Heinz-Christian Strache und sein Mobiltelefon.

Foto: Picturedesk.com/Georges Schneider

Wien – Der jüngste Bericht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft fördert nicht allein recht unverblümte Chat-Kommunikation zwischen Thomas Schmid und "Presse"-Chefredakteur Rainer Nowak zutage.

  • Auch andere Chefredakteure chatteten bemerkenswert mit Politikern über Personal, Inhalte und Kollegen– etwa Matthias Schrom vom ORF mit dem damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Schrom gab ihm Tipps für Interventionen im ORF.
  • Der Unternehmer und ÖVP-Großspender Alexander Schütz wiederum bestärkte Strache, im "roten Zeckenparadies" ORF aufzuräumen.

Update: Der Vorsitzende des Redaktionsrat des ORF protestiert in einem internen Rundmail gegen Schroms Mailverkehr mit Strache: "Einmal mehr wird hier der Eindruck verstärkt, die Politik regiert den ORF und es gibt Führungskräfte, die das tatkräftig unterstützen."

"Presse"-Chefredakteur Nowak chattete mit dem damaligen Generalsekretär im Finanzministerium und späteren ÖBAG-Chef Thomas Schmid etwa über sein mögliches Avancement zum ORF-General. Aus dem wurde nichts – die FPÖ legte sich quer, dann zerbrach die ÖVP-FPÖ-Koalition an Heinz-Christian Straches Ibiza-Video. ORF-Chef wurde dank ÖVP-Mehrheit im Stiftungsrat schließlich 2021 Roland Weißmann aus dem ORF.

Nächtliche Tipps von Schrom für Strache

Die Regierungspartei FPÖ und Heinz-Christian Strache bekamen aber schon im ORF unter ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz Führungsjobs – deren Verteilung in einem Sideletter zum Koalitionsabkommen 2017 fixiert wurde. Channel-Manager von ORF 1 wurde im Frühjahr 2018 Lisa Totzauer, Chefredakteur dort Wolfgang Geier. ORF 2 führt seither Alexander Hofer, zum Chefredakteur dort wurde der bisher mit der FPÖ-Berichterstattung befasste "ZiB"-Innenpolitikredakteur Matthias Schrom.

Im Bericht der WKStA zu Nowak finden sich auch Chatprotokolle Heinz-Christian Straches – und darunter auch eine Kommunikation vom 14. Februar 2019. Kurz vor Mitternacht beschwert sich Strache mit einem Link zur TVthek über die "ZiB 24" dieses Tages bei Schrom.

"ORF 1 ist noch viel linker"

"Das ist natürlich unmöglich", schreibt Schrom dem FPÖ-Chef und Vizekanzler recht prompt zurück. Aber: "Du weißt, ich bin ja nur für ORF 2 zuständig. ORF 1 (das noch viel linker ist) gehört ja Lisa Totzauer (und Wolfgang Geier)."

ORF-2-Chefredakteur Matthias Schrom
Foto: ORF / Thomas Ramstorfer

Und gleich in derselben Nachricht fügt Schrom an: "Unser Problem ist ja auf gewisse Weise, dass uns (Hofer & mir) finanzielle Ressourcen weggenommen werden und in ORF 1 gesteckt werden. Also es wird grad mit Gewalt versucht, den maroden Kanal hochzukriegen. Ich wundere mich ja ehrlich schon lange, dass sich darüber, was dort inhaltlich abgeht, keiner aufregt."

"Die, die glauben, die SPÖ retten zu müssen, werden weniger"

Mit den Inhalten von ORF 2 müht sich Schrom schon nach seinem Bekunden: "Es ist schon bei uns genug zu tun und jeden Tag mühsam, aber langsam wird's, und die, die glauben, die SPÖ retten zu müssen, werden weniger."

In derselben nächtlichen Antwort schreibt Schrom dem damaligen FPÖ-Chef und Vizekanzler noch – in dem Chat-Teil ungefragt – über zwei blaue Personalwünsche: Einen Job für eine Mitarbeiterin habe er "heute fixiert". Und er empfiehlt Strache, Moderator und Schauspieler Clemens Haipl würde doch besser zu ORF 1 passen: "Ich glaub, dort könnt sich (der von der FPÖ entsandte ORF-Stiftungsratschef Norbert) Steger von Totzauer auch mal was wünschen – sie will ja immerhin Generalin werden." "Henryk Broder ist nebenbei extrem interessant." Der deutsche Publizist ist regelmäßiger Talkgast bei Servus TV.

Schrom an Strache: "Die sollten schon merken, dass sie nicht unter dem Radar sind."

