Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni.

Foto: REUTERS/Guglielmo Mangiapane/File Photo

Matteo Piantedosi hat nicht lange gefackelt: Kaum als neuer Innenminister Italiens vereidigt, hat er schon zu Beginn der letzten Woche durchblicken lassen, dass Italien privaten Rettungsschiffen, die unter ausländischer Flagge operieren, den Zugang in italienische Hoheitsgewässer verweigern werde. Betroffen sind die deutsche Humanity One und die norwegische Ocean Viking mit mehreren Hundert Flüchtlingen an Bord, die von den Crews aus dem Mittelmeer gerettet wurden. In Verbalnoten an die deutsche und die norwegische Botschaft in Rom hat Piantedosi festgehalten, dass die beiden Schiffe "nicht im Einklang mit den europäischen und italienischen Normen zum Grenzschutz und der Bekämpfung der illegalen Einwanderung" stünden.

Die Crews der Humanity One und der Ocean Viking hätten die Flüchtlinge in der libyschen und in der maltesischen Sar-Zone (Sar: Search and Rescue, Anm.) gerettet, ohne sich mit den Behörden der beiden Länder abzusprechen. Auch Italien, das um die Zuweisung eines sicheren Hafens gebeten wurde, sei erst nach erfolgter Rettung informiert worden. Insgesamt sind in Italien seit Anfang des Jahres über 80.000 Migranten gelandet – 84 Prozent von ihnen schafften es mit ihren eigenen Booten oder sie wurden von italienischen Schiffen gerettet. Die übrigen 16 Prozent wurden von privaten ausländischen Seenotrettern nach Italien gebracht. "Nachdem wir uns schon um den allergrößten Teil der Migranten kümmern, erwarten wir bei den übrigen 16 Prozent, die in internationalen Gewässern gerettet werden, die Solidarität Europas", betonte der neue Innenminister.

"Eiserner Präfekt"

Piantedosi trägt in Italien den Übernamen "prefetto di ferro", der eiserne Präfekt. Der parteilose "Techniker" war von 2018 bis 2019, als Lega-Chef Matteo Salvini Innenminister war und die "Politik der geschlossenen Häfen" einführte, sein Kabinettschef gewesen. Zuvor war er auch schon Polizeichef in Rom, Bologna und Lodi. Als Salvinis rechte Hand im Innenministerium hatte er auch an dessen umstrittenen zwei "Sicherheitsdekreten" mitgeschrieben, die später wieder etwas entschärft worden sind. Die ersten Entscheide von Piantedosi deuten darauf hin, dass der Geist der Hafenschließungen und der Sicherheitsdekrete unter Giorgia Meloni wieder zurückkehrt – zumal die neue Regierungschefin in der Flüchtlingspolitik eine ähnlich restriktive Politik versprochen hat wie Salvini.

Viel zu reden gibt in Italien ein weiterer Entscheid, der ebenfalls bereits in einer der ersten Regierungssitzungen unter Meloni gefällt wurde. Anlass war ein nicht bewilligter Rave in einem leerstehenden Fabrikgebäude in Modena, wo sich am Wochenende mehrere Tausend Besucherinnen und Besucher eingefunden hatten. Das Gelände wurde von der Polizei geräumt, ohne dass es zu Zwischenfällen gekommen wäre. Trotzdem hat die Regierung ein Dekret verabschiedet, in welchem die Strafen für die Teilnehmer und insbesondere für die Organisatoren solcher Veranstaltungen massiv verschärft wurden: Neu sollen Strafen von bis zu sechs Jahren Gefängnis ausgesprochen werden können.

Welle der Kritik

Für den größten Teil der Opposition ist das neue "Anti-Rave-Gesetz" völlig unverhältnismäßig. "Es ist ein grauenvoller Erlass, wie in einem Polizeistaat", erklärte etwa der frühere Regierungschef Giuseppe Conte, heute Chef der Fünf-Sterne-Protestbewegung. Die sozialdemokratische Abgeordnete Chiara Gribaudo sprach von einem "Maulkorb für jeglichen Dissens" und warnte davor, dass mit dem Dekret auch gegen streikende Arbeiter oder protestierende Studentinnen und Studenten vorgegangen werden könnte.

Als gravierend und bezeichnend wertet die Opposition außerdem den Umstand, dass sich an den gleichen Tagen, als in Modena der Rave aufgelöst wurde, am Geburtsort von Benito Mussolini, Predappio, über 2.000 Neofaschisten unbehelligt treffen konnten, um den 100. Jahrestag des faschistischen "Marsches auf Rom" zu feiern. Und dass, ebenfalls gleichzeitig und unbehelligt, rechtsextreme Ultras von Inter Mailand tausende friedliche Fans aus der Nordkurve des San-Siro-Stadiums vertreiben konnten, nachdem einer ihrer vorbestraften Anführer bei einer Abrechnung erschossen worden war. Für die neue Regierung scheinen diese beiden Vorfälle kein Problem für die öffentliche Sicherheit und Rechtsordnung darzustellen, obwohl dabei gleich reihenweise geltende Gesetze verletzt wurden – ein unbewilligter Rave dagegen schon. (Dominik Straub aus Rom, 2.11.2022)