Wenn derzeit von gefährlichen Kipppunkten des Weltklimas die Rede ist, steht meist der sibirische Permafrost im Zentrum. Sein Auftauen könnte riesige Mengen gebundenen Kohlenstoffs in Form von Treibhausgasen freisetzen und so die Katastrophe unumkehrbar machen, wenn die Erderwärmung nicht rechtzeitig gestoppt wird.

Doch es gibt andere wichtige Treibhausgasspeicher, die sensibel auf veränderte Umweltbedingungen reagieren. Moore etwa bilden die größten irdischen Kohlenstoffspeicher. Die größte tropische Moorlandschaft befindet sich im Kongobecken, wo fast ein Drittel des in tropischen Mooren gebundenen Kohlenstoffs lagert.

Fischer auf dem Ruki, einem Nebenfluss des Kongo. Hier befand sich einer der Punkte, an dem Bodenproben für die nun veröffentlichte Studie genommen wurden.
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Nun zeigt eine im Fachjournal "Nature" veröffentlichte Studie auf, dass das Gleichgewicht dieser Region instabil ist und sie empfindlich auf Erwärmung reagieren dürfte.

Dazu untersuchte ein Team um den Geochemiker Yannick Garcin bis zu sechs Meter lange Bohrkerne von Sedimenten aus verschiedenen Teilen des Kongobeckens und datierte sie. Dabei zeigt sich, dass sich bereits vor 17.500 Jahren im Kongobecken ein Moorgebiet zu formen begann. Vor 7.500 Jahren gab es eine Veränderung, die Bodenproben aus dieser Zeit sind dichter. Diese Phase dauerte bis etwa vor 2.000 Jahren.

Die Forschenden untersuchten mehrere mögliche Erklärungen für diese ungewöhnliche Schicht, darunter einen Rückgang der Ablagerungen und ein Abtragen des Materials. Der Schlüssel zur Beantwortung dieser Frage: Es konnte nachgewiesen werden, dass das Material in der dichteren Schicht stärker zersetzt war.

Bodenproben zeigen Austrocknung

"Mithilfe von paläohydrologischen Methoden, die Rückschlüsse auf die Niederschlagsverhältnisse in der Vergangenheit zulassen, kamen wir zu dem Schluss, dass das Moor während dieser Phase ausgetrocknet sein musste", erklärt Enno Schlefuß vom Zentrum für Marine Umweltwissenschaften Marum in Bremen, der seit vielen Jahren im Kongobecken forscht und einer der Autoren der Studie ist.

Seit 2.000 Jahren wachsen die Moore wieder. Unter Einbeziehung anderer Informationen, darunter Klimadaten, und der Rekonstruktion vergangener Regenmengen gelang es nun, die Bedingungen einzugrenzen, unter denen sich im Kongobecken Moore ausbilden. Dabei zeigte sich, dass in der Vergangenheit eine Trockenphase den Wasserspiegel im Kongobecken sinken ließ und die Sümpfe von einer Kohlenstoffsenke zu einer Kohlenstoffquelle machte.

Der Kongo ist für seine Mangrovenwälder in der Nähe der Flussmündung bekannt. Das riesige Feuchtgebiet im Inneren des Landes war hingegen lange Zeit unbekannt und wurde erst im Jahr 2000 entdeckt.
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Ein interessantes Ergebnis der Analysen ist, dass die Regenmuster vor der Austrocknungsphase den heutigen Bedingungen in tropischen Mooren Nord- und Südamerikas, Asiens und Ozeaniens ähnelten. Heute sind die Moore allerdings viel trockener als vergleichbare tropische Landschaften in anderen Teilen der Welt. Das legt nahe, dass sie sich knapp an einem Kipppunkt befinden und eine weitere Verringerung der Regenmengen ein erneutes Austrocknen zur Folge hätte.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Moore im tropischen Kongobecken kurz davor stehen, von einer Kohlenstoffsenke zu einer Kohlenstoffquelle zu werden, aber auch, dass sie widerstandsfähig sind und sich unter günstigen Bedingungen erholen können", sagt Schlefuß. Er betont, dass die Anfälligkeit dieser arten- und kohlenstoffreichen Ökosysteme für den Klimawandel genauer untersucht werden müsse.

Erst 2000 entdeckt

Dass es sich bei dem Kongobecken um ein Moor handelt, ist eine relativ neue Erkenntnis. Bis zur Jahrtausendwende hielt man die Gebiete rund um den Kongo für ein reines Regenwaldgebiet. Erst Satellitenaufnahmen zeigten, dass die Fläche unter den Bäumen von Wasser bedeckt ist. Bei der 26. Klimakonferenz der Vereinten Nationen im vergangenen Jahr in Glasgow wurden 1,5 Milliarden Dollar für die Rettung dieses einzigartigen Ökosystems bereitgestellt.

"Über den Ursprung und die Geschichte dieses Moorgebiets sowie über seine Kohlenstoffdynamik ist fast nichts bekannt", sagt Schlefuß. "Dabei wäre dieses Wissen von entscheidender Bedeutung, um die Anfälligkeit des Ökosystems für den Klimawandel zu bewerten und Informationen über die Auswirkungen von Abholzung, Ölförderung und Landwirtschaft zu erhalten."

Erst diesen Sommer wurden Förderrechte für Öl und Gas für 30 Regionen im Kongo vergeben, darunter auch im Kongobecken. (Reinhard Kleindl, 2.11.2022)

DER STANDARD