Die Wolke, aufgenommen rund 50 Minuten nach Beginn des Ausbruchs.

Simon Proud / Uni Oxford, RALSpace NCEO / Japan Meteorological Agency

Die Explosion, die sich am 15. Jänner dieses Jahres in Tonga im Südpazifik ereignete, war die mit Abstand stärkste im 21. Jahrhundert. Die Eruption des Hunga Tonga-Hunga Ha'apai nahe der unbewohnten Doppelinsel gleichen Namens, die dabei zu 90 Prozent zerstört wurde, richtete zum Glück verhältnismäßig wenig Schaden an. Das ist umso verwunderlicher angesichts dessen, was die Wissenschaft vermehrt über die Dimensionen der Explosion zutage fördert.

Die unmittelbaren Zerstörungen durch die Eruption, die in einer Tiefe von etwa 300 Metern unter dem Meeresspiegel begann, blieben aufgrund der Abgeschiedenheit der Region zwar vergleichsweise gering: Die Weltbank schätzte den Schaden auf umgerechnet rund 80 Millionen Euro, tausende Menschen wurden durch Tsunamis obdachlos, und zumindest drei Personen kamen ums Leben. Doch die geophysikalischen Dimensionen des Ausbruchs des Hunga Tonga-Hunga Ha'apai waren einzigartig und sorgten für etliche Superlative.

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Größte Wassermenge, lautester Knall

So ermittelten Fachleute, dass keine bisher beobachtete Eruption mehr Wasser in die trockene Stratosphäre geschleudert hatte als dieser Vulkanausbruch. Das hat leider ungünstige Folgen für den Klimawandel. Denn während normalerweise große Vulkanaschewolken für eine Abkühlung des Klimas sorgen (wie etwa die des Pinatubo), führt Wasser in der Stratosphäre zu zusätzlicher Erwärmung.

Der Knall bei der Explosion war zudem einer der lautesten, die jemals registriert wurden – jedenfalls von modernen Messgeräten. Diese stärkste je gemessene Schockwelle war so gewaltig, dass sich die Schallwellen dreimal rund um die Erde ausbreiteten und dabei mehrmals für messbare Luftdruckschwankungen rund um den Planeten sorgten.

Rekorde für eine Wolke

Ein anderer Superlativ des Ausbruchs war die Höhe der Wolke, die nun noch einmal von einem internationalen Team nachgemessen wurde. Wie die Forscher um Atmosphären- und Klimaforscher Simon Proud (Universität Oxford, RAL Space und Nationales Zentrum für Erdbeobachtung) im Fachblatt "Science" schreiben, erreichte die Wolke an ihrem höchsten Punkt eine Höhe von 57 Kilometern. Dies ist deutlich höher als die bisherigen Rekordhalter.

Zum Vergleich: Der Ausbruch des Mount Pinatubo 1991 auf den Philippinen erreichte an seinem höchsten Punkt 40 Kilometer und der Ausbruch des El Chichón 1982 in Mexiko 31 Kilometer. Stratosphärenspringer Felix Baumgartner wiederum stürzte sich 2012 "nur" aus 39 Kilometern in die Tiefe. Sein Nachfolger Robert Alan Eustace, ein US-Manager, erreichte 2014 immerhin 41 Kilometer und löschte ohne viel Medientamtam etliche von Baumgartners Rekorden aus.

Schwierigkeit der Vermessung

Doch wieder zurück zur Rekordwolke des Vulkans, deren Höhe auch schon von der Nasa relativ bald nach dem naturgewaltigen Ereignis mit bis zu 58 Kilometern angegeben worden war. Deren Vermessung ist nämlich alles andere als trivial. Normalerweise kann die Höhe einer Vulkanfahne geschätzt werden, indem man die von Infrarotsatelliten aufgezeichnete Temperatur an der Spitze misst und diese mit einem Profil der Durchschnittstemperaturen je nach Höhe vergleicht.

Der Grund dafür ist, dass die Temperatur in der Troposphäre, also der ersten und untersten Schicht der Erdatmosphäre, mit der Höhe abnimmt. Wenn die Eruption jedoch so gewaltig ist, dass die Wolke bis in die nächste Atmosphärenschicht – also die Stratosphäre – vordringt, wird diese Methode ungenau, da die Temperatur mit der Höhe wieder ansteigt. Das liegt an der Ozonschicht, die die ultraviolette Sonnenstrahlung absorbiert.

Erstmals bis in die Mesosphäre

Um dieses Problem zu lösen, verwendeten die Forscher um Simon Proud (Uni Oxford) für ihre Untersuchung eine neue Methode, die auf dem Parallaxeneffekt beruht. Dabei handelt es sich um den scheinbaren Unterschied in der Position eines Objekts, wenn es aus verschiedenen Blickrichtungen betrachtet wird.

Der Standort des Vulkans in Tonga wird von drei geostationären Wettersatelliten erfasst, sodass die Forscher den Parallaxeneffekt auf die von ihnen aufgenommenen Luftbilder anwenden konnten. Entscheidend ist, dass die Satelliten während des Ausbruchs selbst alle zehn Minuten Bilder aufnahmen, sodass die raschen Veränderungen in der Flugbahn der Wolke dokumentiert werden konnten.

Durch den Vergleich dieser Bilder ermittelten die Fachleute die ziemlich exakte Höhe von 57 Kilometern. Das bedeutet zugleich, dass die Asche- und Wasserwolke des Hunga Tonga-Hunga Ha'apai als erste je beobachtete die Mesosphäre erreichte, die in etwa 50 Kilometer Höhe über der Erdoberfläche beginnt – und auch in diese erstmals Material einbrachte. (Klaus Taschwer, 4.11.2022)