Foto: Der Standard/Stefan Mey

Das Marketing-Buzzword des "Metaversum" sorgt nun seit rund einem Jahr konsequent für Augenrollen, Metas Aktienkurs bewegt sich seit Wochen talwärts, und Medienberichten zufolge wollen noch nicht mal Metas eigene Entwickler in virtuelle Welten wie "Horizon Worlds" eintauchen. Angesichts dieser Metadiskussionen wird aber gerne übersehen, dass sich die Hardware hinter den Plänen konstant weiter entwickelt. So steht Sonys PSVR 2 bereits in den Startlöchern, und Meta hat sein neues VR-Flaggschiff – die Meta Quest Pro – inzwischen auf den Markt gebracht. DER STANDARD konnte die letztgenannte VR-Brille als einziges österreichisches Medium einem ersten Hands-on unterziehen. Übrig bleiben gemischte Eindrücke.

Schickes Schreibtisch-Utensil

Der erste Eindruck von der Meta Quest Pro, bevor man diese auf den eigenen Kopf setzt: Liegt diese gemeinsam mit den dazugehörigen zwei Controllern auf dem dazu passenden Charging Dock, so ergibt dies ein harmonisches Bild – man kann sich gut vorstellen, dass das Gerät auf dem Schreibtisch von so manchem Corporate-Office liegt.

Auf dem Schreibtisch gibt das System ein schickes Gesamtbild ab.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Bei der direkten Begutachtung fällt auch auf, dass die neuen Controller deutlich kleiner sind als jene der günstigeren Quest 2. Trotzdem liegen sie gut in der Hand. Interne Kameras sollen es ermöglichen, dass Handbewegungen auch dann getrackt werden, wenn sich die Controller außerhalb der Wahrnehmung der Brillen-Kameras – also etwa hinter dem Rücken des Trägers – befinden. Dreht man den Controller um, so kann er wie ein Stift verwendet werden, um auf ein virtuelles Whiteboard zu zeichnen – aber mehr dazu später.

Feature für Brillenträger

Auf der Rückseite der VR-Brille per se sind die dickeren Akkupacks sichtbar. Dafür ist die Brille auf der Vorderseite deutlich flacher als die Quest 2 und erinnert somit an eine Skibrille. Auf der Rückseite befindet sich ein Rad, mit dem die Brille nach dem Aufsetzen fester gezurrt wird, nachdem diese aufgesetzt wurde. Zudem lässt sich auf der Vorderseite der Abstand der VR-Brille zum Kopf einstellen. Das ist für Brillenträger ein praktisches Feature, zumal sie ihre Brille ohne viel Aufwand unter der Meta Quest Pro tragen können. Bei der Quest 2 war dafür noch ein Adapter notwendig.

Schließlich lässt sich noch der Abstand der beiden Linsen auf den individuellen Augenabstand anpassen. Wie weit die beiden Linsen auseinander liegen, wird in der Brille angezeigt. Insgesamt saß die Meta Quest Pro beim Austesten recht gut auf dem Kopf, während des rund einstündigen Testzeitraums wurde sie nicht zu schwer oder unangenehm.

Eingeschränktes Sichtfeld

Das horizontale Sichtfeld der Meta Quest Pro liegt bei 106 Grad, das vertikale Sichtfeld bei 96 Grad. Das bedeutet in der Praxis, dass man nach oben hin nach wie vor einen schwarzen Rand sieht, und wer nach unten schielt, der erblickt den realen Fußboden – in etwa lässt sich das mit einer Schlafmaske vergleichen, bei der man unten hindurchschaut.

Und auch in der horizontalen Ausdehnung ist das Sichtfeld alles andere als komplett abgedeckt. Hier sieht man links und rechts entweder die reale Umgebung, oder man setzt mitgelieferte Scheuklappen auf, um die Realität abzudecken. Gewiss, auch bei der Quest 2 wurde das Sichtfeld nicht komplett mit der virtuellen Welt abgedeckt. Der aktuelle Status zeigt aber auch, dass die Technologie noch viele Schritte vor sich hat, bis der Status der kompletten Immersion erreicht ist.

Brillenträger können die Meta Quest Pro ohne Adapter tragen.
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Ein paar Worte noch zur Auflösung: Mit 1.800 × 1.920 Pixel pro Auge ist die Auflösung zwar besser als bei der Quest 2 (1.720 × 1.890 Pixel), was auch sichtbar ist – wirklich bahnbrechend ist die Änderung aber nicht. Zu erwähnen sei hier auch, dass unter anderem Konkurrent Sony für die kommende PSVR 2 eine deutlich bessere Auflösung verspricht: Hier sollen 2.000 x 2.040 Pixel pro Auge geboten werden.

Die Refresh Rate der Quest Pro liegt bei 90 Hz. Für mich war das im Test kein Problem – ob es für Personen mit Anfälligkeit für Motion Sickness unangenehm werden könnte, müsste ein ausführlicherer Test zeigen.

