André Heller bei einem Interview in seiner Wiener Wohnung im April 2016: hinten an der Wand die später von Wienerroither & Kohlbacher in Maastricht und New York angebotene Arbeit auf Papier von Basquiat samt dem umstrittenen Rahmen.

Clemens Fabry / Die Presse / picturedesk.com

"André Hellers Millionenmärchen" titelt die Covergeschichte des aktuellen Falter. Sie rekonstruiert einen Kunstskandal, bei dem es um namhafte Beträge ging und rückblickend einiges an Glaubwürdigkeit verspielt wurde. Die Akteure: der "Ausnahmekünstler" Heller, zwei Wiener Kunsthändler und der Kunsthistoriker Dieter Buchhart, der in den vergangenen Jahren international zahlreiche Ausstellungen über Jean-Michel Basquiat verantwortete.

Als Gastkurator ist er auch in die aktuelle Basquiat-Retrospektive in der Wiener Albertina involviert. Zu sehen ist dort eine den Chronisten des Kunstmarkts hierzulande bekannte Arbeit auf Papier: ein mit Acryl und Ölstift gezeichneter stilisierter Kopf, vielleicht ein Selbstporträt Basquiats, aus der wichtigsten Phase des 1988 mit nur 27 Jahren verstorbenen Künstlers.

Der einzigartige Rahmen

Sie gehörte einst Heller und schmückte in einem auffälligen Rahmen noch 2016 seine Wohnung. Dann entschloss er sich zum Verkauf: sowohl der Zeichnung als auch des Rahmens, dessen Entstehungsgeschichte er in einem Interview mit Buchhart schilderte.

Die Kunsthändler (Alois) Wienerroither & (Eberhard) Kohlbacher hatten ihn 2016 in einem Katalog publiziert. Detailreich erzählt Heller über die Bekanntschaft und die Zusammenarbeit mit dem "sehr schönen, sehr wilden Geisterkind" beim "Luna Luna"-Projekt, einem von der Illustrierten Neue Revue finanzierten und 1987 in Hamburg realisierten Vergnügungspark mit zeitgenössischer Kunst. Basquiat hatte dafür einige Entwürfe geliefert.

Zwei Basquiat in einem: eine Zeichnung und ein Künstlerrahmen, veranschlagt mit sieben Millionen Euro. Foto: Katalog Wienerroither & Kohlbacher

Hellers damaliger Schilderung zufolge habe Basquiat eine "besonders detailreiche, wunderbare Zeichnung zerschnitten, in den Rahmen geklebt und mit roter Farbe verbunden". Fertig war das "vollkommen eigenständige Kunstwerk", das er angeblich gemeinsam in Basquiats New Yorker Atelier "am Boden gebastelt" hatte. "Ich weiß noch", so Heller, "dass ich gesagt habe, den Zeichnungsteil mit der Unterschrift müssen wir rechts unten hinkleben, damit der einzigartige Rahmen signiert ist". Basquiat habe dann gemeint, "dass es etwas von einem Voodoo-Altar an sich hat".

Mit Freunden gebastelt

Ein fantasievolles, aber erlogenes Histörchen, wie Falter-Recherchen nahelegen: Nicht Basquiat, sondern er, Heller, habe den Rahmen "in Wien zusammen mit ein paar Freunden gebastelt", wie er dort bekennt. "Retrospektiv betrachtet", sei "das Ganze ein kindischer Streich" gewesen, erklärt Heller nun, um Dieter Buchhart, der den Eindruck erweckte, "als wäre er der beste Basquiat-Kenner auf dem Planeten", zu testen.

Man muss kein Fachmann sein, um zwischen einem von Basquiat noch zu Lebzeiten kreierten und einem nach seinem Tod unter Verwendung originaler Zeichnungen des Künstlers gestalteten Rahmen zu differenzieren. Das eine Objekt würde dem Schaffen des Künstlers selbst zugeordnet, das andere trotz des dokumentarischen Werts nicht. Der Unterschied schlägt sich auch im Verkaufspreis nieder.

Sieben Millionen Euro waren der für die Zeichnung und den vermeintlichen Basquiat-Rahmen veranschlagte Preis. Medien (auch der STANDARD) berichteten es im Umfeld der weltgrößten Kunst- und Antiquitätenmesse Tefaf in Maastricht 2017 sowie deren New Yorker Ableger.

Überrascht bis fassungslos

Einige Monate später? Da wechselten zuerst die Zeichnung und dann auch der Rahmen über Vermittlung des Wiener Künstlermanagers Amir Shariat in den Besitz eines Kunstsammlers. Dem Falter-Bericht zufolge soll der Rahmen 800.000 Euro gekostet haben.

Provisionen aus den beiden Verkäufen dürfte nicht nur Shariat bezogen haben, sondern auch Wienerroither & Kohlbacher, die den Rahmen als Untitled (Frame) mit mutmaßlich falscher Datierung von 1987 angeboten hatten. Auf Hellers Bastelbekenntnis reagieren die Beteiligten überrascht bis fassungslos.

Die auf die Konstruktion aufgeklebten miniaturartigen Zeichnungen seien ja zweifelsfrei echt, sind unterdessen Wienerroither & Kohlbacher, die als Kunsthändler für Zuschreibungen haften, um Beruhigung bemüht.

Zweifel an Echtheit

Dieter Buchhart, der im Interview mit Heller als Stichwortgeber fungierte, sieht das Ganze weniger gelassen. Denn Oral History sei eine seriöse Disziplin, eben um über Zeitzeugen auch Kunstgeschichte für die Nachwelt zu erhalten.

Als im Umfeld einer Ausstellung in London 2017 Zweifel an der Authentizität des Rahmens aufgekommen waren, habe er bei Heller eigens nochmals nachgefragt, erzählt er. Konkret ob es etwa fotografische Dokumente zu der vermeintlichen Zusammenarbeit gebe. Ergebnislos. Heller revidierte sein "G’schichtl" damals jedenfalls nicht.

Dem Falter zufolge habe er, wohl durch dessen Recherchen alarmiert, den Rahmen nun zurückgekauft. Warum Heller, der die wahre Geschichte jetzt öffentlich gemacht hat, mutmaßlich aus seinem Märchen Profit zu schlagen versuchte, ist nur eine der offenen Fragen. Für den STANDARD bleiben sie vorerst unbeantwortet.

Aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Falter seien ihm vorerst die Hände gebunden, wie es heißt. Eine Stellungnahme zu der Causa war derzeit deshalb nicht möglich. Im "Falter" erklärte Heller, dass er für den Rahmen "nie ein Echtheitszertifikat ausgestellt" habe und dies auch nie vorgehabt hätte. In den Kaufvertrag habe er vielmehr hineingeschrieben, dass ein solches "nicht vorhanden" sei. Heller: "Ich bin ein vom Glück gesegneter Mensch und bringe mich doch nicht durch einen Fälschungsvorwurf in Gefahr." (Olga Kronsteiner, 2.11.2022)