Thomas Schmid will im U-Ausschuss seine Aussage verweigern. Aber darf er das überhaupt?

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Thomas Schmids Auftritt im U-Ausschuss wurde mit Spannung erwartet – und sorgte gleich zu Beginn der Befragungen am Donnerstag für eine Überraschung. Schmid, Schlüsselfigur der Causa Inserate/Umfragen und vieler anderer ÖVP-Affären, will im Untersuchungsausschuss nicht aussagen. Das machte der mögliche Kronzeuge gleich in seinem Eingangsstatement unmissverständlich klar.

Im U-Ausschuss sorgte das für heftige Debatten. Nach einer Besprechung betonte die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ), die am Donnerstag den Vorsitz führt, dass je nach Frage eine "Einzelfallprüfung" vorgenommen werde, ob die Verweigerung der Aussage gerechtfertigt ist.

Als Schmid dann gleich bei den ersten Fragen zum sogenannten Beinschab-Tool nicht antworten wollte, beantragte der Ausschuss eine Beugestrafe beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Schmid beharrte jedoch darauf, dass er eine andere Rechtsansicht vertritt. Seine Einvernahmen bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) seien noch nicht abgeschlossen, er werde daher generell nicht antworten.

Aber wovon hängt es nun ab, ob Schmid die Aussage verweigern darf oder nicht? Darf er sich im Ausschuss entschlagen? Oder muss er aussagen, weil er bereits ein Geständnis abgelegt hat und Kronzeuge werden will?

Dazu eines vorweg: Mit der Befragung Schmids wird – wie so oft in der Inseratenaffäre – einmal mehr juristisches Neuland betreten. Viele der entscheidenden Fragen sind ungeklärt und müssen letztlich von Höchstgerichten beantwortet werden.

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Unterschiedliche Standpunkte

Das Parlament vertritt in Sachen Aussageverweigerung eine Rechtsansicht, die sich an der Einvernahme in Strafprozessen orientiert. Beschuldigte haben dort bekanntermaßen das Recht, ihre Aussage zu verweigern. Juristinnen und Juristen sprechen dabei vom Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung.

Im Strafprozess gibt es aber eine Ausnahme von dieser Regelung: Wer bereits ein Geständnis abgelegt hat – und das ist bei Schmid der Fall –, muss zumindest über jene Dinge aussagen, die von diesem Geständnis erfasst sind. Für Schmid heißt das laut Parlament: Er muss im Ausschuss alle Fragen beantworten, die sich auf Dinge beziehen, die er gegenüber der Staatsanwaltschaft schon gestanden hat.

Begründet wird das mit der Formulierung der Verfahrensordnung: Dort steht, dass eine Auskunftsperson die Aussage verweigern darf, wenn sie sich dadurch der "Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung" aussetzen würde. Wer bereits ein Geständnis abgelegt hat, könne sich – so die Argumentation – jedoch nicht mehr der "Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung" aussetzen, weil diese Gefahr ohnehin bereits verwirklicht ist.

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Gerichte müssen entscheiden

Für Einvernahmen in Strafprozessen wurde die Frage, ob geständige Beschuldigte aussagen müssen, bereits höchstgerichtlich geklärt und später im Gesetz präzisiert. Seither ist klargestellt, dass das Recht, die Aussage trotz Geständnisses zu verweigern, nur für Tatsachen über die "bisherige Aussage hinaus" besteht.

Für Befragungen im Untersuchungsausschuss steht eine solche Klarstellung aber noch aus – sowohl höchstgerichtlich als auch gesetzlich. Unklar ist also, ob sich die Rechtsprechung und die Gesetzeslage zum Strafprozess auf Befragungen im U-Ausschuss übertragen lässt.

Schmid verneint das: Er beruft sich auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach nicht die Zivilprozess- oder die Strafprozessordnung gelte, sondern die Verfahrensordnung im U-Ausschuss – und die sei eben anders auszulegen. Das betont Schmid auch in einem Pressestatement, das er über seinen Anwalt am Donnerstag veröffentlichte.

Sollte das Bundesverwaltungsgericht eine Beugestrafe verhängen und sich Schmid dagegen wehren, müssten letztlich der Verwaltungsgerichtshof oder der Verfassungsgerichtshof darüber entscheiden. Das juristische Neuland rund um die Inseratenaffäre wäre dann wieder ein Stück weit besser erkundet. (Jakob Pflügl, 3.11.2022)