Im Gastblog gibt Rechtsanwältin Theresa Kamp Einblick in die rechtlichen Fragen, die bei einer Scheidung im Hinblick auf den Verbleib in Österreich auftreten können.

Wenn Menschen sich scheiden lassen, birgt das viele Herausforderungen. Abgesehen von den emotionalen oder organisatorischen Folgen, wie Neuordnung, Wohnungssuche und Orientierung, gehen mit einer Scheidung auch rechtliche Herausforderungen einher. Für Menschen, die ihr Aufenthaltsrecht in Österreich durch eine Ehe ableiten, können sich noch ganz andere als familienrechtliche Themen ergeben. Personen, die als "Familienangehörige" in Österreich sind, müssen sich oftmals Gedanken machen, ob es für sie überhaupt die Möglichkeit eines Verbleibs in Österreich nach einer Scheidung gibt.

Niederlassungsrecht von Familienangehörigen

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, wie Menschen nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), als Ehegatte oder Ehegattin ihren Aufenthalt in Österreich legal gestalten können. Im Großen und Ganzen leitet sich das Aufenthaltsrecht einer Person aus einem Drittstaat dann über den Ehepartner oder die Ehepartnerin ab. Je nachdem, über welches Aufenthaltsrecht die zusammenführende Person verfügt, ob diese vielleicht im besten Fall sogar EU -Staatsbürgerin oder EU-Staatsbürger ist oder zumindest einige Zeit im EU-Ausland gelebt oder gearbeitet hat, gestaltet es sich einfacher oder schwieriger zu einem Aufenthaltsrecht zu kommen.

In manchen Fällen kann eine Scheidung bedeuten, dass Österreich verlassen werden muss.
Foto: https://www.istockphoto.com/de/portfolio/DmitriMaruta

Spannenderweise ist es aus aufenthaltsrechtlicher Sicht "besser", als Ausländer oder Ausländerin in Österreich, einen Deutschen oder eine Spanierin zu heiraten, als eine Person mit österreichischer Staatsbürgerschaft. Ausgehend von der zusammenführenden Person müssen unterschiedliche Voraussetzungen erfüllt werden. Die jeweiligen Aufenthaltstitel, die verliehen werden, haben teilweise unterschiedliche Namen und keine einheitliche Gültigkeitsdauer. Was allerdings all diese Aufenthaltstiteln insofern verbindet, ist, dass sich die Umstände ändern, wenn eine Scheidung eintritt und somit die Eigenschaft als Familienangehöriger wegfällt. Wichtig ist, dass man in so einem Fall, sollte der Wunsch bestehen, auch nach Beendigung der Ehe in Österreich zu verbleiben, nicht den Kopf in den Sand steckt, sondern proaktiv an die Behörden herantritt, um das eigene Aufenthaltsrecht in Österreich weiterhin zu sichern.

Die Scheidung steht an – was bedeutet das?

Manchmal lohnt es sich, einen Schritt zurückzutreten und zu überlegen, ob eine Scheidung zum jetzigen Zeitpunkt wirklich die beste Lösung ist. Für eine einvernehmliche Scheidung braucht es als erste Voraussetzung, dass beide Eheleute die Scheidung wollen. Hängt das Aufenthaltsrecht einer Person von der Ehe ab, wird diese Person regelmäßig weniger dringend die Scheidung anstreben als die andere Person. Kann man sich auf eine einvernehmliche Scheidung nicht einigen, und ist nichts Gravierendes vorgefallen, die scheidungswillige Person der anderen Seite vorwerfen kann, gibt es frühestens drei Jahre nach Auflösung der häuslichen Gemeinschaft die Möglichkeit, eine Klage auf Scheidung einzubringen.

Nach der Scheidung haben die zuständigen Behörden dem oder der (vormaligen) Familienangehörigen unter bestimmten Voraussetzungen einen Aufenthaltstitel auszustellen, dessen Aufenthaltszweck jedenfalls dem bisherigen entspricht. Klingt kompliziert, ist es teilweise auch. Das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz besticht leider grundsätzlich nicht durch besondere Benutzerfreundlichkeit. Konkret bedeutet das, dass kein Erteilungshindernis, wie zum Beispiel ein Einreise- oder Aufenthaltsverbot vorliegen darf und die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt sein müssen. Auch die Dauer der Ehe kann eine Rolle spielen.

Allgemeine Voraussetzungen

Die allgemeinen Voraussetzungen sind im Wesentlichen, dass der Aufenthalt des oder der Fremden nicht öffentlichen Interessen zuwiderlaufen darf, der oder die Fremde über eine ortsübliche Unterkunft verfügt, eine Krankenversicherung besteht sowie gesichert ist, dass der Aufenthalt zu keiner finanziellen Belastung für Österreich wird. Vereinfacht gesagt: Man muss ab der Scheidung im Regelfall nachweisen, dass man eine Arbeit oder sonst gesicherte Einkünfte (zum Beispiel nachehelicher Unterhalt, Ersparnisse), eine ausreichend große Wohnung, eine Krankenversicherung – aber keine Vorstrafen – hat.

Für Menschen, denen es aber gelingt, dass die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Ehepartners oder der Ehepartnerin geschieden wird, kann es leichter sein, ihr Aufenthaltsrecht zu behalten, auch wenn sie diese Voraussetzungen vielleicht nicht erfüllen.

Jedenfalls wichtig ist, die neuen beziehungsweise geänderten Umstände über die erfolgte Scheidung binnen eines Monats der zuständigen Behörde bekanntzugeben. Die Behörde prüft dann, ob der ursprüngliche Aufenthaltstitel oder das Niederlassungsrecht beibehalten werden kann, oder ob man vielleicht einen anderen Aufenthaltstitel erhält. In jedem Fall ist es sinnvoll, sich bereits vor der Scheidung darum zu kümmern, dass man nach der Scheidung rechtzeitig die notwendigen Voraussetzungen für einen Verbleib in Österreich nachweisen kann. Übrigens: Sollte man nicht geheiratet haben, sondern in einer eingetragenen Partnerschaft leben, gelten vergleichbare Regeln. (Theresa Kamp, 8.11.2022)