Hand- und Mimiktracking in Horizon Workrooms

Während mit der Integration von Microsoft Teams in die Meta-Arbeitstools frühestens mit Anfang 2023 zu rechnen ist, war eine Demonstration von "Horizon Workrooms" der erste Programmpunkt im Test. Dabei handelt es sich um Metas eigene Umgebung für digitales Arbeiten, Teammitglieder sitzen hier in einem virtuellen Raum in Form von Avataren beisammen und halten Meetings ab. Kollegen können sich auch ohne VR-Brille hinzuschalten, in dem Fall sind sie mit ihrem realen Antlitz auf einem virtuellen Bildschirm sichtbar und sehen die Avatar-Kollegen im virtuellen Raum sitzen.

Was gleich zu Beginn dieses Tests auffällt: Der Avatar meines Gesprächspartners hat noch immer keine Beine – auch dies ist ein Asset, das erst in Zukunft kommen soll. Bereits umgesetzt ist hingegen das Feature, dass die Quest Pro die Mimik des Trägers tracken und als Avatar wiedergeben kann. Dies hat zuletzt zu Datenschutz-Bedenken gegenüber dem Unternehmen gesorgt, zu dessen Ökosystem auch werbefinanzierte Plattformen wie Facebook und Instagram gehören.

Abgesehen davon sei gesagt: in dieser Demo funktionierte das Handtracking gut, sowohl beim Gesprächspartner als auch bei mir selbst, unter anderem wurden hinter dem Rücken verschränkte Arme auch als solche wahrgenommen. Werden Hände allerdings an die eigene Brust gehalten, so scheinen diese in der Brust des Avatars zu verschwinden – hier gibt es also noch Unschärfen.

Die Controller lassen sich umdrehen und als Stifte verwenden.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Ähnliches gilt für das Gesichtstracking: Zwar wird Mimik wie Grinsen, Lachen und ein geöffneter Mund ebenso direkt wiedergegeben wie zum Beispiel ein Zwinkern mit den Augen, eine Unausgereiftheit zeigte sich aber an anderer Stelle: Beim Sprechen wirkten die Lippenbewegungen noch ein wenig asynchron.

Spatial Audio in der Meta Quest Pro

Extrem gut funktionierte im Kurztest der Einsatz von Spatial Audio, also die Möglichkeit, Objekte auch akustisch in einem virtuellen Raum zu platzieren. Das kennt man von diversen Kopfhörern unter anderem bereits aus dem Musikbereich, bei VR-Anwendungen macht es freilich noch mehr Sinn.

So habe ich die Stimme des Gesprächspartners vor mir gehört, als er mir gegenüber saß; als sein Avatar anschließend neben mir Platz nahm, kam die Stimme von der Seite. Es ist in Horizon Workrooms außerdem möglich, in mehreren Kleingruppen an verteilten Tischen zu arbeiten – und als er sich an einen dieser anderen Tische setzte, hörte ich seine Stimme entsprechend leiser.

Virtuelle Whiteboards

Auch ist es in Horizon Workrooms möglich, Dinge gemeinsam auf virtuellen Whiteboards zu skizzieren. Hier offenbart sich der Vorteil der neuen Controller, die umgedreht und anschließend wie ein klassischer Permanentmarker verwendet werden können. Nach einer kurzen Umgewöhnung fühlt sich das Halten des Stifts tatsächlich wie bei einem echten an.

Ein zweischneidiges Schwert ist hingegen die Unterlage, auf die gekritzelt wird. Denn freilich lässt sich ein riesiges virtuelles Whiteboard in den realen Raum hängen – wenn man beim Schreiben auf selbigen aber keinen physischen Widerstand spürt, sondern bloß in die Luft malt, dann fühlt sich das nicht richtig an. Besser geht es, wenn mit dem Stift auf einer realen Fläche, etwa einem klassischen Schreibtisch, geschrieben wird – was wiederum entsprechende räumliche Einschränkungen mit sich bringt.

Passthrough und Mixed Mixed Reality

Doch genug von der Virtual Reality (VR) – denn immerhin soll die wahre Innovation der Meta Quest Pro ja in der Mixed Reality (MR), also der Verschmelzung von realem und virtuellem Raum, liegen. Dies wird über die sogenannte "Passthrough-Technologie" ermöglicht, bei der in der Brille angebrachte Kameras die Umgebung filmen und in Echtzeit – angereichert mit virtuellen Objekten – über die beiden Bildschirme ausspielen.

Die Quest Pro punktet gegenüber der Quest 2 dadurch, dass die Kameras eine bessere Auflösung haben und außerdem in Farbe aufnehmen, während das günstigere Modell die Umgebung nur in Schwarzweiß wiedergibt. Im Test wurden die Erwartungen hier ein wenig enttäuscht: So klar wie die Realität ist das Bild noch lange nicht, die Farben wirken eher matt und die Auflösung ist noch immer unscharf. Arbeiten lässt sich damit, der große Wow-Effekt bleibt aber aus. Hier ist zu erwarten, dass die Technologie in Zukunft noch große Sprünge macht.

