Dass es nicht lange dauert, bis es Lügen hagelt – das war zu erwarten. Bereits Stunden nach dem Angriff auf den Mann von US-Top-Demokratin Nancy Pelosi am Freitag begann im Netz die Kampagne der radikal Rechten: Sie spannen Fantasiegeschichten über das angebliche Motiv, machten das Opfer zum Täter, unterstellten der Polizei, die Unwahrheit zu sagen, und den Demokraten, die Attacke fingiert zu haben. Nichts davon ist, leider, überraschend. Die Radikalen kontrollieren besonders in den USA Teile des Informationsraums. Überraschender ist da schon, dass jener Mann, der ihnen künftig mehr davon geben will, Neo-Twitter-Chef Elon Musk, einen der Lügenartikel auch noch selbst verbreitete.

Wenige Stunden nach dem Angriff auf den Mann von US-Top-Demokratin Nancy Pelosi am Freitag begann im Netz die Kampagne der radikal Rechten.
Foto: AP/ Eric Risberg

Doch so trüb das alles stimmen mag: Viel schwerer wiegt die Reaktion der etablierteren Republikaner in den Kampagnen für die Midterm-Wahl. Für sie ist der Fall an sich problematisch: Auch wenn der mutmaßliche Täter psychische Probleme haben dürfte, so legen seine Veröffentlichungen im Netz doch klar nahe, dass er von ihrer Politik radikalisiert wurde. Pelosi, oft prominentestes Ziel republikanischer Attacken, hat er gewiss nicht zufällig als Ziel seiner Tat ausgewählt. Doch von Introspektion keine Spur. Der versuchte Angriff auf eine Top-Demokratin ist in ihren Kampagnen schlicht Folge steigender Kriminalität – und damit, in ihrer Sicht, die Schuld der Demokraten selbst. Für den Wahlkampf werden Opfer zu Tätern. Für die Zeit nach der Wahl verspricht das wenig Gutes. (Manuel Escher, 1.11.2022)