Walking-Meetings und Diensträder sparen CO2 und Energie.
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Das bevorzugte Verkehrsmittel von Mark Rutte ist das Fahrrad. Wann immer es sein eng getakteter Terminplan zulässt, radelt der niederländische Ministerpräsident von zu Hause ins Büro. 35.000 Kilometer Radwege verlaufen durch das Land der Windmühlen und Tulpen, am Hauptbahnhof in Utrecht wurde 2019 das größte Fahrradparkhaus der Welt errichtet: eine dreistöckige Tiefgarage mit 12.500 Stellplätzen.

Viele Bürger folgen dem Vorbild des Ministerpräsidenten und radeln zur Arbeit. Klar, der Staat tut viel für nachhaltige Mobilität, und die Topografie mit ihren topfebenen Landschaften tut ihr Übriges. Doch auch in hügeligen Städten steigen immer mehr Angestellte aufs Fahrrad oder E-Bike um – nicht zuletzt, weil das Verkehrsmittel staatlich gefördert wird.

Arbeiten auf dem Fahrrad

So hat Frankreich im vergangenen Jahr eine Kaufprämie für Verbraucher eingeführt, die sich ein neues E-Bike anschaffen und dafür ihr altes Auto verschrotten. Immer mehr Arbeitgeber bezuschussen ein Dienstrad oder übernehmen die vollen Kosten. Das Zweirad ist aber nicht nur der neue Dienstwagen, sondern auch ein veritabler Jobmotor: Allein in London könnten laut einem Bericht der Bicycle Association (BA) in den nächsten Jahren 25.000 neue Fahrradjobs entstehen: Mechaniker, Kuriere, Fremdenführer.

Fahrradtourismus boomt, auf der ganzen Welt bieten Agenturen Touren an – von Bogotá bis Brisbane. Und das schafft Arbeitsplätze. In Österreich sind laut der Studie "Wirtschaftsfaktor Radfahren" 46.000 Menschen in der Radwirtschaft beschäftigt. Dass ausgerechnet ein Gerät, das im 19. Jahrhundert erfunden wurde, zum Vehikel für die ökologische Transformation im 21. Jahrhundert werden könnte, verweist darauf, dass die Zukunft der Arbeit nicht allein in energieintensiven Hightech-Technologien liegt, sondern in Lowtech. Die Rechenzentren, die die Internetwirtschaft am Laufen halten, verbrauchen pro Jahr rund 200 Terawattstunden Strom. Das entspricht etwa einem Prozent des weltweiten Strombedarfs.

Zu viel Rechenlast im Metaverse

Das Metaverse könnte nach Schätzungen von Intel das Tausendfache der aktuell verfügbaren Rechenpower benötigen. Angesichts des globalen Chip- und Rohstoffmangels ist es eher unwahrscheinlich, dass wir in Zukunft in dieser virtuellen 3D-Welt arbeiten werden. Die VR-Plattform Horizon Worlds, die der Facebook-Konzern Meta als Prototyp des Metaverse entwickelt, hat offenbar so viele Bugs, dass die eigenen Mitarbeiter sie kaum nutzen.

Statt virtuelle Konferenzen in ruckeligen 3D-Welten mit Avataren durchzuführen, gehen immer mehr Unternehmen dazu über, sogenannte Walking-Meetings zu organisieren: Man trifft sich mit Kollegen zu einem Spaziergang und bespricht im Gehen wichtige Dinge. Gespräche an der frischen Luft sind nicht nur eine willkommene Abwechslung zum drögen Büroalltag, sondern fördern auch die Kreativität und Gesundheit.

E-Mails fressen nicht nur Strom sondern auch Geld.
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Die Konferenzmarathons während der Pandemie haben die Grenzen digitaler Technologien aufgezeigt. Videokonferenzen können den menschlichen Kontakt nicht ersetzen, und die virtuellen Dinnerpartys wirkten am Ende auch fad. Videokonferenzen, E-Mails und Messengerdienste sind wahre Produktivitätskiller: Sie fressen nicht nur Strom, sondern auch die Aufmerksamkeit der Nutzer.

E-Mail-Flut kostet der Wirtschaft Milliarden

Ständig poppt eine Nachricht auf oder klingelt das Handy, und bis man wieder konzentriert ist, dauert es über eine Minute, so die Schätzung eines Forschers. Die überbordende E-Mail-Flut kostet die US-Wirtschaft schätzungsweise 650 Milliarden Dollar im Jahr. Die französische IT-Firma Atos hat daher schon vor einigen Jahren das E-Mail-Programm für ihre 80.000 Mitarbeiter gesperrt. Die digitale Ablenkung geht inzwischen so weit, dass manche Unternehmen "Offline-Tage" einführen. Auch das zeigt: Der Schlüssel für mehr Konzentration liegt nicht in virtuellen Aufmerksamkeitsassistenten, sondern in einer ökologischen Informationsverarbeitung.

Die U.S. Navy ist bereits vor einigen Jahren bei ihren Schiffen zu Papier und Kompass zurückgekehrt, nachdem Unbekannte GPS-Signale manipuliert und zwei Zerstörer auf Kollisionskurs mit Frachtern geschickt hatten. Die Energiekrise könnte zu einem Revival von Lowtech-Berufen wie Zeichner, Korbhersteller oder Tischler führen. Futuristen träumen von autarken Ökosiedlungen, in denen man sich selbst mit Energie und Lebensmitteln versorgt. Tagsüber ein paar Stunden am solarstrombetriebenen Laptop an Projekten im globalen elektronischen Dorf arbeiten, nachmittags in der Hütte Nutzpflanzen ziehen.

So wie Schriftsteller Henry Thoreau, der im Jahr 1845, als die ersten Telegrafenleitungen und Zugtrassen an der amerikanischen Ostküste verlegt wurden, an den Walden-See zog, um in den Wäldern von Massachusetts ein Einsiedlerleben zu führen. Die Segnungen der Elektrizität hat er nicht mehr erleben dürfen. Wahrscheinlich würde er heute zu Fuß zur Arbeit gehen. (Adrian Lobe, 6.11.2022)