In ihrer asiatischen Heimat steht die Longan-Frucht im Ruf, das Immunsystem zu stärken, Müdigkeit zu lindern und bei Nervosität Entspannung zu verschaffen.
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In Asien genießt die kleine, runde Longan-Frucht seit langem großes Ansehen. Sie wird in der Küche für die Zubereitung süßsaurer Speisen ebenso verwendet wie für diverse Desserts. Doch nicht nur in der Kulinarik hat die Frucht hohen Stellenwert, auch in der Kräuterheilkunde nimmt sie einen festen Platz ein.

Der Longan-Baum (Dimocarpus longan) ist ein immergrüner Baum aus der Familie der Seifenbaumgewächse. Er kann bis zu 40 Meter hoch werden und stammt ursprünglich aus China. Von dort hat er sich weit im asiatischen Raum verbreitet und wird heute unter anderem in Thailand, Indien, Malaysia und Indonesien angebaut. Auch in Australien und den USA gedeiht die Pflanze mittlerweile.

Wirksamkeit am Prüfstand

In Europa sind die 1,2 bis 2,5 Zentimeter großen Früchte des Baumes hingegen noch weitgehend unbekannt. Während man sie für den Verzehr maximal als Dosenfrucht in speziellen Supermärkten findet, kennt man die Frucht in den Laboren des Austrian Drug Screening Institute (ADSI), einem Forschungsunternehmen der Universität Innsbruck, schon wesentlich besser. Dort widmen sich Forschende der Ergründung ihrer potenziell medizinisch nutzbaren Eigenschaften.

Denn der Longan-Frucht, die seit rund 2000 Jahren auch in der traditionellen chinesischen Medizin verwendet wird, werden zahlreiche positive Wirkungen zugeschrieben. Dazu gehören die Stärkung des Gedächtnisses und des Immunsystems, Linderung von Müdigkeit und nervösen Störungen sowie Wirksamkeit gegen Bakterien, Viren und Krebs. Wissenschaftlich bewiesen waren diese Effekte bisher allerdings nicht, was einen entsprechenden Einsatz außerhalb Asiens bislang verhinderte.

Am ADSI, das sich seit 2010 der Suche nach neuen pflanzlichen Wirkstoffen widmet, wurden nun die verschiedenen Inhaltsstoffe der Longan-Früchte in einer speziellen Zubereitung mit dem Namen P80 Natural Essence untersucht. Es handelt sich dabei um eine von einem thailändischen Unternehmen erzeugte Essenz aus den Früchten. Um diese in Europa vermarkten zu können, trat dessen Geschäftsführer an die analytischen Chemiker und Molekularbiologen des ADSI heran, die die Substanz daraufhin genau unter die Lupe – beziehungsweise das Massenspektrometer und diverse andere Geräte – nahmen.

Interessante Inhaltsstoffe

Wie sich dabei laut Geschäftsführer und Chemiker Günther Bonn herausstellte, enthält P80 vorteilhafte Inhaltsstoffe: unter anderem Polysaccharide oder Mehrfachzucker, die das Immunsystem positiv beeinflussen, diverse phenolische Verbindungen wie die Gallussäure, die stark antibakteriell und antikanzerogen wirkt, und den Neurotransmitter Gamma-Aminobuttersäure (GABA), dem beruhigende und schlaffördernde Eigenschaften zugeschrieben werden.

Auch eine thailändische Studie bestätigt laut Bonn eine Stärkung der Tiefschlafphasen. Außerdem enthält die Longan-Essenz Ellagsäure, die unter anderem unerwünschten Aktivitäten des Enzyms Tyrosinase entgegenwirkt, die zu Hautkrebs führen können.

Spray gegen Covid-19-Viren

Die der Longan-Frucht ebenfalls nachgesagte antivirale Wirkung untersuchten die Forschenden des ADSI kurz vor Ausbruch der Covid-19-Epidemie in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Universität Innsbruck anhand des HI-Virus, wobei sich überraschende Ergebnisse einstellten: "Die Viruslast wurde tatsächlich durch P80 stark reduziert", erklärt Bonn. Auch die wenig später aufgetretenen Covid-19-Viren ließen sich durch die Essenz stark genug eindämmen, um die Idee für einen Spray gegen die Infektion attraktiv zu machen.

Die Verwirklichung würde allerdings ein medizinisches Zulassungsverfahren erfordern. Da die entsprechenden Prüfungen viel Zeit und Geld in Anspruch nehmen, ist derzeit noch nicht klar, ob an dem Spray weitergearbeitet wird. Vielversprechend waren auch die Ergebnisse einer Applikation von P80 auf der Haut. Dafür wird ein 3D-Modell der menschlichen Haut verwendet, das Tierversuche ersetzen kann. Dabei zeigte sich eine deutlich entzündungshemmende Wirkung. Außerdem "stärkt eine Creme mit P80 die Collagen-Struktur, schützt durch Antioxidantien und reguliert die Feuchtigkeit der Haut", sagt Bonn. Der zukünftige Einsatz der Longan-Essenz im Dienste der pflanzenbasierten Schönheit ist entsprechend sehr wahrscheinlich.

Know-how exportieren

In Europa ist P80 noch nicht erhältlich, wurde aber von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit als zulässiges Nahrungsergänzungsmittel eingestuft. In nächster Zeit soll das ADSI auch die Inhaltsstoffe einer weiteren asiatischen Pflanze untersuchen, nämlich des Teakbaumes.

Dessen Früchte werden in seiner Heimat unter anderem gegen Atemwegserkrankungen und Kopfschmerzen eingesetzt. Außerdem soll an der thailändischen Universität von Chiang Mai in Zusammenarbeit mit den Innsbrucker Chemikern ein Phyto-Forschungszentrum nach Vorbild des ADSI entstehen. (Sunsanne Strnadl, 6.11.2022)