Kein Zweifel, die Stimmung der Verbraucher ist im Keller. Und das so ziemlich europaweit. Selbst wenn sich im Economic Sentiment Indicator (ESI), einem wichtigen Konjunkturbarometer, zuletzt ein leichter Aufwärtstrend zeigte: Die Konsumenten und Konsumentinnen halten derzeit ihr Geld zusammen. Für den Handel ist all das Gift. Das gilt weltweit, und es gilt auch in Deutschland.

Auch wenn die deutschen Einzelhändler im September ihren Umsatz überraschend leicht steigern konnten – inflationsbereinigt (real) gab es sogar ein Plus von 0,9 Prozent –, dämpft die hohe Inflation alles in allem die Kauflaune – und damit auch die Stimmung der Händler. Sie hatten im September zwar 9,9 Prozent mehr in der Kasse als im September 2021. Rechnet man die Preissteigerungen heraus, gab es gegenüber dem Vorjahresmonat ein reales Minus von 0,9 Prozent. Da hilft auch nicht, dass die hohen Inflationsraten möglicherweise sogar beim Konsum helfen könnten. Der eine oder andere dürfte sich auch Folgendes überlegen: Lieber jetzt kaufen, bevor es noch teurer wird.

Schon bei der letzten staatlichen Finanzspritze waren viele skeptisch, ob Hilfen dem Konzern wirklich aus der Patsche helfen.

In den meisten Ländern ist das derzeit der Fall. Im gesamten Euroraum erklomm die Teuerung im Oktober 10,7 Prozent. In Deutschland errechnete die EU-Statistikbehörde sogar eine Inflationsrate von 11,6 Prozent – noch höher als in Österreich mit voraussichtlich elf Prozent.

All das ist ein Problem, das den gesamten Einzelhandel betrifft. Allerorts warnen Branchenvertreter vor massiven Umsatzeinbußen. "Verbraucherinnen und Verbraucher halten sich in der aktuellen Energiekrise beim Konsum zurück", sagte der Hauptgeschäftsführer des deutschen Handelsverbandes HDE, Stefan Genth, jüngst der "Bild am Sonntag". Der Einzelhandel bekomme dies deutlich zu spüren.

Eine der deutschen Branchengrößen trifft es ganz besonders: die Galeria Karstadt Kaufhof, Deutschlands letzte große Warenhauskette, die zur Signa-Holding des heimischen Immobilieninvestors René Benko gehört. Die traditionsreiche Kette, die schon zuvor in einer schwierigen finanziellen Lage war, will sich in einem Schutzschirm-Insolvenzverfahren sanieren. Der Konzern reichte laut "Wirtschaftswoche" einen entsprechenden Antrag beim Amtsgericht Essen ein. Ein Unternehmenssprecher bestätigte dies. Bei diesem Verfahren übernimmt ein gerichtlich bestellter Sachverwalter die Aufsicht über die Rettungsmission, die Unternehmensführung behält aber weiterhin die Kontrolle und wird extern beraten.

Jobverlust und Filialschrumpfung

Wohin die Reise gehen könnte, beschreibt Galeria-Chef Miguel Müllenbach gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": Das Filialnetz müsse im Zuge des Schutzschirmverfahrens "um mindestens ein Drittel reduziert werden". Betriebsbedingte Kündigungen seien unvermeidbar. Der Konzern betreibt mit 17.000 Mitarbeitern noch 131 Warenhäuser in 97 deutschen Städten. Dass es Probleme gibt, war schon länger klar. 2020 wurden viele Filialen zugedreht – mehrere Tausend Beschäftigte verloren ihre Jobs. Das erste Insolvenzverfahren hatte der Konzern Ende September 2020 verlassen. Dann kam die Pandemie – der deutsche Staat machte Millionenhilfen locker. Während der Corona-Krise hat Galeria Hilfen in Höhe von 460 Millionen Euro aus dem deutschen Corona-Rettungsschirm WSF erhalten.

Dramatische Lage

Seit Tagen kursiert das Gerücht von einem Antrag auf neue Staatshilfen. Anfang Oktober wurde wohl vielen erst klar, wie misslich die Lage ist: Der Warenhausriese hatte da den mit der Gewerkschaft Verdi geschlossenen Sanierungstarifvertrag aufgekündigt. Galeria-Chef Müllenbach zeichnete damals in einem Schreiben an die Mitarbeiter ein dramatisches Bild. "Wir werden unseren Weg nur erfolgreich fortsetzen können, wenn es uns gelingt, die Finanzierung von Galeria neu zu strukturieren und dem Unternehmen neues, frisches Kapital zuzuführen", zitierte das "Handelsblatt" den Manager. Allein für Energie müsse das Unternehmen in den kommenden zwei Jahren über 150 Millionen Euro mehr in die Hand nehmen, Sparprogramme verstehen sich fast von selbst: In den Warenhäusern soll die Heizperiode so weit wie möglich hinausgezögert werden und insgesamt die Temperatur in den Filialen sinken.

Die Gewerkschaft Verdi will den Tiroler Immobilien-Investor René Benko in die Pflicht nehmen.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Mit der Kündigung des Tarifvertrags hat der Konzern eingestanden, dass er in extremen wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt, so das "Handelsblatt". Insider sahen demnach die wirtschaftliche Situation schon länger kritisch. Verdi-Mann Orhan Akman, Aufsichtsratsmitglied von Galeria, monierte, Galeria sei wirtschaftlich "nicht auf dem notwendigen richtigen Kurs". Der Insolvenzverwalter kündigte im deutschen Fernsehen tiefe Einschnitt an. Nur ein harter Kern werde von den aktuell 131 Kaufhäusern übrig bleiben, sagte er.

Verdi will um jeden Arbeitsplatz kämpfen – und Galeria-Eigentümer René Benko in die Pflicht nehmen, so Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger gegenüber der dpa: "Unsere Kolleginnen und Kollegen in den 131 Warenhäusern fragen sich, wo der Eigentümer ist in dieser existenziell höchst bedrohlichen Situation für 17.400 Menschen und ihre Familien." Es müsse jetzt zusätzliches Geld ins Unternehmen fließen. "Da gibt es klare Erwartungen an den Eigentümer." (Regina Bruckner, 1.11.2022)