Das Medieninteresse beim Gerichtsprozess ist erwartungsgemäß groß.

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Washington – Nach dem Angriff auf den Ehemann der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi ist der mutmaßliche Täter am Dienstag (Ortszeit) erstmals vor Gericht erschienen. Sein Anwalt plädierte während der kurzen Anhörung in San Francisco auf nicht schuldig. Das Gericht entschied, den Mann zunächst zu inhaftieren – ohne die Möglichkeit, auf Kaution freizukommen. Der 42-Jährige sagte der Polizei, er sei auf einer "Selbstmordmission" gewesen und habe geplant, weitere Politiker anzugreifen.

Mehrere Anklagepunkte

Er habe weitere prominente Bundes- und Landespolitiker und andere Personen, die er ins Visier nehmen wollte, benannt, hieß es in dem Haftantrag der Staatsanwaltschaft. Auch habe er Paul Pelosi "wirklich nicht verletzen" wollen, aber es sei ein "Selbstmordkommando" gewesen.

Dem 42-Jährigen werden unter anderem versuchter Mord, Einbruch, Misshandlung und Freiheitsberaubung eines älteren Menschen sowie die Bedrohung einer Amtsperson vorgeworfen. Wenige Tage vor den Parlamentswahlen in den USA war Paul Pelosi im Wohnhaus des Paares in San Francisco angegriffen und schwer verletzt worden. Mitten im aggressiv geführten Wahlkampf war der Täter dort in der Nacht zum Freitag eingebrochen, hatte nach Nancy Pelosi, der demokratischen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, verlangt und deren 82 Jahre alten Mann brutal attackiert.

Sein Anwalt kündigte an, für die Verteidigung die "Anfälligkeit" seines Mandanten für "politische Fehlinformationen" und seinen geistigen Zustand zu überprüfen. Er verwies auf die von Extremismusexperten vertretene These, dass Hassreden, die im Internet und von Personen des öffentlichen Lebens verbreitet werden, einige psychisch labile Personen zu politischen Gewalttaten inspirieren könnten.

Mehrere Jahrzehnte Haft drohen

Wie aus einem am Montag veröffentlichten Gerichtsdokument hervorgeht, hatte der Mann vorgehabt, Nancy Pelosi als Geisel zu nehmen und ihr die Kniescheiben zu brechen. So sagte er es demnach der Polizei. Er habe die Demokratin in den Rollstuhl zwingen wollen, um anderen Kongressabgeordneten zu zeigen, dass ihre "Handlungen Konsequenzen haben".

Bezirksstaatsanwältin Brooke Jenkins sagte dem Sender CNN am Dienstagabend, der Angreifer habe neben Nancy Pelosi auch andere Politiker im Visier gehabt. "Es gab noch andere Amtsträger, die offenbar sein Ziel waren, offensichtlich tauchte er zuerst am Haus der Vorsitzenden des Repräsentantenhauses auf", sagte sie.

In einem separaten Verfahren auf Bundesebene werden dem mutmaßlichen Täter die versuchte Entführung einer Amtsperson und die Körperverletzung eines Familienmitglieds einer Amtsperson vorgeworfen. Ihm könnten bei einer Verurteilung laut US-Justizministerium mehrere Jahrzehnte Haft drohen.

Unterdessen nutzten einzelne Republikaner den Angriff für Spott im Wahlkampf. Die aufstrebende Republikanerin Kari Lake etwa sprach bei einem Wahlkampfauftritt im Bundesstaat Arizona am Montag (Ortszeit) über den Schutz von Schulen vor Angreifern und scherzte in dem Zusammenhang über die Attacke auf Pelosis Mann Paul.

"Kein Platz für Gewalt"

Lake, die sich bei den anstehenden US-Wahlen am 8. November um das Gouverneursamt in Arizona bewirbt, argumentierte, wenn Politiker und Abgeordnete geschützt würden, müsse das auch für Kinder gelten. "Nancy Pelosi – nun ja, sie wird beschützt, wenn sie in D.C. ist", sagte Lake und schob nach: "Offensichtlich wird ihr Haus nicht besonders gut geschützt." Das Publikum reagierte mit Gelächter.

Zuvor hatte bereits der republikanische Gouverneur des Bundesstaates Virginia, Glenn Youngkin, bei einem Wahlkampfauftritt Bezug auf Nancy Pelosi und deren Ehemann genommen und gesagt: "Es gibt nirgendwo Platz für Gewalt – aber wir werden sie zurückschicken, damit sie mit ihm in Kalifornien sein kann."

Die Republikaner haben aktuellen Umfragen zufolge gute Chancen, bei der Wahl die Mehrheit im Repräsentantenhaus zu erobern. Der Angriff verstärkte in den USA die Angst vor politisch motivierter Gewalt. Präsident Joe Biden zog eine Verbindung zur Rhetorik der Republikaner um seinen Vorgänger Donald Trump. (APA, 2.11.2022)