Mitglieder der Eufor-Mission bei einer Übung in der Nähe von Sarajevo.

Foto: AFP / Elvis Barukcic

Als die US-Botschafterin bei der Nato, Julianne Smith, vor einigen Wochen die bosnische Hauptstadt Sarajevo besuchte, ging es vor allem darum, ein Signal Richtung Moskau zu senden: Was auch immer der Kreml entscheiden sollte, die USA stehen auch militärisch hinter Bosnien-Herzegowina, so die Botschaft.

Denn diese Woche, am 3. November, läuft das Mandat für die von der EU geführte Militärmission Eufor Althea, die jährlich vom UN-Sicherheitsrat verlängert werden muss, aus. Russland drohte in der Vergangenheit damit, die Mission dieses Jahr nicht zu verlängern. Bereits im Vorjahr wurde auf Betreiben des Kremls der Text des Mandats geändert und der Bezug zum Hohen Repräsentanten gestrichen. Deshalb laufen seit Monaten Vorbereitungen im Nato-Hauptquartier in Brüssel, eine Alternative zur Eufor-Mission zu schaffen.

Annex 1 des Daytoner Abkommens

Im Nato-Hauptquartier hat man die Analysen von Rechtsexperten übernommen, die zum Schluss kommen, dass eine etwaige Nato-Mission durch den Annex 1 des Friedensabkommens von Dayton mandatiert wäre und man deshalb gar keine Zustimmung im UN-Sicherheitsrat braucht. Österreich, das zur Zeit das größte Truppenkontingent für die Eufor und seit vielen Jahren auch den Kommandanten stellt, würde sich zunächst bei einer etwaigen Nato-Mission nicht beteiligen, sondern sich zurückziehen. Erst danach würde abgewogen werden, ob man doch teilnimmt.

Ungarn hat Interesse angemeldet, den künftigen Kommandanten zu stellen, allerdings wird der wachsende Einfluss Ungarns in Südosteuropa von liberalen Kräften in der EU mit Besorgnis gesehen. Auch die Slowakei hätte Diplomaten zufolge keine Freude damit, wenn der künftige Kommandant aus Ungarn kommen sollte. Deutschland, das seit Kurzem wieder zwei Dutzend Soldaten für die Eufor nach Bosnien-Herzegowina entsendet, will sich vor allem auf die Ostflanke der Nato konzentrieren.

Positive Signale

In den vergangenen Tagen deuten die Signale eher darauf hin, dass der Kreml diese Woche im UN-Sicherheitsrat die Eufor-Mission verlängern wird – zumal eine Nato-Mission in Bosnien-Herzegowina noch stärker den russischen Interesssen entgegenläuft. Aber sicher ist angesichts des Kriegs gegen die Ukraine gar nichts. Russland hat in den vergangenen Jahren vor allem den Einfluss auf den bosnischen Landesteil Republika Srpska verstärkt. Der sezessionistische Nationalist Milorad Dodik ist Putins bester Mann auf dem Balkan und wird vom Kreml mitgesteuert.

In der EU erwägt man im Falle eines Vetos von Russland, die Eufor-Mission – ohne UN-Mandat – auf Grundlage einer Einladung durch das dreiköpfige bosnische Staatspräsidium zu verlängern. Allerdings birgt diese "Lösung" einige Fallstricke. Denn im dreiköpfigen Staatspräsidium sitzt zur Zeit auch Milorad Dodik, der bald von Željka Cvijanović abgelöst wird, die allerdings Dodiks Politik auf Geheiß des Kremls fortsetzen wird. Die Eufor-Mission politisch von diesen beiden Pro-Kreml-Politikern abhängig zu machen, wäre riskant. Zumal Militärexperten annehmen, dass Dodik – und damit auch der Kreml – Bedingungen stellen könnte.

Gefährliche Konditionen

So könnte etwa verlangt werden, dass die Eufor-Mission ohne Berlin-Plus-Abkommen verlängert werden soll. Die Nato besitzt laut diesem Abkommen das Recht auf den ersten Zugriff. Dies bedeutet, dass im Ernstfall die Nato zuerst intervenieren darf, sofern ein entsprechender politischer Beschluss vorliegt. Möglich wäre auch, dass Dodik – und damit Putin – andere Bedingungen stellt, dass etwa die Eufor nicht mehr in der Republika Srpska operativ tätig sein darf, sondern nur mehr im Landesteil Föderation oder nur zu Schulungszwecken mit dem bosnischen Heer zusammenarbeiten darf. All das wäre für die EU und erst Recht für die Nato inakzeptabel.

