Mette Frederiksen dürfte "royale Prüferin" werden.

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Spätnachts ließ sich Premierministerin Mette Frederiksen als Siegerin der dänischen Parlamentswahlen feiern. Nach einem spannenden Wahlabend und einem engen Kopf-an-Kopf-Rennen stand am Dienstag ihr Mitte-links-Bündnis als knapper Sieger fest, ihre Sozialdemokratische Partei wurde mit großem Abstand zur stimmenstärksten.

Doch bereits in ihrer Siegesrede ließ Frederiksen anklingen, dass sie nicht vorhabe, eine Mitte-links-Regierung anzuführen. Die Parteichefin sprach von ihrer Vision einer breiten Koalition, die auch über die politische Mitte ins konservative Lager reichen soll. Nur so ließe sich Stabilität in den jetzigen unsicheren Zeiten erreichen, sagte Frederiksen. Um die Koalition zu schmieden, begann die Premierministerin einen politischen Poker.

"Royale Prüferin"

Am Mittwoch reichte sie am späten Vormittag bei Königin Margrethe II auf Schloss Amalienborg ihren Rücktritt ein – und den der gesamten Regierung. Damit läutete Frederiksen eine sogenannte Königinnenrunde ein, die es zwar realpolitisch, aber nicht verfassungsrechtlich gibt. Nun liegt es an Königin Margrethe – in enger Abstimmung mit dem Büro der Premierministerin –, alle Parteivorsitzenden zu treffen, die im künftigen Parlament vertreten sein werden.

Diese äußern beim Staatsoberhaupt ihre Präferenz für jene Person, die mit der Regierungsbildung beauftragt wird. Frederiksen setzt darauf, dass sie diese "royale Prüferin" sein wird. Dann hätte sie das offiziell neutrale Mandat, mit allen Parteien zu sprechen und eine möglichst breite Koalition auf die Beine zu stellen.

Umstrittene Mandate

Doch bereits am Tag nach den Wahlen zierten sich die Parteien. Bei der traditionellen Gesprächsrunde der Parteivorsitzenden erteilten die dem Mitte-links-Block zugeordneten Enhedslisten und die dem Mitte-rechts-Block zugeordnete Liberal Alliance dem Vorhaben eine Absage.

Umworben wird wahrscheinlich vor allem der ehemalige Premierminister Lars Løkke Rasmussen und seine vor wenigen Monaten gegründete Partei der Moderaten. Sie steht offiziell zwischen den Blöcken und galt lange als Königsmacher, wurde schlussendlich aber von den sogenannten Nordatlantischen Mandaten in dieser Rolle abgelöst.

Dabei handelt es sich um vier Mandate aus Grönland und von den Färöer-Inseln, die seit den 1950er-Jahren Sitze im Parlament in Kopenhagen haben. Die beiden Mandate Grönlands gehen an den linken roten Block, die beiden Mandate der Färöer jeweils einmal an den rechten und einmal an den linken.

Løkke Rasmussen machte am Tag nach den Wahlen seinem Ärger darüber Luft: Hätten nur die Dänen gewählt, würde es keine rote Mehrheit geben.

Es ist nicht das erste Mal, dass es eine Debatte über die Sitze für Abgeordnete aus Grönland und den Färöern gibt. Denn beide Gebiete sind autonom und haben eigene Parlamente. Das heißt, dass in Kopenhagen de facto keine Entscheidungen mehr für einen großen Teil der Regionen getroffen werden, sie aber sehr wohl – wie nun – Einfluss auf die Politik von Kern-Dänemark nehmen können.

Vergeben und vergessen

Wie auch immer die Regierungsverhandlungen verlaufen, es dürfte feststehen, dass die Wählerinnen und Wähler Frederiksen den Nerz-Skandal verziehen haben. Die Millionen getöteten Tiere während der Pandemie und die erst später geschaffene rechtliche Grundlage dafür waren der Grund für die verfrühten Wahlen. Denn die Sozialliberalen hatten gedroht, dass sie ein Vertrauensvotum erzwingen würden, würde nicht vor dem geplanten Termin im Juni gewählt werden.

Für die Sozialliberalen ist die Rechnung nicht aufgegangen. Sie haben sich auf acht Sitze halbiert. Parteivorsitzende Sofie Carsten Nielsen übernahm die Verantwortung und räumte überraschenderweise am Mittwoch ihren Posten. (Bianca Blei, 2.11.2022)