Arbeiten in der Mixed Reality

In der Praxis wird in der Mixed Reality unter anderem gearbeitet, indem auf dem Windows-PC oder Mac eine Software installiert wird, die das drahtlose Synchronisieren des Desktops mit der Brille ermöglicht. So können zum Beispiel die einzelnen Fenster eines Browsers als übergroße virtuelle Bildschirme projiziert werden.

Träger einer Quest Pro sehen ihre Umgebung in Farbe – wirken auf ihre Mitmenschen aber noch immer wie seltsame Freaks aus einem Cyberpunk-Film.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Die Eingabe erfolgt weiterhin über eine haptische Tastatur – der Nachteil: Wegen der noch nicht ausgereiften Auflösung in der Passthrough-Technologie ist die Beschriftung der einzelnen Tasten nur schwer sichtbar. Wer also nicht blinden tippen kann, der muss sich nah über die Tasten beugen, um die einzelnen Buchstaben lesen zu können.

Ein Aufrufen von derstandard.at und Scrollen über die Website lief recht flüssig. Ob auf diese Weise aber auch aufwändigere Anwendungen ruckelfrei übertragen werden können, wird sich wohl erst in der Praxis weisen.

Virtueller Stadtplan

Neben dem klassischen Arbeiten sind auch andere Anwendungen in der Mixed Reality möglich. So kann mit der App "Wooorld" ein virtueller Stadtplan in das reale Zimmer projiziert und mit den Kollegen inspiziert werden. Manche Städte, wie etwa Rom, sind als 3D-Modelle sichtbar, im Fall von Wien wird einfach eine flache Karte auf den Boden projiziert. Der Stadtplan kann gedreht, skaliert und auch betreten werden – wer will, der kann sich also auch neben ein virtuelles Hochhaus stellen.

Wooorld

Zudem ist es in der App möglich, sogenannte "360-Grad-Pins" zu platzieren, woraufhin man von einer MR- in eine VR-Umgebung wechselt, die entsprechende Umgebung also in Google Streetview begutachten kann.

Außerdem ist es hier möglich, in das 3D-Modell hinein zu zeichnen. Ähnlich wie beim Beispiel des Whiteboards ist es aber auch hier schwierig, den richtigen Punkt zu treffen, wenn es keinen physischen Widerstand gibt.

Ein Leben als virtueller DJ

Wieder eine andere App ist "Tribe XR", mit der man in der Mixed Reality zum DJ wird, indem das entsprechende DJ-Pult in das eigene Zimmer projiziert wird. Auf Anleitung hin werden anschließend Songs in das System geladen und über das Schieben diverser Regler gemixt und verändert.

UploadVR

Auch hier wieder der gleiche Effekt: Es erfordert ein wenig Übung, den richtigen Button zu treffen, ohne dass es einen physischen Widerstand gibt. Unfreiwillige Komik gab es bei beiden Anwendungen auch, wenn sich im Raum befindliche Meta-Mitarbeiter mit virtuellen Avataren überlagerten oder ein realer Mensch gestikulierte, dabei aber von einem virtuellen DJ-Pult überdeckt wurde. Hier einen korrekten Umgang mit Kollegen zu finden, wird in der Realität wohl auch ein wenig Arbeit erfordern.

Fazit: Gut – aber noch viele offene Fragen

Es ist klar, wo sich die Reise laut Meta hinbewegen soll. Das Unternehmen hat zwei VR-Produktlinien: Die klassischen Quests, mit der Quest 2 als aktuellem Flaggschiff, richten sich eher an Endconsumer, die Quest Pro soll hingegen professionelle Office-Anwender richten.

Dabei zeigt sich aber auch, dass es noch einige Kinderkrankheiten zu bewältigen gibt. Die Passthrough-Kameras funktionieren noch nicht so gut, wie es für ein echtes MR-Erlebnis nötig wäre. Das Tracking klappt meist, aber in Brustkörben verschwindende Arme und asynchrone Lippen zeigen auch hier noch eine gewisse Unreife der Technologie. Und Beine gibt es auch noch keine, ebenso wenig wie die Integration diverser Office-Anwendungen aus dem Hause Microsoft.

Und dann steht Meta natürlich noch vor der Herausforderung, diverse andere Developer zu überzeugen, weitere Anwendungen für die Quest Pro und das Metaversum zu bauen. Gleichzeitig müssen Anwender für das System begeistert werden. Metas Aktie hat zuletzt eine regelrechte Talfahrt hingelegt, was unter anderem an Zuckerbergs großer Metaverse-Wette liegt, deren Ausgang noch ungewiss ist. Die Meta Quest Pro ist zwar nicht das endgültige Resultat bei diesen Bestrebungen – aber ein Schritt in die richtige Richtung. (Stefan Mey, 6.11.2022)