Auch bei politischen Veranstaltungen spielt Tiktok eine immer wichtigere Rolle – was wie ausgespielt wird, bestimmt der Algorithmus.

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Die Katze ist aus dem Sack. Tiktok gibt in Form seiner "Privacy-Sprecherin" Elaine Fox bekannt, dass Daten europäischer Tiktok-Nutzer auch intern an Kolleginnen aus den USA, Israel, Brasilien und natürlich China weitergeben werden. Wenn man weiß, wie eng das chinesische Unternehmen hinter Tiktok, Bytedance, mit der Regierung des Landes verwoben ist, dann sind die Bedenken der Vergangenheit nun Gewissheit. Die vorwiegend jugendliche Zielgruppe dient als Datenlieferant. Warum das gefährlich ist? Tiktok kann dank seines "Wunder-Algorithmus" sehr gezielt Inhalte an seine Nutzerinnen und Nutzer ausspielen: auch politische.

Oida, taunz

Am 2. Dezember werden die Datenschutzbestimmungen der Videoplattform Tiktok angepasst. Der mit rund einer Milliarde Nutzerinnen amtierende Social-Media-König lässt in diesem "Update" wissen, dass man den Datentransfer in andere Länder künftig benötige, um als Plattform "konsistent, angenehm und sicher" bleiben zu können. Dabei geht es dem Unternehmen sicher nicht primär darum zu wissen, welchen Tanz die Jugend aktuell am witzigsten findet, aber allein der Ausbau in Sachen Reichweite und Relevanz bei dieser noch sehr beeinflussbaren Zielgruppe lohnt jegliche Bemühung, noch mehr über Nutzer X und Nutzerin Y zu wissen.

Immer wieder belegen Studien die Verbreitung von Fake-Wahlinformationen auf Tiktok, und auch rechte Propaganda hat auf der Plattform ein Zuhause gefunden. Hinzu kommt der Trend, dass die Videoplattform von Jugendlichen immer mehr als Nachrichtenquelle genutzt wird und klassische Medien damit ersetzt. Der Einfluss von Tiktok in Bezug auf politische Bildung und Meinungsmache wächst damit nachgewiesenermaßen.

Tiktoks Umgang mit den Daten seiner Nutzerinnen und Nutzer hat bereits wiederholt für Aufregung gesorgt. So musste die Firma hinter der Video-App rund 75 Millionen Euro Entschädigung zahlen, weil man gegen geltende Datenschutzbestimmungen verstoßen hat. Es wurden etwa Gesichtsdaten Minderjähriger gesammelt und Daten ungefragt zum Training von KI-Systemen genutzt. Tiktok will alles über seine Kunden wissen, verlangt Zugriff auf Kontakte und das generelle Nutzerverhalten inklusive GPS-Daten.

Perfekte Unterhaltung

Mit den damit erstellten Profilen kann wunderbar die junge Zielgruppe mit Werbung und gewünschten Inhalten torpediert werden. Die Schnelligkeit und das schnelle Lernen des Algorithmus sind schließlich die großen Stärken der App. Zweimal etwas weggewischt, was einen nicht interessiert und einmal länger an einem Video drangeblieben, schon justiert die KI in der App nach, wie man die Nutzerinnen besser bespaßen kann. Wer es schon einmal ausprobiert hat, wird das bestätigen können. Lustige Kochvideos, tanzende Teenager, aber auch unkommentierte Gewaltszenen aus Krisengebieten gleiten in einer endlosen Schlaufe an einem vorbei.

Man fühlt sich informiert, was da draußen so alles passiert, und wird parallel dazu unterhalten. Alles ideal für kurze Verschnaufpausen perfekt aufbereitet, aber auch inhaltlich so dick befüllt, dass man Stunden darin versenken kann. Dass die Daten damit direkt nach China – und somit auch zu dessen Machthabern – gehen, dürfte den wenigsten bewusst sein.

Weiter online

Die neue Offenheit von Bytedance wird nichts am Erfolg der App verändern. Datenschutz interessiert die meisten Menschen nicht. Vor allem Jugendliche haben oft die Einstellung, es sei eh alles schon über sie im Netz – wozu also auf die hippste App im Netz verzichten? Wer Tiktok nutzt, muss wissen, dass nichts im Netz kostenlos ist. Wer im Netz kein Geld einwirft, der zahlt zumeist mit seinem Nutzungsverhalten oder mehr. Das ist im Falle von Erwachsenen wohl jedem selbst überlassen. Unsere Jugend sollten wir aber schützen oder ihr zumindest einmal mehr erklären, warum Tiktok nicht nur lustiger Zeitvertreib ist, sondern speziell inhaltlich immer kritisch konsumiert werden sollte – oder am besten gar nicht. (Alexander Amon, 3.11.2022)