"Danke dir!!!!", beantwortet Strache die Tipps und bittet den ORF-2-Chefredakteur um weiteren Rat und Tat als Postillon: "Bitte sage es Steger ... er soll Clemens bei Totzauer unterkriegen. Soll ich wegen ZiB 24 schreiben?"

Schrom: "Du meinst Steger? Ich denke, Steger sollte das mit ZIB 24 schon wissen und mal mit Totzauer/Geier reden. Die sollten schon merken, dass sie auch nicht unter dem Radar sind." Und Schrom hat weiteren Rat: "Als Vizekanzler persönlich würd ich's Steger geben, du brauchst ja eventuell noch Eskalationsstufen, bevor was auf Chefebene ist."

Noch einmal verweist Schrom hier auf Totzauers Ambitionen, ORF-Generalin zu werden (2021 bewirbt sie sich tatsächlich) und auf ihr "Match" mit Nowak um den Job.

"Bezüglich Clemens müssten das Steger und (Stiftungsrat Franz) Maurer** längst wissen", schreibt Schrom an Strache, "ich sag ihnen das noch mal, dass das eine gute Lösung wäre." ORF-2-Manager Alexander Hofer wisse das "eh". Aber für Haipl wäre "ORF 1 gescheiter, weil dort die ganzen Comedys laufen".

Strache an Steger: "Die sollten schon merken, dass sie nicht unter dem Radar sind."

Wenige Minuten später, kurz nach Mitternacht, schreibt Strache an Stiftungsratschef Steger – übrigens in seiner Funktion als ORF-Aufsichtsrat weisungsfrei und unabhängig – ziemlich wortgleich Schroms Tipps, offenbar kopiert: "Ich denke, du solltest das mit der ZiB 24 mal mit Totzauer Geier besprechen. Die sollten schon merken, dass sie auch nicht unter dem Radar sind. Die dortigen Berichte sind uns gegenüber nicht schön."

Strache weiter an Steger, wiederum praktisch wortgleich mit Schroms Anregungen: "Du weißt ja, dass Totzauer bei ÖVP-NÖ extrem hoch im Kurs steht, bei (Medienminister Gernot) Blümel auch ... sie matcht sich mit Nowak ..."

"Und bzgl. Clemens Haipl solltest du bitte auch mit ihr reden. Hofer weiß es eh. Clemens wäre für ORF 1 gescheiter, weil dort die ganzen Comedys laufen und das sein Fach ist! Lg HC".

Schrom an "ZiB"-Redaktion: "Keine glückliche Außenwirkung"

DER STANDARD bat Schrom und Haipl am Freitag um Stellungnahme, Haipl reagierte bis zum Nachmittag nicht. Schrom schrieb in einer Rundmail an die TV-Redakteurinnen und -Redakteure:

Der im Akt enthaltene "Chat-Verlauf hat zugegebenermaßen keine glückliche Außenwirkung. Relevant ist aber der Kontext, in dem das verfasst wurde: Diese Unterhaltung hat vor dem Hintergrund massiver Angriffe durch die FPÖ auf den ORF stattgefunden."

Schrom schreibt: "Faktum ist, dass der Intervention von Strache weder inhaltlich noch in Bezug auf personelle Postenbesetzungen entsprochen wurde. Der Redaktion wurde immer der Rücken frei gehalten (was, wie ich denke, auch die Kolleg:innen der ZiB2 und des Investigativteams bestätigen können)."

"Tonalität und Sprache" an Strache "angepasst"

"Der regelmäßige Austausch mit Spitzenpolitikern" gehöre "auch zum Jobprofil" von Chefredakteuren: "Um eine Gesprächsbasis zu erhalten, habe ich mich als Chefredakteur der Tonalität und Sprache meines Gesprächspartners angepasst – in Kenntnis von dessen Positionen zum ORF. Personalentscheidungen werden im ORF immer im Rahmen von Ausschreibungen getroffen."

Strache habe an ihn zwei Personalwünsche herangetragen. Entgegen der Info an Strache in einem Fall schreibt Schrom nun: "Diesen wurde nicht entsprochen." In dieser Funktion habe er "auch keinerlei Einfluss auf die beschriebenen Personalia, was auch zum Ausdruck gebracht wurde".

Schrom weiter: "Der ORF war damals speziell von FPÖ-Politikern ausgehend immer wieder der Kritik ausgesetzt, 'zu links' zu berichten. Teilweise wird man aber auch für Berichterstattung kritisiert, für die man gar nicht zuständig ist. In diesem Kontext ist auch die Argumentation bzw. das aus taktischen bzw. unternehmenspolitischen Gründen geäußerte Verständnis zu sehen. "

"Fokus von der 'ZiB' wegzulenken"

Der ORF-Chefredakteur erklärt seine Nachrichten an Strache so: "Es ist letztlich darum gegangen, den Fokus von der ZiB weg und woanders hinzulenken, auf einen Bereich, den andere verantwortet haben. Mit Lisa habe ich das geklärt und mich entschuldigt. Die Aufrechterhaltung einer Gesprächsbasis zu einer Regierungspartei, die dem ORF nicht nur kritisch, sondern ablehnend gegenüberstand, war wichtig – vor allem, da Personalwünschen nie Rechnung getragen wurde."

