Dürren und verheerende Waldbrände in Europa, Wirbelstürme in der Karibik, sintflutartige Regenfälle in Asien: Kein Zweifel, der Klimawandel verschont keine Weltregion. Wie sehr trägt der Tourismus dazu bei? Diese Frage beantwortet der Online-Reiseführer "Fodors" mit einem statistischen Wert: "Der Reiseverkehr ist derzeit für etwa acht Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich." Der Tourismus trage demnach nicht unwesentlich zur Misere bei, sowohl global als auch lokal: Touristinnen und Touristen lassen nicht nur die Kassen klingeln, sondern verursachen auch jede Menge Probleme: Müll, Wasserknappheit, Umweltschäden und den Verlust der Lebensqualität für die Einwohnerinnen und Einwohner des jeweiligen Reiselandes – Stichwort Overtourism.

Für die diesjährige "No List" hat "Fodors" Reiseziele hervorgehoben, deren Besuch im Jahr 2023 noch einmal überdacht werden sollte. Man wolle dies nicht als Boykottaufruf verstanden wissen, sondern vielmehr als Denkanstoß für verantwortungsbewusstes Reisen. Als einen Aufruf an Reisende, Entscheidungen mit Bedacht zu treffen.

Diese Destinationen finden sich auf der "No List":

Frankreichs Steilküsten

Étretat
Foto: AFP/SAMEER AL-DOUMY

Frankreich habe derzeit mit einer "dramatischen" Küstenerosion zu kämpfen, argumentiert der Reiseführer, die mehr mit dem Touristenansturm zu tun hätte als mit dem Klimawandel. Als Beispiel wird Étretat in der Normandie herangezogen: Die Kläranlage des kleinen Ortes musste im vergangenen Jahr geschlossen werden, da sie die dreifache Anzahl von Besuchern im Vergleich zur normalen Bevölkerung nicht bewältigen konnte. Noch besorgniserregender seien die häufigen Erdrutsche, die auf zu viel Fußgängerverkehr zurückzuführen sind. Die französische Nordküste sei nicht das einzige Gebiet, das unter übermäßigen Tourismus gelitten habe: Im Calanques-Nationalpark bei Marseille musste wegen der hohen Besucherzahlen eine tägliche Obergrenze von 400 Besucherinnen und Besuchern eingeführt werden.

Lake Tahoe, Kalifornien, USA

Müll im Lake Tahoe.
Foto: AP

"Lake Tahoe hat ein Menschenproblem", stellt "Fodors" fest. Während der Pandemie seien dort viel mehr Menschen unterwegs gewesen als bisher schon. Die Folge des erhöhten Verkehrsaufkommens: Der Lake Tahoe, bekannt für sein klares, blaues Wasser, habe sich durch den Eintrag von Feinsedimenten und Schmutzpartikeln einzutrüben begonnen. Das Problem wurde erkannt, und die Verantwortlichen versuchen, es in den Griff zu bekommen, stecken allerdings in einer Zwickmühle, die vielen anderen Touristenorten wohl auch Kopfzerbrechen bereitet: Einerseits will man die Natur schützen, andererseits will man den Tourismus nicht komplett abwürgen.

Antarktis

Man muss kein Experte sein, um sich vorstellen zu können, was es bedeutet, wenn der Mensch in ein Ökosystem eindringt, das ohnehin massiv vom Klimawandel bedroht ist. Die Antarktis werde zwar noch nicht überrannt, aber schon das bisschen Tourismus schade enorm, liest man bei "Fodors". Schon die Anreise habe Folgen für die Natur: Abgase der Schiffe und Flugzeuge sorgen dafür, dass Eis und Schnee schneller schmelzen.

Venedig, Italien

Foto: imago images/Eberhard Thonfeld

Die Lagunenstadt hat einen Dauerplatz in allen Overtourism-Rankings: Jährlich kommen auf einen Einwohner, eine Einwohnerin von Venedig statistisch gesehen 370 Touristinnen und Touristen. In der Stadt am Wasser, anfällig für Überschwemmungen und den Anstieg des Meeresspiegels, werden verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Folgen des Klimawandels abzumildern und die Besucherströme zu steuern. Im Sommer 2021 wurden große Kreuzfahrtschiffe (Schiffe mit einem Gewicht von mehr als 25.000 Tonnen) aus dem historischen Zentrum verbannt, um das empfindliche Ökosystem der Lagune zu schützen. Ab 2023 wird Venedig einen Eintrittspreis zwischen drei und zehn Euro erheben.

