Verständnis für Schmids Aussageverweigerung – aber juristische Zweifel hat Verfassungsrechtler Michael Rami bei Martin Thür.

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Da kommt ein Verfassungsrichter in die "ZiB 2" – und verweigert die Aussage. Ein treffender Schlussgag des Rechtsanwalts und Höchstrichters Michael Rami für ein Gespräch über die durchgängige Aussageverweigerung von Thomas Schmid im ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss am Donnerstag.

"Gewisses Verständnis" für Schmid

Rami hat ein "gewisses Verständnis" für Schmids vieldutzendfache Verweigerung im U-Ausschuss. Der langjährige Strippenzieher in der Kurz-ÖVP und Vielchatter Schmid habe schließlich ein "massives Strafverfahren" am Hals.

Medienrechtsexperte Rami "kann verstehen", dass mehrere Dutzend Aussageverweigerungen "seltsam rüberkommen" – selbst auf Fragen, ob Schmid ÖVP-Mitglied ist oder ob das seine Unterschrift unter seiner Aussage bei der WKStA ist.

Und Rami versteht ebenso, dass Schmid erst dieses Strafverfahren hinter sich bringen will, bevor er zum selben Thema unter Wahrheitspflicht in einem U-Ausschuss aussagt.

Verständnis ist keine juristische Kategorie

Aber Verständnis – selbst eines Verfassungsrichters – ist keine juristische Kategorie: Das Gesetz sei hier nicht klar geregelt, sagt Rami. Aber es spreche eher mehr dafür, dass ein Entschlagungsrecht nicht greift.

Der Oberste Gerichtshof habe das schon vor einem Vierteljahrhundert für die Strafprozessordnung festgehalten. Doch beim U-Ausschuss hat nicht der OGH, sondern der Verwaltungsgerichtshof das letzte Wort – und der hatte bisher keine Gelegenheit, es zu ergreifen.

Schwierige Entscheidung in "Stresssituation der Einvernahme"

Im Studio und als nicht Betroffener lasse sich leicht sagen: Wo Schmid gestanden hat, müsse er wohl im U-Ausschuss aussagen, wo er noch nicht gestanden hat, könne er die Aussage verweigern. In der Praxis aber sei das für Zeugen sehr schwierig zu trennen – bei "oft sehr komplexen, sehr umfassenden, sehr ausgreifenden" Fragen "in der Stresssituation der Einvernahme" schnell überlegen zu müssen, ob man hier nun ein Verweigerungsrecht habe oder nicht. Daher Ramis "gewisses Verständnis, dass er entschieden hat, ich verweigere generell die Aussage".

1.000 Euro

Ebenfalls nicht klar geregelt ist laut Rami, ob nun die Beugestrafe von bis zu 1.000 Euro für die gesamte Aussage – die Bezeichnung steht im Gesetz – gilt oder für die verweigerte Aussage zu jeder einzelnen Frage – das wären dann bei drei Dutzend unbeantworteten Ausschussfragen 36.000 Euro.

Aber: Wenn für Nichterscheinen 5.000, bei Wiederholung maximal 10.000 Euro vorgesehen seien, spreche das eher für 1.000 Euro insgesamt, sagt Rami.

Martin Thür verhängt keine Beugestrafe

Und dann verweigert der Höchstrichter und Rechtsanwalt noch selbst die Aussage in der "ZiB 2". Rami hat die Vertretung der FPÖ nach vielen Jahren zurückgelegt, als er 2018 – während der ÖVP-FPÖ-Koalition vom Bundesrat nominiert – ins Höchstgericht entsandt wurde. Was hält Rami davon, dass Anwalt Werner Suppan stellvertretendes Mitglied des Verfassungsgerichtshofs sei und zugleich Altkanzler Sebastian Kurz, Ex-Finanzminister Gernot Blümel, Ex-Finanzminister Hartwig Löger und die ÖVP vertritt? "Ist das vertretbar?", fragt Thür.

Rami: "Verfassungsgerichtshof ist eine öffentliche Aufgabe, dazu sage ich nie etwas in der Öffentlichkeit, daher möchte ich hier die Aussage verweigern."

"Beugestrafe gibt's keine", verabschiedet sich Thür.

Zum Nachsehen: Michael Rami in der "ZiB 2" über Thomas Schmids Verweigerungsserie.
ORF

(Harald Fidler, 4.11.2022)