Ein Blauwal frisst vor der kalifornischen Küste Krill – und dabei auch jede Menge Mikroplastik.

Foto: Matthew Savoca

Es gibt kaum mehr einen Ort auf diesem Planeten, der frei von Mikroplastik ist. So ist die israelische Küste laut einer Studie mit mehr als zwei Tonnen dieser Teilchen verschmutzt, die per Definition kleiner als fünf Millimeter sind. Am stärksten belastet seien die Strände in Tel Aviv und Chadera mit fast 18.000 solchen Partikeln pro Kubikmeter, schreibt ein Team der Universität Tel Aviv um Ines Zucker im Fachblatt "Marine Pollution Bulletin".

Das ist schlimm genug, zumal die Teilchen am Strand immer kleiner werden und dadurch immer schwerer aus der Umwelt entfernt werden können. Richtiggehend katastrophal muten hingegen neue Schätzungen zum Mikroplastikverzehr von Bartenwalen vor der Küste Kaliforniens an.

Wie die kanadische Forscherin Shirel Kahane-Rapport, die 2021 an der Stanford University über Wale promovierte, mit Kollegen im Fachblatt "Nature Communications" schreibt, dürften dort lebende Blauwale rund zehn Millionen Plastikteilchen pro Tag mit der Nahrung aufnehmen, bei Buckelwalen sind es immer noch vier Millionen.

Kombination von Daten

Für diese Schätzungen kombinierten Kahane-Rapport und ihre Kollegen die Daten zu Mikroplastik aus dem Kalifornienstrom, wo sich die Wale aufhalten, mit hochauflösenden Messungen des Futtersuchverhaltens von 191 markierten Blau-, Finn- und Buckelwalen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Bartenwale – zu denen auch noch die Finnwale gehören – von allen Organismen am meisten Plastik verzehren.

Warum gerade diese Giganten des Meeres so viel Plastik fressen, liegt an mehreren Faktoren: an ihrem immensen Nahrungsbedarf, ihrer Fresstechnik mittels Filtrierung von Meerwasser und ihrem Lebensraum. Der kühle Kalifornienstrom gilt als besonders (plastik)verschmutzt. Zudem fand das Forscherteam heraus, dass Bartenwale hauptsächlich in Tiefen von 50 bis 250 Metern fressen, wo das meiste Mikroplastik zu finden ist.

Unterschätzter Stressfaktor

Das meiste Mikroplastik nehmen die Tiere dabei aber nicht aus dem Wasser durch das Filtern auf, schreiben die Forscherinnen und Forscher, sondern über die Nahrung: Der Krill und die kleinen Fische, die diese Wale fressen, sind selbst schon stark mit Kunststoffteilchen belastet. Das Wissenschafterteam geht zudem davon aus, dass Mikroplastik einen zusätzlichen Stressfaktor für Tiere darstellt, der wegen seiner kumulativen physiologischen und toxikologischen Auswirkungen größer sein dürfte als bisher angenommen. (Klaus Taschwer, 2.11.2022)