Amalfiküste, Italien

Ortschaft Atrani an der Amalfiküste.
Foto: APA/AFP/TIZIANA FABI

Ein weiterer Overtourism-Hotspot Italiens ist die Amalfiküste mit ihren malerischen Küstenorten. In der Hochsaison 2022 war der Stau in der Region so schlimm, dass man sich entschloss, ein eigenes System einzuführen, wie "Fodors"berichtet: In Anlehnung an die kolumbianische Verkehrspolitik "Pico y Placa" durften Fahrer mit Nummernschildern mit ungeraden Endziffern nur an ungeraden Tagen fahren. Fahrzeuge mit geraden Nummern durften nur an geraden Tagen zwischen Vietri sul Mare und Positano verkehren.

Cornwall, England

Auch in Cornwall ist der Verkehr ein großes Problem, wird berichtet: "Die Infrastruktur ist einfach nicht vorhanden, um die Zahl der Besucher zu bewältigen, was das Leben der Einheimischen in der Hochsaison gelinde gesagt unangenehm macht", wird ein Einheimischer zitiert. Schmale Fahrspuren, begrenzte Parkmöglichkeiten an einigen der beliebtesten Sehenswürdigkeiten der Region würden zu Verkehrsstaus, Umweltverschmutzung und Abfällen führen. Hinzu kommt eine Wohnungskrise, die durch die kurzfristige Ferienvermietung angeheizt wird und die Lebenshaltungskosten in die Höhe treibt. In den vergangenen Jahren sei die Situation so schlimm gewesen, dass der Leiter der Tourismusbehörde die Besucher aufforderte, die Strände Cornwalls ganz zu meiden.

Amsterdam, Niederlande

Foto: APA/AFP/ANP/RAMON VAN FLYMEN

Ein weiterer Overtourism-Hotspot, der in der Vergangenheit immer wieder für Schlagzeilen sorgte, ist Amsterdam. 17 Millionen Menschen besuchen die Stadt jährlich, rechnet "Fodors" vor: Das entspricht der Einwohnerzahl der Niederlande. Der Leidensdruck war so groß, dass das niederländische Fremdenverkehrsamt im Jahr 2019 seine Marketingstrategie angepasst hat – von der Destinationsförderung zum Destinationsmanagement. In einem Zehn-Jahres-Plan mit dem Titel "Perspektive 2030" verspricht die Organisation, "unterschiedliche Besucher zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedliche Gebiete zu locken" und die Anwohnerinnen und Anwohner in den Mittelpunkt zu stellen.

Thailand

Thailand, das 2019 fast 40 Millionen Besucherinnen und Besucher verzeichnete, möchte weg vom Massentourismus. Nicht zuletzt, weil man während des pandemiebedingten Ausbleibens der Touristen gesehen hat, welche positiven Auswirkungen diese Zwangspause auf die thailändischen Naturparks hatte. Der Minister für natürliche Ressourcen und Umwelt, Varawut Silpa-archa, habe daher angeordnet, dass jeder Park jedes Jahr für mindestens einen Monat geschlossen werden soll, wie "Fodors" berichtet.

Das beliebte Ausflugsziel Maya Bay auf Phi Phi Leh – berühmt geworden durch den Film "The Beach" mit Leonardo DiCaprio – musste 2018 aufgrund schwerer ökologischer Schäden, die durch die fast 3.000 täglichen Besucher und ankernden Boote verursacht wurden, geschlossen werden. Nach einer dreieinhalbjährigen Unterbrechung wurde die Bucht auf Koh Phi Phi mit einem Badeverbot, einer Umleitung der Boote in den hinteren Teil der Insel und einer Obergrenze von 380 Touristen pro Stunde wiedereröffnet. Als jedoch im April 2022 während des thailändischen Songkran-Wochenendes die Touristen in Massen kamen, wurde "The Beach" wieder für zwei Monate gesperrt.

