Spätestens ab 2024 kann der Personalbedarf in der Pflege nicht mehr mit österreichischen Absolventinnen und Absolventen gedeckt werden. Das ergibt sich aus der Pflegepersonal-Bedarfsprognose für Österreich aus dem Jahr 2019.

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Wien – Der Personalbedarf in der Pflege wird in den nächsten zehn Jahren steigen. Die Bundesregierung hat deshalb im Rahmen ihrer Pflegereform ein Personalpaket beschlossen. Darin finden sich Maßnahmen wie Ausbildungszuschüsse und Weiterbildungsmöglichkeiten. Das Hilfswerk Österreich hält das Paket allerdings für unzureichend: Die Organisation warnt vor einem Mangel an Praktikumsplätzen und Ausbildenden in der Pflege sowie vor einer zu komplizierten Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland.

Das Hilfswerk fordert eine schnellere Umsetzung der bereits beschlossenen Reform und darüber hinaus weitere Maßnahmen. "Pflege darf auch in Krisenzeiten kein Randthema sein", sagt Othmar Karas, Vizepräsident des Europäischen Parlaments, ÖVP-Politiker und Präsident des Hilfswerks Österreich. Er kritisiert die "zu langsam" vorangehende Ausbildungsreform und die mangelnde Weiterentwicklung des Versorgungsangebots – etwa für Menschen mit Demenz.

Das akute Problem sei: Es gebe nicht genügend Praktikumsplätze – und auch nicht genug Personal, das Praktikanten überhaupt ausbilden könnte. Deshalb sei es den meisten Verbänden nur möglich, einen Teil der Auszubildenden aufzunehmen, die ein Praktikum suchen. Dahingehend fordert das Hilfswerk die Schaffung einer Datenbank, um mehr Überblick zu bekommen. Zusätzlich brauche es mehr Ressourcen und mehr Geld.

600 Euro für Auszubildende

Aber was hat der Nationalrat eigentlich bisher beschlossen? Ein kurzer Überblick:

  • Auszubildende verschiedener Bildungswege erhalten einen Zuschuss von 600 Euro im Monat für die Dauer ihrer Ausbildung und Praktika. Die Maßnahme ist seit September in Kraft.

  • Berufswechselnden wird vom Arbeitsmarktservice (AMS) ein Pflegestipendium von 1.400 Euro monatlich zur Verfügung gestellt. Geplant ist die Vergabe von 1.000 Stipendien ab Jänner 2023.

  • Ab Herbst 2023 soll es berufsbildende mittlere und höhere Schulen mit den Schwerpunkten Gesundheit, Soziales und Pflege geben. Ab 2024 soll es auch Lehren als Einstieg in Pflegeassistenzberufe geben.

  • Geplant sind auch Verbesserungen für Fachkräfte beim Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Card bezüglich Alterseinschränkungen und Sprachkenntnissen. Hier gibt es allerdings noch keine Details.

Österreich brauche mehr ausländische Fachkräfte

Karas kritisiert außerdem: Österreich ziehe momentan wenige Fachkräfte aus dem Ausland an. Diese müssten für den Erhalt der Rot-Weiß-Rot-Card viele Kriterien erfüllen, "Stolpersteine", wie Karas es nennt. Der Prozess sei für Interessierte aus Drittstaaten zu bürokratisch und langwierig. Außerdem würden im Verfahren hohe Kosten für die Bewerberinnen und Bewerber entstehen, die sie nicht immer stemmen könnten. Es brauche eine Vereinfachung und Modernisierung des Qualifikationsverfahrens, so Elisabeth Anselm, Geschäftsführerin des Hilfswerks.

Ein Vorbild im Anwerben von ausländischen Fachkräften sei Deutschland, sagt Karas. Das Land verfolge seit zehn Jahren eine gezielte Strategie bei der Personalanwerbung – insbesondere aus Drittstaaten. Es gebe Stützpunkte und Erstberatung im Ausland sowie ein Programm für Berufsanerkennung.

Zusätzlich hat Deutschland Kooperationsabkommen mit Ländern wie Bosnien und Herzegowina, Serbien, den Philippinen und Tunesien abgeschlossen. Für Fachkräfte aus den Balkanstaaten gibt es einen vereinfachten Zugang ins Land, eine Jobzusage sei hier ausreichend. Karas fordert ähnliche Maßnahmen auch für Österreich – um dem Personalmangel endlich mehr entgegenzuhalten. (Alara Yılmaz, 4.11.2022)