Im Gastblog erklärt der Jurist Karl Stückler die steuerlichen Aspekte des Fruchtgenusses anhand von Wohnungen innerhalb der Familie.

Wenn Immobilienbesitz in einer Familie vorhanden ist, besteht im Rahmen der Vermögensnachfolge häufig der Wunsch, das Eigentum an der Immobilie einerseits und die Mieteinkünfte andererseits zwischen Eltern und Kindern aufzuteilen. Das dafür erforderliche Werkzeug der Steuerexpertinnen und Steuerexperten ist das sogenannte Fruchtgenussrecht. Zu beachten ist, dass nicht jede zivilrechtlich mögliche Gestaltung auch steuerrechtlich anerkannt ist.

Fruchtgenussrecht und Abgrenzung zum Wohnrecht

Ein Fruchtgenuss ist das Recht, eine Sache, die jemand anderem gehört, selbst und ohne Einschränkungen zu nutzen. Bei einer Immobilie können zum Beispiel Fruchtgenussberechtigte darin wohnen, sie aber auch an Dritte weitervermieten. Vom Fruchtgenussrecht ist das Wohnrecht zu unterscheiden. Das Wohnrecht erlaubt Wohnberechtigten, bis zum Zeitpunkt des Ablebens die Immobilie zu bewohnen. Im Vergleich zum Fruchtgenussrecht berechtigt ein Wohnrecht allerdings nicht zu einer Vermietung durch Wohnberechtigte.

Fruchtgenussberechtigte können in einer Immobilie wohnen, sie aber auch an Dritte weitervermieten.
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Vorbehaltsfruchtgenuss zur "Pensionsvorsorge" der Eltern

In diesem Fall schenken beispielsweise die Eltern ihren Kindern jeweils eine Immobilie, behalten jedoch die Nutzungsmöglichkeiten vorläufig oder bis zu ihrem Ableben zurück (Vorbehaltsfruchtgenuss). Die Mieteinkünfte werden grundsätzlich weiterhin den Eltern (Miteigentumsgemeinschaft) zugerechnet.

Ein Sonderthema besteht darin, dass die Abschreibung für Abnutzung (AfA) der Immobilie nur von dem wirtschaftlichen Eigentümer oder der wirtschaftlichen Eigentümerin geltend gemacht werden kann. Im konkreten Fall somit vom Kind und nicht von den Eltern. Leisten die Eltern (Miteigentumsgemeinschaft) dem Kind eine Zahlung für eine Substanzabgeltung in Höhe der AfA, ist die Zahlung bei den Eltern (Miteigentumsgemeinschaft) steuerlich abzugsfähig. Das Kind erzielt dadurch in gleicher Höhe eine Einnahme, die der AfA als Ausgabe gegenübersteht.

Für die Geltendmachung der AfA bei der Fruchtgenussbestellerin oder dem Fruchtgenussbesteller ist Voraussetzung, dass die Zahlung einer Substanzabgeltung vereinbart wurde und diese auch tatsächlich geleistet wird.

Es gilt zu beachten, dass für die Übertragung der Immobilie von den Eltern auf ihre Kinder, unabhängig von der Einräumung eines Fruchtgenussrechts, die Grunderwerbsteuer und die Grundbucheintragungsgebühr anfallen.

Zuwendungsfruchtgenuss als "Taschengeld" für die Kinder?

Die Eltern möchten ihren (minderjährigen) Kindern eine Einkunftsquelle (zum Beispiel zur Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht), nicht jedoch die Immobilie selbst übertragen. Dazu müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Die Übertragung der Einkunftsquelle auf das Kind muss für eine gewisse Dauer rechtlich abgesichert sein. Ein Zeitraum von zehn Jahren wird in der Regel als ausreichend angesehen. Zudem ist der Vertrag über die unentgeltliche Einräumung des Fruchtgenussrechts ausreichend publizitätswirksam zu dokumentieren (zum Beispiel Notariatsakt). Die Eintragung des Fruchtgenussrechts im Grundbuch ist für steuerliche Zwecke nicht erforderlich.
  • Die Eltern dürfen das Fruchtgenussrecht nicht einseitig verändern oder dem Kind entziehen. Ebenso wäre es eine schädliche Ausgestaltung, wenn der Fruchtgenussvertrag jederzeit – selbst bei Vereinbarung von Kündigungsfristen – aufgelöst werden kann. Selbiges gilt bei Kündigung durch Eintritt bestimmter Gründe, wenn der Eintritt dieser Gründe durch die Eltern bewirkt werden kann.

Entscheidend für die Zurechnung der Mieteinkünfte an die Kinder ist, dass sie völlig eigenständig über die Immobilien entscheiden können (etwa eigenfinanzierte Baumaßnahmen wie ein Dachgeschoßausbau). Weiters müssen die Kinder die Erhaltungskosten tragen, worunter auch die Betriebskosten zu verstehen sind. Diese werden in der Regel an Mieterinnen und Mieter weitergegeben. Allerdings verbleibt den vermietenden Kindern das Risiko für Betriebskostennachzahlungen, soweit diese bei den Mieterinnen und Mietern nicht einzubringen sind.

Wenn die Kinder, abgesehen von den zugerechneten Mieteinkünften, keine weiteren Einkünfte haben (etwa Schülerinnen und Schüler), zahlen sie für die zugerechneten Miteinkünfte aufgrund des progressiven Steuertarifs keine oder nur eine geringere Einkommensteuer.

Conclusio

Das Fruchtgenussrecht ist ein beliebtes Werkzeug der Steuerexpertinnen und Steuerexperten, um Mieteinkünfte einer anderen Person als der Eigentümerin oder dem Eigentümer der Immobilie steuerlich zuzurechnen. Nicht jede zivilrechtliche Gestaltung ist steuerlich anerkannt. Bei der Ausgestaltung von Fruchtgenussverträgen sind daher die aktuelle steuerliche Judikatur sowie die Erlässe des BMF zu berücksichtigen. (Karl Stückler, 9.11.2022)