Im Gastblog zeigt die Rechtsanwältin Julia Andras anhand eines kürzlich entschiedenen Falls des Obersten Gerichtshofs (OGH), ab wann Naturalleistungen eine Rolle im Kontext des Unterhalts spielen.

Eltern haben ihren Kindern grundsätzlich bis zu deren Lebenserhaltungsfähigkeit, also bis zu jenem Zeitpunkt, zu welchem die Kinder in der Lage sind, sich selbst zu versorgen, monatlichen Unterhalt zu leisten. Lebt das Kind mit den Eltern in einem gemeinsamen Haushalt, werden seine Unterhaltsansprüche durch sogenannte Naturalleistungen erfüllt. Darunter fallen grundsätzlich die Wohnversorgung, Wohnungsbenützungskosten wie Betriebskosten, Strom-, Wasser- und Heizkosten, Haushaltsversicherung, Reparaturaufwendungen und so weiter, aber auch die Übernahme von Ausbildungskosten, die Anschaffung von Lebensmitteln, Kleidung und Taschengeld.

Ist es für den Unterhalt von Relevanz, wenn die Kinder monatlich 50 Euro Taschengeld erhalten?
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Im Falle einer Haushaltstrennung, sei es durch Wegzug des Kindes oder des unterhaltspflichtigen Elternteils, beispielsweise nach einer Scheidung, ist der Unterhalt vollständig in Geld zu leisten. Die monatliche Höhe des Unterhalts bestimmt sich nach dem jeweiligen Alter des Kindes und wird jährlich im Vorhinein durch sogenannte Regelbedarfssätze festgesetzt.

Unterhalt in Form von Naturalleistungen

Auch bei einer grundsätzlich in Geld bestehenden Unterhaltspflicht können vom Unterhaltsschuldner erbrachte Naturalleistungen unter bestimmten Voraussetzungen schuldbefreiend auf den Unterhalt angerechnet werden. Ob eine Anrechnung erfolgt, ist davon abhängig, ob sie auf den laufenden beziehungsweise künftig fällig werdenden Unterhalt oder im Rahmen einer rückwirkenden Unterhaltsbemessung vorgenommen werden soll. In einem Gerichtsverfahren ist es jedenfalls Aufgabe der unterhaltspflichtigen Person, zu behaupten und zu beweisen, dass sie Naturalleistungen erbringt und die Anrechnungsvoraussetzungen gegeben sind.

Handelt es sich um den laufenden Unterhaltsanspruch eines Kindes, dann muss die erbrachte Naturalleistung Unterhaltscharakter haben, das heißt, sie muss einen Unterhaltsbedarf decken. Des Weiteren muss die Naturalleistung regelmäßig beziehungsweise dauernd erbracht werden, dies mit einer gewissen Stabilität, das heißt, die Leistungserbringung muss verlässlich erfolgen. Weitere Voraussetzung ist die Zustimmung der unterhaltsberechtigten Person beziehungsweise ihrer gesetzlichen Vertretung, die erbrachte Naturalleistung als Unterhalt zu akzeptieren. Ein wenig anders verhält es sich bei Verfahren betreffend rückwirkende Unterhaltsbemessungen. Eine von der unterhaltspflichtigen Person erbrachte Naturalleistung ist dann anzurechnen, wenn sie einen Unterhaltsbedarf gedeckt hat und nicht in Schenkungsabsicht erbracht worden ist.

Wohnungskosten und andere Zuwendungen

Der praktisch bedeutendste Fall einer Naturalleistung ist die Zurverfügungstellung einer Wohnmöglichkeit und die Übernahme der damit verbundenen Kosten durch die unterhaltspflichtige Person. Dies betrifft sowohl im Eigentum der unterhaltspflichtigen Seite stehende Wohnungen als auch jene, für welche diese die Wohnkosten (zum Beispiel Mietzinszahlung oder Kreditraten) trägt und für die vonseiten der unterhaltsberechtigten Person oder des betreuenden Elternteils keine Gegenleistung erbracht werden muss. Nach der Rechtsprechung ist eine von der unterhaltspflichtigen Partei bereitgestellte Wohnversorgung mit maximal 25 Prozent auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen, das heißt, 75 Prozent des Unterhalts sind jedenfalls in Geld zu leisten.

Ein weiterer Fall der Anrechnung von Naturalleistungen ist das Taschengeld. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) zählt zum Naturalunterhalt auch ein dem Alter des Kindes und den elterlichen Lebensverhältnissen angepasstes Taschengeld.

In einem kürzlich vom OGH entschiedenen Fall (OGH vom 25.5.2022, 8 Ob 65/22z) führte ein Geschwisterpaar gegen den unterhaltspflichtigen Vater ein Unterhaltsverfahren auf rückwirkende und laufende Erhöhung der Unterhaltsbeiträge. Das Erstgericht legte bei der Bemessung der Unterhaltsbeiträge die Einkommenslosigkeit der in Ausbildung stehenden Kinder und das monatliche Pensionseinkommen des unterhaltspflichtigen Vaters zugrunde. Bereits im Verfahren erster Instanz hatte der Vater Taschengeldzahlungen an seine Töchter von rund 50 Euro monatlich eingewendet. Das Erstgericht kam allerdings zu dem Ergebnis, dass diese nicht unterhaltsmindernd zu berücksichtigen seien. Dieser Ansicht folgte auch das Rekursgericht. Es hielt fest, dass unregelmäßig oder nur in geringer Höhe geleistete Taschengeldzahlungen Geschenkcharakter hätten und daher die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht schmälern könnten. Der vom Vater erhobene ordentliche Revisionsrekurs an den OGH wurde zugelassen und war im Ergebnis auch teilweise berechtigt.

Taschengeld ist zu berücksichtigen

Der Oberste Gerichtshof hielt im Zusammenhang mit den vom Vater erbrachten Taschengeldzahlungen fest, dass bei Auferlegen einer Unterhaltspflicht für die Vergangenheit auch die bereits geleisteten Zahlungen und auch erbrachte Naturalleistungen zu berücksichtigen seien. Zum Naturalunterhalt zähle auch ein dem Alter des Kindes und den elterlichen Lebensverhältnissen angepasstes Taschengeld. Die Einwendung des Vaters, er habe seinen Töchtern in der Vergangenheit neben dem gerichtlich festgesetzten Unterhalt auch monatlich 50 Euro Taschengeld bezahlt, sei grundsätzlich beachtlich. Im weiteren Verfahren müssen konkrete Feststellungen darüber getroffen werden, ob und in welcher Höhe der Vater tatsächlich an seine Töchter regelmäßig Taschengeld gezahlt hat, damit in weiterer Folge der Differenzanspruch der Kinder berechnet werden kann. Der Oberste Gerichtshof hat sohin die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und das Verfahren zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die vorliegende Entscheidung verdeutlicht, wie wichtig es ist, sich bei der Führung eines Unterhaltsverfahrens rechtlich beraten zu lassen, da selbst geringfügig erscheinende Beträge oftmals einen großen Unterschied machen können. (Julia Andras, 4.11.2022)