Bürgermeister Michael Ludwig wird am Samstag als Parteichef die Wiener Konferenz der SPÖ eröffnen.

Kleiner, moderner, interaktiver soll die erste "Wiener Konferenz" der Hauptstadt-SPÖ am Samstag über die Bühne gehen. Erst im vergangenen Mai wurde auf dem Landesparteitag der SPÖ ein Statutenantrag beschlossen, der das wichtigste Gremium der SPÖ in seiner vollen Größe mit rund 1.000 Delegierten nur noch alle zwei Jahre vorsieht. Für die Zeit dazwischen einigte man sich auf eine Sparvariante – die "Wiener Konferenz" mit minimal 400 Delegierten.

Trotz langer Diskussion stimmten die SPÖ-Mitglieder in der Wiener Messe der Verschlankung damals zu. Nun steht das erste Treffen an – rund 400 Personen würden auch tatsächlich teilnehmen, heißt es aus der Partei. "Es werden alle Bezirke und alle Vorfeldorganisationen auch weiterhin dabei sein", heißt es dort: Basis sei die Einladungspolitik des Landesparteitags, lediglich mit einem kleineren Schlüssel pro Gruppierung.

Diskutieren werden die roten Funktionärinnen und Funktionäre über eine "Charta der Demokratie" mit sieben Unterpunkten. Einig dürfte man sich in den meisten davon sein. Für die Forderungen in den Kapiteln Mitbestimmung, Arbeit, Jugend und Bildung, Medien sowie Abstimmungen dürfte ein relativ breiter Konsens herrschen. Diskussionsbedarf gibt es hingegen bei den Themen Staatsbürgerschaft und Wahlrechtsreform.

"Unsere Gesellschaft lebt davon, dass wir sie gemeinsam gestalten. Dieses Prinzip gehört zum Kern der Sozialdemokratie. Unsere Bewegung hat das Wahlrecht für Männer und Frauen erkämpft, genauso wie die gewerkschaftliche Mitbestimmung im Arbeitsleben. Wir ermächtigen die vielen dazu, die Verhältnisse zu verändern", heißt es im Einladungstext der SPÖ. Und weiter: "Dazu muss Teilhabe allen offenstehen. Doch diesem Anspruch wird der österreichische Staat heute nicht zur Gänze gerecht." In vielen Lebensbereichen gebe es Potenzial "für mehr Partizipation". Die wichtigste Frage sei "jene der Staatsbürgerschaft".

SPÖ Wien will "modernes" Staatsbürgerschaftsrecht

Einig ist man sich innerhalb der SPÖ Wien, für ein "modernes" Staatsbürgerschaftsrecht einzutreten. Denn Österreich habe eines der "restriktivsten Einbürgerungsgesetze Europas – und es schließt vor allem finanziell schwächere Gruppen aus", heißt es im Text der Charta. Geht es nach der SPÖ Wien, soll jedes in Österreich geborene Kind automatisch bei Geburt zusätzlich die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen, wenn zumindest ein Elternteil fünf Jahre lang legal im Bundesgebiet aufhältig ist.

Derzeit erhält ein in Österreich geborenes Kind nur dann die Staatsbürgerschaft mit der Geburt, wenn zumindest die Mutter österreichische Staatsbürgerin ist. Sind die Eltern verheiratet, erhält ein Kind auch dann die Staatsbürgerschaft, wenn nur der Vater österreichischer Staatsbürger ist. Anders ist es in vielen EU-Länder: Sind etwa ausländische Eltern über acht Jahre rechtmäßig in Deutschland, erhält das Kind dort bei der Geburt automatisch die Staatsbürgerschaft. In Ländern wie Portugal, Belgien und Irland gilt dasselbe, teils sogar mit kürzeren Fristen.

Außerdem soll die Einbürgerung beschleunigt werden, fordert die SPÖ. Die Mindestaufenthaltsdauer bis zum Anspruch soll von zehn auf maximal fünf Jahre verkürzt werden. Die Staatsbürgerschaft soll allen möglich sein, die in den vergangenen fünf Jahren für zumindest 36 Monate in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen waren.

Uneins bei Doppelstaatsbürgerschaft

Rihab Toumi, die Chefin der Sozialistischen Jugend Wien, setzt sich dafür ein, dass eine Doppelstaatsbürgerschaft möglich ist.
Foto: SPÖ WIEN

Bei der Frage der Doppelstaatsbürgerschaften ist man sich in der Partei aber offensichtlich uneins. Die "Redaktion der Wiener Demokratie-Charta" setzt sich dafür ein, dass es klare, nachvollziehbare Kriterien für Mehrfachstaatsbürgerschaften geben muss. Sie sollen lediglich die Ausnahme sein. Anders sehen das die roten Jugendorganisationen sowie die SPÖ-Leopoldstadt. Sie wollen Doppelstaatsbürgerschaften generell ermöglichen. Beim Erhalt der österreichischen soll die zweite nicht abgelegt werden müssen.

