Der E-Prototyp Zedu-1 reduziert Feinstaub und Mikroplastik direkt beim Fahren. Entwickelt hat ihn das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

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Langsam aber stetig verabschiedet sich der Verbrenner aus dem Verkehr. Zuletzt beschloss die EU, dass Autohersteller ihre CO2-Emissionen bis 2035 um 100 Prozent senken müssen. Ab dann sollen in der EU nur noch Neuwagen verkauft werden, die im Betrieb keine Treibhausgase ausstoßen. Der Beschluss könnte die Verbreitung von Elektroautos in der EU weiter beschleunigen. Schon heute nimmt die Zahl batteriebetriebener Fahrzeuge in der EU zu. Von Juli bis September machten Elektroautos hier knapp zwölf Prozent aller neu zugelassenen Pkw aus. Im Vorjahr fuhren rund 5,5 Millionen E-Autos auf europäischen Straßen.

Sofern sie mit erneuerbarem Strom fahren, sind E-Autos für das Klima eine gute Sache. Auf ihre gesamte Lebenszeit gerechnet verursachen sie im Vergleich zu fossil betriebenen Neuwagen durchschnittlich rund 90 Prozent weniger Treibhausgase. Sie reduzieren den Verkehrslärm sowie Abgase und Stickoxide in der Luft, was der Umwelt und den Menschen zugutekommt. Es bleibt jedoch ein Aber: Feinstaub und Mikroplastik.

Im Gegensatz zum Verbrenner verursachen E-Autos keine Abgase. Durch die Bremsen entsteht aber Feinstaub.
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Abrieb als Problem

Wie in vielen Fahrzeugen sind auch in E-Autos Scheibenbremsen eingebaut. Bremst das Auto, entsteht Abrieb und damit Feinstaub, der in die Luft gelangt. Häufig sind es Feinstpartikel, die in Lunge und Blutkreislauf gelangen können und daher enorm gesundheitsschädlich sind. Laut dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) verursacht Bremsabrieb circa ein Drittel des jährlichen Feinstaubs in Deutschland.

Das zweite Problem: Auch Elektroautos haben Reifen. Wie bei anderen Antrieben nutzen sich diese beim Fahren auf dem Asphalt ab – häufig sogar stärker als bei Verbrennern, da die E-Autos durch die Batterie in der Regel schwerer sind. Als Abrieb entsteht Mikroplastik, das in die Umwelt gelangt. Mittlerweile gilt Reifenabrieb als eine der größten Quellen für Mikroplastik in der Umwelt. In Österreich schätzt eine Studie den Reifenabrieb auf jährlich 2,4 Kilogramm pro Person – ein Vielfaches von dem Mikroplastik, das etwa über Kosmetik in die Umwelt gelangt.

Filtersysteme sollen helfen

Forschung und Industrie arbeiten deshalb an Lösungen, wie sich Feinstaub und Mikroplastik bei E-Autos künftig reduzieren lassen. Mehrere Automobilzulieferer bieten bereits Filtersysteme, um den Bremsabrieb direkt an der Quelle abzufangen. Firmen aus Frankreich und Deutschland bieten sogenannte Bremsstaubpartikelfilter an, die den Staub von Bremsbelägen direkt von der Quelle in einen Filter saugen. Der Filter wird dann bei der Inspektion in der Werkstatt gereinigt, so die Idee.

Den Reifenabrieb und damit das Mikroplastik zu vermeiden, gestaltet sich bisher schwieriger. Ideen gibt es: Gemeinsam mit Projektpartnern entwickelte die Technische Universität Berlin einen Sedimentfilter für Straßenabläufe. Der Filter fängt Reifenabrieb und anderen Schmutz direkt am Gully ab, bevor ihn das Regenwasser in die Kanalisation schwemmt. Offen bleibt, was mit Reifenabrieb passiert, der durch die Luft in die Umwelt gelangt und nicht von dem Filter aufgenommen werden kann.

Forschende der TU Berlin haben einen Filter entwickelt, der Reifenabrieb direkt am Gully abfangen soll.
Foto: Imago / Anja Cord

Reifen aus nachhaltigem Material denkbar

Manche Reifenhersteller versuchen das Problem daher direkt an den Reifen anzugehen. Sie prüfen Möglichkeiten, die Reifen aus Kunststoff durch nachhaltigere Materialien zu ersetzen. Denkbar sind etwa Löwenzahn oder die mexikanische Gummipflanze Guayule. Die Pflanzen bergen Latexsaft, aus dem theoretisch Autoreifen hergestellt werden können.