Der Umstand, dass man sich überhaupt darauf eingelassen hat, eine Eufor-Verlängerung auf Basis einer Einladung des bosnischen Staatspräsidiums zu erwägen, bringt Dodik – und damit Putin – in eine gute Verhandlungsposition. Wenn die EU etwa nicht auf die Bedingungen Dodiks zur Eufor-Verlängerung eingeht, könnte dieser argumentieren, dass die EU nicht zusammenarbeiten will, und hätte damit gute Argumente gegen eine etwaige Nato-Mission in der Hand. Eine Einschränkung des exekutiven Mandats der Eufor könnte jedenfalls negative Folgen haben, weil die Sicherheit der Bürger von Bosnien-Herzegowina weniger effizient geschützt werden könnte.

Kroatien will Berater schicken

US-Außenminister Antony Blinken hat dem Kreml bereits vor Monaten klargemacht, dass es zu einer Stationierung einer Nato-Mission in Bosnien-Herzegowina kommen wird, falls Russland der Eufor nicht mehr zustimmt. Bisher entsenden neben Österreich etwa auch die Türkei, Ungarn und Rumänien Truppen nach Bosnien-Herzegowina. Einige EU-Staaten haben die Sorge, dass die Türkei sich stärker engagieren könnte, falls Österreich sich zurückzieht.

Vor allem Kroatien zeigt großes Interesse und will auch durch die Entsendung von Beratern ins Nato-Quartier in Sarajevo Einfluss auf das bosnische Verteidigungsministerium nehmen, was von anderen EU-Staaten als brisant gesehen wird. Denn Kroatien war im Krieg in Bosnien-Herzegowina Kriegspartei und wird auch wegen der massiven Einflussnahme in innerbosnische Angelegenheiten nicht als neutraler Akteur angesehen. Offen ist allerdings, ob Kroatien im Falle einer Nato-Mission doch auch Truppen entsenden könnte.

Kosovo-Armee bis 2029

Wenn Kroatien tatsächlich entsenden sollte, wäre es auch möglich, dass Serbien, das an der Nato-Partnerschaft für den Frieden mitwirkt, argumentieren könnte, dass es selbst Truppen nach Bosnien-Herzegowina schickt, was angesichts der Kriegsvergangenheit allerdings im Lande als Bedrohung aufgefasst werden würde. Serbien und Bosnien-Herzegowina sowie der Kosovo sind die einzigen Nicht-Nato-Staaten in Südosteuropa. Der Kosovo, der bis 2029 eine funktionierende staatliche Armee aufbauen will, würde sofort dem Bündnis beitreten – doch einige Nato-Staaten wie Spanien haben den Kosovo nicht anerkannt. Russland versucht, vor allem auf rechtsgerichtete Nationalisten auf dem Balkan Einfluss zu nehmen.

Im Jahr 2017 publizierten das Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) und seine Partner Geheimdienstdokumente, aus denen hervorgeht, dass russische Spione und Diplomaten jahrelang daran beteiligt waren, Propaganda zu verbreiten und Zwietracht – vor allem in Nordmazedonien – zu provozieren. Dem Kreml geht es darum, zu verhindern, dass die Balkanländer der Nato und der EU beitreten.

Propaganda-Tätigkeiten Russlands

Laut einem Briefing der mazedonischen Spionageabwehr aus dem Jahr 2017 war das Land "starker subversiver Propaganda- und Geheimdienstaktivitäten ausgesetzt, die durch die Botschaft der Russischen Föderation durchgeführt wurden". Im April 2017 traf sich der russische Botschafter Oleg Shcherbak mit einem Beamten des mazedonischen Außenministeriums und sagte diesem laut den Geheimdienstdokumenten, Russlands Ziel sei es, "einen Streifen militärisch neutraler Länder" auf dem Balkan zu schaffen. (Adelheid Wölfl, 1.11.2022)