Für viele sei das Ablegen der alten Staatsbürgerschaft "persönlich" mit der eigenen Überzeugung nicht vereinbar, aber das Verbot der Doppelstaatsbürgerschaft sei auch eine "weitere Hürde bei dem Verleih der österreichischen Staatsbürgerschaft", sagt Rihab Toumi, Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Wien (SJ Wien), zum STANDARD. Die Gewährung der Doppelstaatsbürgerschaft sei jedoch "sehr restriktiv", kritisiert Toumi. Auch eine empirische Untersuchung der Stadt Wien aus dem Jahr 2021 bestätigt das und kommt zu dem Schluss, dass vermutlich deutlich mehr Ausländerinnen und Ausländer um die österreichische Staatsbürgerschaft in Wien ansuchen würden, wenn Doppelstaatsbürgerschaften möglich wären.

Diskutieren sollen aber nicht nur die Delegierten. So wird es erstmals in dem neuen Gremium auch Experten geben, die ihre Positionen vor Ort darlegen werden: Politikwissenschafter Gerd Valchars von der Uni Wien argumentiert vor den Genossinnen und Genossen für die Doppelstaatsbürgerschaft, der Jurist und ehemalige Sektionschef im Kanzleramt, Manfred Matzka, dagegen.

SPÖ für Ausländerwahlrecht zumindest im Bezirk

Aufmüpfig ist die rote Jugend auch, was das Wahlrecht betrifft – genau genommen dessen Entkoppelung von der Staatsbürgerschaft. Ein kommunales Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer fordert die SPÖ überall dann, wenn keine gesetzgebenden Körperschaften gewählt werden. In Wien wären das etwa die Bezirksvertretungen – kurzum: Die Partei setzt sich für eine Regelung für Drittstaatsangehörige analog zu jener für EU-Bürgerinnen und Bürger ein. Die dürfen die Bezirksvertretungen nämlich bereits mitbestimmen.

Einen Anlauf gab es diesbezüglich schon unter Rot-Grün I in Wien vor 20 Jahren. 2002 stimmten SPÖ und Grüne dafür, auch Drittstaatsangehörigen das Wahlrecht auf Bezirksebene zu erteilen, die seit fünf Jahren ihren Hauptwohnsitz in der Hauptstadt hatten. Der Verfassungsgerichtshof kippte im Jahr 2004 allerdings dieses Gesetz, weil es verfassungswidrig gewesen sei.

Die Jugendorganisationen hingegen sprechen sich generell für eine Entkopplung von Staatsbürgerschaft und Wahlrecht aus. Menschen, die seit mindestens drei Jahren ihren Lebensmittelpunkt in Österreich haben, sollen das Wahlrecht bekommen, fordern SJ und VSStÖ. Die Junge Generation will das Wahlrecht nach fünf Jahren gewähren. Die SPÖ Alsergrund spricht sich für den Mittelweg aus: Wahlrecht für alle in "einer angemessenen Frist" nach drei bis fünf Jahren.

"Das Wahlrecht darf nicht davon abhängig sein, welche Farbe der Reisepass hat, sondern wie sehr Österreich und Wien der Lebensmittelpunkt der Menschen ist", sagt Toumi. Jede politische Entscheidung würde diese Menschen zwar direkt betreffen, sie dürften aber nicht mitbestimmen, wer die Entscheidungen trifft. Dass der VfGH ein entsprechendes Gesetz bereits gekippt hat, tue nichts zur Sache. "Innerhalb der SPÖ sollten wir als Arbeiterinnenbewegung eine gemeine Vision haben", sagt die Jungfunktionärin.

Rund ein Drittel darf in Wien nicht wählen

Bei der Bundespräsidentenwahl durften rund 1,4 Millionen Menschen im wahlberechtigten Alter nicht abstimmen. Als ausländische Staatsbürger in Österreich hatten diese rund 18 Prozent am 9. Oktober kein Wahlrecht. In Wien ist die Zahl noch höher: Rund ein Drittel der Wohnbevölkerung durfte hier nicht mitbestimmen – das sind mehr als eine halbe Million Menschen. Laut dem Wiener Integrationsmonitor leben 80 Prozent davon seit mehr als fünf Jahren in Österreich, 53 Prozent sogar seit mehr als zehn Jahren. Bei der Wiener Gemeinderatswahl 2020 waren rund 72.000 Junge im Alter zwischen 16 und 24 vom Wahlrecht ausgeschlossen. (ook, 4.11.2022)