Solche Ersatzstoffe sind bisher aber noch nicht weit verbreitet. Unklar bleibt, wie gut sie sich recyceln lassen. Zudem würde der Einsatz von Nutzpflanzen in großem Stil auch große Anbauflächen benötigen. Viele Hersteller rechnen nicht damit, dass es vor 2050 Reifen aus komplett erneuerbaren, recyclebaren und biologischen Materialien geben wird.

Ingenieure entwickeln emissionsarmen Prototypen

Die Forschung arbeitet deshalb daran, das Problem doch am Fahrzeug zu lösen. Das DLR präsentierte heuer im September den Prototypen Zedu-1, kurz für "Zero Emission Drive Unit, Generation 1" – ein eigens gebautes Elektroauto, das fast ohne Feinstaub und Reifenabrieb auskommt. Die Reifen des E-Autos sind jeweils von Gehäusen ummantelt und aerodynamisch so ausgelegt, dass beim Fahren ein Unterdruck entsteht. Dadurch sammelt sich der Reifenabrieb an einer Stelle, wird abgesaugt und gefiltert. Was das Fahrzeug verlässt, ist gereinigte Luft, so das DLR.

Die Reifen von Zedu-1 sind mit Gehäusen ummantelt. Durch einen Unterdruck sammelt sich darin der Reifenabrieb, der dann gefiltert wird.
Foto: DLR

Mit dem Bremsabrieb geht das Entwicklungsteam auf ähnliche Weise um. Statt der klassischen Scheibenbremse direkt im Radkasten hat das Fahrzeug eine mechanische Lamellenbremse direkt am Elektromotor. Der Abrieb dieser speziellen Bremse landet in einem Ölbad, das laufend durch einen Filter gepumpt und gereinigt wird.

Erste Tests fielen positiv aus. Der Bremsabrieb lässt sich laut DLR komplett vermeiden. Den Reifenabrieb konnten sie bei Geschwindigkeiten von 50 Kilometern pro Stunde komplett vermeiden. Bei höheren Geschwindigkeiten lassen sich bisher 70 bis 80 Prozent des Reifenabriebs vermeiden.

Technisch gesehen kann das Konzept laut den Entwicklern problemlos auf serienmäßige Pkws und Nutzfahrzeuge übertragen werden. "Die Lamellenbremse könnte man morgen in einem Fahrzeug einsetzen", sagt Franz Philipps, Projektleiter von Zedu-1, im STANDARD-Gespräch. Das DLR will die Technik nun mit der Industrie weiterentwickeln.

EU senkt Grenzwerte für Feinstaub

Wenn sich der Abgasdunst aus Verbrennern weiter lichtet, könnte das Augenmerk der EU künftig stärker auf das Thema Feinstaub und Mikroplastik bei Elektroautos gerichtet sein. Denn die EU möchte nicht nur ihre Klimaziele erreichen, sondern auch die Luftverschmutzung reduzieren. Schon heute ist diese laut EU-Kommission für rund 300.000 vorzeitige Todesfälle verantwortlich.

Bis 2030 will die Kommission die Feinstaubemissionen halbieren, so der Plan. Mit strengeren Grenzwerten könnten Konzepte wie Zedu-1 verstärkt nachgefragt werden. "Man wird die Grenzwerte für Feinstaub von einer EU-Norm zur nächsten senken. Je mehr man sie senkt, desto mehr werden solche Technologien angesagt sein", so Philipps.

Andere Probleme bleiben

Auch wenn alle Autos elektrisch fahren würden und dabei keinen Feinstaub und kein Mikroplastik produzieren: Andere Probleme für die Umwelt bleiben. Die Herstellung von E-Autos verbraucht Rohstoffe, die häufig auf Kosten von Mensch und Umwelt abgebaut werden. Die Batterien zu entsorgen oder zu recyceln, ist bisher meist aufwändig und teuer.

Nicht zuletzt verbrauchen auch Elektroautos Platz auf den Straßen und in den Städten. Staus und Verkehrsunfälle bleiben. Für die Mobilitätswende braucht es laut Fachleuten und Umweltverbänden daher ein Umdenken, wie Menschen sich im Alltag fortbewegen – und weniger Autos auf den Straßen. (Florian Koch, 13.11.22)