Schrom verweist auf eine Sitzung am Montag um zehn Uhr, in der er "gerne auch persönlich dazu Stellung nehmen" könne, "falls es noch Gesprächsbedarf dazu gibt".

Update: Redaktionsrat verlangt "ordentliche Aufarbeitung dieser Chat-Protokolle"

Auf Schroms Rundmail an rund 400 Redakteurinnen, Redakteure und Führungskräfte reagierte Dieter Bornemann, der Vorsitzende des Redakteursrats.

"Eine ordentliche Aufarbeitung dieser Chat-Protokolle" sei notwendig, schreibt Bornemann: "Denn wir können nicht von anderen Sauberkeit, Kommunikation und Transparenz einfordern, im eigenen Haus hingegen schweigsam sein."

"Vernadern die Redaktion"

Schrom bringe die ORF-Information mit diesen Chats "in eine mehr als unangenehme Situation". Denn: "Durch Tonalität, Vertraulichkeit und Inhalt wird der Eindruck erweckt, Dir ist das persönliche Verhältnis zum damaligen Vizekanzler und Parteichef Strache wichtiger, als die Reputation der Redaktion. Formulierungen, wie die ORF1-Info-Redaktion 'ist noch viel linker' als die ORF2-Info und diejenigen, die in der ZiB 'glauben, die SPÖ retten zu müssen, werden weniger' sind mehr als daneben. Sie vernadern die Redaktion auf unangebrachte Weise und beschädigen unseren Ruf, weil sie das Narrativ der FPÖ bedienen, der ORF wäre ein 'Linksfunk'."

"Eindruck, die Politik regiert den ORF"

Neuerlich werde mit Schroms Nachrichten an Strache "der Eindruck verstärkt, die Politik regiert den ORF und es gibt Führungskräfte, die das tatkräftig unterstützen".

Bornemann fordert – nach der Entschuldigung bei Lisa Totzauer – "eine mehr als fällige Entschuldigung bei der Redaktion".

"Keine inhaltlichen Beschwerden über Amtsführung"

Bornemann räumt aber in diesem Mail auch ein: "Es gibt über Deine Amtsführung keine inhaltlichen Beschwerden, weder aus der 'ZiB1 ' noch aus der 'ZiB 2'. Das Investigativteam fühlt sich frei in der Arbeit und wird weder bei politisch heiklen Beiträgen, noch bei Recherchen behindert, die der Regierung nicht passen. Das möchte ich Dir gerne zu Gute halten", betont der Vorsitzende des Redaktionsrats.

Durch Schroms Chats werde der "Eindruck verstärkt, die Politik regiert den ORF, und es gibt Führungskräfte, die das tatkräftig unterstützen", schreibt Redaktionsrat Dieter Bornemann.
Foto: APA / Hans Punz

Grasl an Schmid: "That's my job"

Im offenbar abschließenden Bericht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu Nowak und Schmid findet sich auch ein Chat von Thomas Schmid mit dem damaligen ORF-Finanzdirektor Richard Grasl und der damaligen Fernsehdirektorin Kathrin Zechner vom 27. April 2014.

Schmid ist Generalsekretär im Finanzministerium, der damalige Finanzminister und Vizekanzler Michael Spindelegger war bei bei der Heiligsprechung von Johannes XXIII. und Johannes Paul II. in Rom durch Papst Franziskus und schüttelte dem emeritierten Papst Benedikt XVI die Hand. Was Schmid aufregt: Die "ZiB 13" hat nicht darüber berichtet. Er bittet Grasl um Rückruf, die ORF-Korrespondentin sagt, sie könne kein Interview mit Spindelegger machen. Grasl verweist auf Zechner, Schmid wendet sich im Chat an sie, er "hofft, dass es um 19.30 klappt". Zechner antwortet, Spindelegger sei "groß und explizit", "mit Handshake Papst", in der Liveübertragung zu sehen gewesen. Noch einmal hofft Schmid "dennoch auf die 'ZiB 1'.

Kurz nach 19.30 meldet sich Grasl im Chat mit Schmid und meldet Vollzug: "Alles geklappt. ZiB 1 und Foto schon beim 'Kurier'." Zechner ist mit Smiley und "eben gewesen" etwas später dran im Chat. Schmid dankt Zechner und in einer weiteren Nachricht Grasl: "Du bist der Beste! Danke dir für deine Hilfe heute. Ich weiß, dass das keine Selbstverständlichkeit ist."

