Der Frauenmörder Moosbrugger (Ferdinand Nagele) umkreist sein Gegenüber (Walter Ofner sitzend am Portativ).

Studio Mahlerstraße / Fabian Rettenbacher

Wien – In den Kellergewölben der Mahlerstraße fünf unweit der Wiener Staatsoper lagern weder Wein noch Obst, sondern stehen Konzertflügel und Fauteuils, Sessel, Tische und alte Projektoren verteilt auf mehrere Räume, als wäre es das Cabaret Voltaire. Unter den hoch aufragenden Rundbögen entwickeln junge Künstlerinnen und Künstler seit zwei Jahren einen multidisziplinären Ort, eine Ideenwerkstatt für mehrere Sparten, vom Radiosender bis zum Fotostudio. Das Kulturamt weiß noch nichts davon. Das Konzept befinde sich noch im Werden, so einer der Initiatoren, Filmemacher Philipp Rirsch.

In den weitverzweigten und früher angeblich als Pferdestallungen genutzten Katakomben gastiert zum Start der Kunstverein Griessner Stadl mit dem von ihm 2021 uraufgeführten Frauenmördermonolog Moosbrugger will nichts von sich wissen von Elfriede Jelinek. Die Autorin selbst gab dafür die Erlaubnis, nachdem Griessner-Stadl-Betreiber und Schauspieler Ferdinand Nagele den im Nobelpreisjahr 2004 verfassten Text wiederentdeckt hatte.

Land und Stadt verbinden

Folglich: Der Griessner-Stadl ist nicht von schlechten Eltern. Was ein wenig nach ruraler Hüttengaudi klingt, kooperiert mit den Münchner Kammerspielen und gastiert demnächst mit einer eigenen Performance bei der Biennale in Venedig. Seit 2015 betreiben Ferdinand Nagele und Anita Winkler den Kunstverein im steirischen Stadl an der Mur. Sie haben inzwischen mehrere Eigenproduktionen gestemmt, sind wichtiger Koproduktionspartner und zu einem kulturellen Leuchtturm außerhalb der Zentren gewachsen. Obendrein haben sie Jonathan Meese das Gendern gelehrt: "Kunst ist Chefin"!

In Moosbrugger (angelehnt an die gleichnamige Musil-Figur) spricht ein gnadenbedürftiger Mann und Frauenmörder zum Publikum. Durch dieses schreitet er (Nagele) in Martin Kreidts Regie auf der mittigen Spielfläche selbstbewusst und feierlich im Existenzialistenschwarz hindurch und referiert inklusive der Jelinek’schen Sprachfallen nüchtern seine Taten ("Man muss schon da sein, wenn die Tat einen lockt").

Miniaturorgel

Weihevoll sinniert er von sich als Zimmermann und seinen Nagelkünsten, die man zwingend im sexuellen Sinn lesen muss. Und bewegt sich immer wieder auf sein stumm bleibendes Gegenüber zu. Nicht ganz: Es tönt. Diese Stelle des Opfers markiert Walter Ofner am Portativ, einer Miniaturorgel, die über ihre 26 Pfeifen erhebende Töne freisetzt und dem Text Einhalt gebietet wie Nachhall. Eine exzellente Darbietung. (Margarete Affenzeller, 4.11.2022)