angefragt wurden oder zugesagt haben, sind etwa FPÖ-Urgestein Andreas Mölzer, Ex-ÖVP- und Grünen-Politiker Efgani Dönmez oder Frank Creyelmann, ein belgischer Politiker der rechtsextremen Partei Vlaams Belang. Geladen sind mit Alexander Gauland und Christina Baum auch zwei Abgeordnete der rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD). Weiters angefragt wurden außerdem Ex-FPÖ-Politikerin Barbara Rosenkranz und Oberst Markus Reisner vom Bundesheer. Letzterer habe aber "längst" abgesagt, wie ein Sprecher des Bundesheeres Montagabend auf Twitter betonte. Moderieren will die Veranstaltung Strache höchstselbst.

Zumindest gegenüber Medien verhält sich Heinz-Christian Strache bezüglich seiner geplanten Konferenz noch schweigsam.
Foto: Reuters/ Leonhard Foeger

"Ich werde in meiner Funktion als Konfliktmanager und Mediator daran teilnehmen", sagt Dönmez im STANDARD-Gespräch. Auch Mölzer bestätigt sein Kommen. Dieses solle man aber nicht als Solidarisierung mit Strache verstehen, sagt der ehemalige Europapolitiker. Sondern eher als Bereitschaft, überall debattieren zu wollen. Honorare dürften für die Auftritte nicht vorgesehen sein.

Die russische Botschaft dürfte Straches Anfrage hingegen ignorieren. Zumindest sei "keine Reaktion" dahingehend erfolgt, wie auf Nachfrage mitgeteilt wurde. Ob die ukrainische Botschaft ihrer Einladung folgen wird, blieb unklar. Ebenso der Auftritt der AfD. Anfragen des STANDARD blieben vorerst unbeantwortet.

"Entweder keinen Verstand oder keine Seele"

Absolut keine Freude mit seiner Einladung hatte jedenfalls der ehemalige ukrainische Botschafter in Wien, Olexander Scherba. Dieser sagte Strache mit einer scharfen Replik umgehend ab. Nicht nur weil er unter den Kriegsumständen physisch nicht könne, sondern weil er auch die Teilnahme an einem solchen Event für "unvorstellbar" halte, heißt es in dessen Schreiben an den ehemaligen blauen Vizekanzler, das dem STANDARD vorliegt. Eingeladen worden sei Scherba von Strache per Whatsapp, präzisiert er im Gespräch.

Scherba führt in seiner Antwort aus, dass Russland die Ukraine am 24. Februar "auf brutalste Weise" angegriffen habe. Seither seien tausende Ukrainerinnen und Ukrainer getötet, ganze Städte und Dörfer zerstört und ein Landraub unternommen worden, "den es in diesem gigantischen Ausmaß in Europa seit Adolf Hitler nicht gab. Das alles auf Befehl der Person, die Sie seit Jahren bewundert haben – Wladimir Putin."

Dass Strache in seiner Einladung überhaupt noch die Frage stelle, ob es sich um einen Angriffskrieg Russlands handle, sorgt bei Scherba für kräftiges Kopfschütteln: "Wenn jemand im neunten Monat dieses barbarischen Krieges nicht versteht, ob das ein Angriffskrieg ist, dann hat dieser jemand entweder keinen Verstand oder keine Seele. Den Verstand haben Sie. Aber Ihre Motive, Ihr moralischer Kompass sind in puncto Russlands seit Jahren fraglich, um es milde auszudrücken."

Der Kniefall, "der weltweit Schande brachte"

Der ehemalige Botschafter stößt sich auch massiv daran, dass eine Veranstaltung "zum größten Verbrechen des Jahrhunderts" mit "Brötchen, Getränken und gemütlichem Ausklang" abgehalten werden soll. "Sie wollen das Thema Ukraine mit Ihren Händen berühren? Mit Verlaub, waschen Sie Ihre Hände zuerst", entgegnet Scherba.

Aus Sicht des Ukrainers solle Strache zunächst einmal um Vergebung bitten. "Für all die Jahre, wo Sie und ihre Parteigenossen nach Moskau, auf die besetzte Krim und nach Donbas reisten! Für all die Umarmungen mit Putin. Für den Freundschaftsvertrag mit seiner Partei. Für Nord Stream 2. Für die 80-prozentige Gasabhängigkeit Österreichs vom Putin'schen verbrecherischen Regime. Und auch für den Kniefall von Frau Kneissl (Karin, Anm.) vor dem russischen Diktator, der über Ihr Land weltweit Schande brachte."

Auch über die "bewussten oder unbewussten" Fehler solle sich Strache Gedanken machen, "die Ihrem 'zuverlässigen Partner' in Moskau, diesem 'lupenreinen Demokraten' nun finanziell ermöglichen, ukrainische Städte aus sicherer Distanz mit Raketen monatelang zu beschießen und 20 Prozent des Territoriums der Ukraine zu okkupieren!"

Scherba glaubt auch nicht, dass es sich bei Straches Event um keine Parteiveranstaltung handle, wie dieser behaupte. "Gauland, Rosenkranz, Strache?… Basierend auf den angekündigten Themen und auf der Teilnehmerliste, diesem Panoptikum der Putin-Versteher, ist sie es doch. Und die Partei heißt 'Russland'." Der Ex-Botschafter will der Veranstaltung nicht einmal den "Anschein der Ausgewogenheit" ermöglichen.

Strache solle es sich "in der gleichgesinnten Gesellschaft" schmecken lassen. "Ukrainerinnen und Ukrainer brauchen Sie bei dieser 'Ukraine-Konferenz' ganz sicher nicht", schließt Scherba. "Aber etwas sagt mir, dass die russische Botschaft Ihre Einladung mit Freude und Enthusiasmus annimmt."

Steckt nur Strache hinter der Konferenz?

Bislang nicht in Erfahrung bringen konnte DER STANDARD, ob es Unterstützer und Finanziers der Konferenz gibt. Diese und andere Fragen ließ Strache auf Anfrage unbeantwortet. Er ließ lediglich wissen, dass er plane, "eine Diskussionsveranstaltung im Dezember 2022 mit interessanten Teilnehmern zum Thema 'Krieg in der Ukraine und Europa – Neutralität und Frieden' zu moderieren". Und: "Sollte die Veranstaltung fixiert werden können, gibt es in Folge Einladungen, auch an die geschätzten Medienvertreter."

Auch Personen, die ihre Teilnahme zugesagt haben, sind nicht konkret im Bilde, wer genau hinter der Veranstaltung steht. "Wenn ich das richtig verstanden habe, dann macht er (Strache, Anm.) das als Privatperson", lässt Dönmez wissen. Mölzer wiederum will von einer Gruppe an Interessierten gehört haben, die über Neutralität, Frieden und über eine "differenzierte Darstellung" des Krieges diskutieren wolle. Näheres habe aber auch er noch nicht erfahren. (Jan Michael Marchart, Sandra Schieder, Petra Stuiber, 31.10.2022)