Grasl: "Für mich schon! That's my job!"

Schmid: "Du bist unser Küniglberg-Held! Ohne deine Hilfe hätten wir keine Pics bekommen. Danke nochmal."

Grasl lädt dann noch Spindelegger in sein Büro ein, wenn der schon zum, "ZiB 2"-Interview kommt. Und er fragt Schmid, ob er in Sachen Spindeleggers Budgetrede "noch was tun" könne.

"Politiker waren immer wieder bei mir, wenn sie im ORF waren"

"Politiker waren immer wieder bei mir, wenn sie im ORF waren", schreibt Grasl dazu auf STANDARD-Anfrage. Bei der Budgetrede könne "nur ein ORF-Thema gemeint gewesen sein, wuesste nicht, was ich damit sonst hätte tun sollen". Was er beim Papst-Besuch Spindeleggers hätte tun können, wisse er heute nicht – er habe solche Themen an den zuständigen ORF-Generaldirektor weitergegeben, "der ja Vorgesetzter von mir und der Redaktion war".

Grasl tritt 2016 gegen Alexander Wrabetz um den ORF-General an, unterliegt aber mit ÖVP- und FPÖ-Stimmen. Er verlässt den ORF und findet 2018 einen Job beim "Kurier". Stiftungsratschef Norbert Steger schreibt damals in einem FP-internen Chat: "Doch nicht ORF-GS" – also Generalsekretär. Daraufhin entspinnt sich in der Whatsapp-Gruppe eine rege Kommunikation, dass die FPÖ (wieder einmal) die Funktion des ORF-Generalsekretärs – gemeinhin Strippenzieher und Politikverbinder auf dem Küniglberg – für sich reklamieren sollte.

"Dazu muss wer rausgeschmissen werden!"

Die FPÖ drängte im Frühjahr 2019 massiv auf die Abschaffung der GIS-Gebühren und die Budgetfinanzierung des ORF, wie "nach Maßgabe" der Budgetmöglichkeiten schon in einem Sideletter vereinbart. Strache verlangt einen neuen Sideletter darüber bis 2021, drohen sonst etwa mit Blockade des aktuellen Budgets, und eine sofortige "Reform" von ORF-Struktur und -Führungspersonal bis Sommer 2019. Dem kam im Mai 2019 Straches Ibiza-Video knapp zuvor, der Gesetzesentwurf war bereits fertig.

Stiftungsrat Norbert Steger schreibt in einer FPÖ-Whatsapp-Gruppe zu Medienfragen am 7. Jänner 2019: "Ohne Personelles wird trotzdem kein einziger FP-Beitrag objektiver oder freundlicher werden! Dazu muss wer rausgeschmissen werden!!!"

Darauf Strache: "Deshalb braucht es ein ORF-Gesetz, wo totale Personalrochaden, Neubesetzungen möglich werden!"

"Rotes Zeckenparadies" ORF

Im März 2019 fordert Strache in der "Tiroler Tageszeitung" die Abschaffung der GIS-Gebühren und die Budgetfinanzierung des ORF.

Am 20. März gratuliert Unternehmer und ÖVP-Großspender Alexander Schütz Strache zu seinem ORF-Statement: "Das rote Zeckenparadies geht allen auf die Nerven!" Nachsatz: "Und die APA gehört auch aufgeräumt." Schütz empfiehlt auch gleich einen Manager etwa für die APA, dem man "zu 100 Prozent vertrauen" könne". (Update: Am Sonntag reagierte dazu der APA-Redaktionsbeirat, die Redaktionsvertreter sorgen sich um mediale Unabhängigkeit, mehr dazu hier.)

Strache bittet daraufhin: "Kannst du bitte auch auf Kurz und Blümel hier persönlich einwirken, diese Reformen braucht es jetzt ... hier darf sich nicht die alte rot-schwarze Partie durchsetzen!!!!"

Schütz antwortet: "I will!"

Alexander und seine Frau Eva Schütz haben im Frühjahr 2021 das Onlinemedium "Exxpress" mit Chefredakteur Richard Schmitt gegründet.

Auf STANDARD-Anfrage nach den Chats mit Strache aus 2019 erklärt ein Sprecher: "Herr Schütz kann sich konkret an diese Kommunikation nicht erinnern. Er kann aber bestätigen, dass er aufgrund seiner wirtschaftsliberalen Einstellung gegen jede Form von Pflichtgebühren für Medien ist und sich als mündiger Bürger eine pluralistische Medienlandschaft wünscht." (Harald Fidler, 5.11.2022, Update: 6.11.2022)