Maui, Hawaii

Kreuzfahrtschiff vor Maui.
Foto: imago images/Design Pics/David Hoffmann Photography

Der Zugang zu Süßwasser kann für die Inselbewohner oft eine Herausforderung sein. Auf Bali verbraucht der Tourismus 65 Prozent der Wasservorräte, während er auf den karibischen und hawaiianischen Inseln den größten Anteil am Wasserverbrauch hat. Ein besonders auffälliger Fall ist Maui. Im vergangenen Sommer hat Maui den Bewohnerinnen und Bewohnern von West-Maui und den Gemeinden im Landesinneren Wasserbeschränkungen auferlegt und eine saftige Geldstrafe von 500 Dollar für den nicht unbedingt notwendigen Wasserverbrauch verhängt, z. B. für die Rasenbewässerung und das Autowaschen, um die Trockenheit zu bekämpfen, liest man. Ausgenommen von diesem Sparzwang waren allerdings die Resorts in Süd- und Zentral-Maui, von denen viele über Pools, weitläufige Rasenflächen und Golfplätze verfügen. Das führt verständlicherweise zu Konflikten. "Fodors" zitiert einen Tweet der ehemaligen Repräsentantin des Bundesstaates Hawaii und gebürtigen Hawaiianerin, Kaniela Ing. Sie twitterte: "Kommt nicht mehr nach Hawaii. Sie behandeln uns wie Bürger zweiter Klasse und schneiden uns buchstäblich von der Wasserversorgung ab, um den Overtourism zu fördern."

Südeuropa

Geringe Niederschläge im vorangegangenen Winter, gefolgt von rekordverdächtigen Temperaturen, führten zu einer Trockenheit, von der 65 Prozent der Fläche Europas betroffen waren, rechnet man bei "Fodors" vor. Die Folgen: Niedrige Wasserstände auf Rhein und Donau beeinträchtigten die milliardenschwere Flusskreuzfahrtindustrie und den Transport von Waren und Gütern. Spaniens Wasserreservoirs waren Ende Juli zu 40 Prozent gefüllt. Im Oktober 2022 lag die Kapazität von Viñuela, dem Hauptreservoir des beliebten Touristenziels Málaga, bei elf Prozent und damit auf dem niedrigsten Stand aller Zeiten. Einige norditalienische Provinzen haben fast kein Wasser mehr für den Anbau von Nahrungsmitteln. In Griechenland haben die Inseln, die auf Wasserimporte angewiesen sind, Schwierigkeiten, die Bedürfnisse der Inselbewohner und der Landwirtschaft mit der Nachfrage der Touristen in den Sommermonaten in Einklang zu bringen.

Der amerikanische Westen

In den USA hat eine andauernde Dürre zu einem drastischen Schrumpfen der Reservoirs des Lake Powell und des Lake Mead am Colorado River geführt. Dies habe schwerwiegende Auswirkungen auf 40 Millionen Menschen in mehreren südwestlichen Bundesstaaten, die auf das Wasser als Trinkwasser, für die Landwirtschaft und den Tourismus angewiesen seien, schreibt Reisemagazin. Arizona und Nevada müssten ab Januar 2023 mit Wasserkürzungen rechnen. "Wenn der Pegel des Lake Mead, des größten Stausees des Landes, unter 895 Fuß (rund 292 Meter) sinkt, gilt er als 'totes Becken'", liest man. Die Folge: Die Stromgewinnung aus Wasserkraft werde beeinträchtigt. Fast 1,3 Millionen Menschen in Kalifornien, Arizona und Nevada sind auf diese Energie angewiesen.

Wanderer am Virgin River.
Foto: AFP/GEORGE FREY

"Fodors" bringt noch ein weiteres Beispiel: In Utah sei der wachsende Tourismussektor für den höchsten Pro-Kopf-Wasserverbrauch des Landes verantwortlich. Im Jahr 2020 lag der Wasserverbrauch im Bezirk Washington, in dem der Zion-Nationalpark und die Stadt St. George liegen, bei 285 Gallonen (rund 1.079 Liter) pro Person und Tag, rechnet man vor: "Dieser Wasserverbrauch ist doppelt so hoch wie der eines durchschnittlichen Einwohners von Las Vegas." Die Rekordhitze und der niedrige Wasserstand des Virgin River hätten aber die Menschen im vergangenen Sommer nicht davon abgehalten, in der beliebten Narrows-Schlucht zu wandern. Da das Wasser langsam zur Neige geht, seien die empfindlichen Wüstenökosysteme und einkommensschwache Familien am meisten betroffen. (red, 6.11.2022)