Eddie Redmayne (links) und Jessica Chastain in "The Good Nurse".

Foto: JoJo Whilden / Netflix

Wien/Hollywood – Einige werden sich vielleicht noch an die als "Todesengel von Lainz" titulierten Krankenschwestern erinnern, die in den 1980er Jahren zahlreiche Patienten töteten. Im Grunde ist Charles Cullen so ein mörderischer Fall. Gespielt wird er von Eddie Redmayne im neuen Netflix-Drama "The Good Nurse". Ihm gegenüber spielt Jessica Chastain die "gute Krankenschwester" im Titel des Films. Alles ein wenig steril.

Netflix ist fasziniert von True Crime. Während die Popularität dieses Subgenres angesichts unseres kollektiven, manchmal moralisch zweifelhaften Fetischs für wahre Verbrechen in den vergangenen Jahren explodiert ist, sind wahre Krimiserien und Dokumentationen heutzutage auf dem US-Streamer unglaublich weit verbreitet. Die Geschichte über den Serienmörder Jeffrey Dahmer ist aktuell eine der beliebtesten Serien. Nun gesellt sich Charles Cullen dazu.

Dunkelziffer an Toten

In den 1990er und 2000er Jahren tötete der Amerikaner als Krankenpfleger mindestens 29 Menschen, aber die Dunkelziffer liegt eher bei 400, heißt es im Abspann des Films. Um ihn geht es zunächst aber gar nicht, sondern um Amy Loughren (Jessica Chastain), die auf der Intensivstation eines Krankenhauses in New Jersey arbeitet. Sie ist eine alleinerziehende Mutter und fürsorgliche Krankenschwester, die sich abschuftet und versucht, ihre Herzerkrankung zu verbergen, um die Krankenversicherung zu bekommen, die ihr eine Herztransplantation ermöglicht. Und obwohl ein Arzt sie davor warnt, dass sie sterben könnte, wenn sie sich zu sehr anstrengt, bleibt ihr keine andere Wahl.

Um sie zu entlasten, wird der freundliche Krankenpfleger Charles Cullen (Eddie Redmayne) eingestellt, und anfangs wirkt er wie ein Lebensretter. Er hilft Amy, er kocht für sie, er kümmert sich sogar um ihre beiden Töchter, während er zugleich heimlich Patienten in den ewigen Schlaf schickt. Das geht so lange gut, bis so viele Menschen unerwartet sterben, dass die Polizei zu ermitteln beginnt, und Amy sich fragt, mit wem sie da eigentlich befreundet ist.

An der Spitze des hochkarätig besetzten Dramas steht der dänische Regisseur Tobias Lindholm, der vielleicht am besten als Co-Autor von Thomas Vinterbergs "Die Jagd" (2012) und "Der Rausch" (2020) bekannt ist, und mit dieser Adaption von Charles Graebers Sachbuch sein englischsprachiges Debüt gibt. Im Gegensatz zu einigen der umstritteneren Netflix-Produktionen wie "Dahmer – Monster" ist "The Good Nurse" nicht sehr sensationslustig. Lindholm dreht auch alles ziemlich steril. Das ist insofern bewundernswert, als das Drama es vermeidet, die Geschehnisse reißerisch nachzuspielen. Was wir bekommen, ist aber fast schon zu zurückhaltend. Es fühlt sich an, als ob der Respekt vor dieser wahren Geschichte so überwältigend war, dass die Macher vergessen hätten, ihrem Film einen Puls zu geben.

Oscarpreisträger in Hauptrollen

Aufgrund dieser nüchternen Herangehensweise haben die beiden Oscarpreisträger nicht viel Raum zu Spielen. Als Amy ist Jessica Chastain ("The Eyes of Tammy Faye") herzlich und nachdenklich. Sie verleiht dem Film die nötige Menschlichkeit, aber die Schauspielerin hat schon spannendere Rollen gehabt.

Eddie Redmayne ("Die Entdeckung der Unendlichkeit") ist die interessantere Figur. Er spielt Cullen als stillen, introvertierten Menschen, was ihn sowohl beruhigend als auch beunruhigend macht. Über Charles Cullen erfährt man in diesem Film wenig, was ihn antreibt und warum er die Dinge tut, die er tut. Das ist einerseits faszinierend, aber auch sehr frustrierend.

Im Grunde ist "The Good Nurse" eine Kritik am amerikanischen Gesundheitssystem, und als solche funktioniert er auch. Einer der Gründe, warum Cullen so lange damit durchgekommen ist, war, dass die verschiedenen Krankenhäuser, für die er arbeitete, ihn nicht anzeigten, um rechtliche Konsequenzen und finanzielle Verluste zu vermeiden – und so einen Serienmörder schützten. (APA, 2.11.2022)