Viele Aktionen der Aktivistinnen und Aktivisten, wie hier Just Stop Oil in London, sind relativ günstig, etwa das Festkleben auf der Straße. Dennoch sind die Bewegungen von externen Geldgebern abhängig.

Foto: IMAGO/ZUMA Wire

Die Aktivistinnen und Aktivisten der Klimaschutzprotestgruppe Letzte Generation fallen seit kurzem regelmäßig auf: mit Straßenblockaden – rund 13 davon organisierten sie allein in diesem Jahr in Wien –, mit unerwünschten Museumsbesuchen und eindringlichen Warnungen. Die Menschheit befinde sich mitten im "Klimanotfall", es drohe "die Hölle auf Erden", heißt es von den Aktivisten. Mit Mitteln des zivilen Ungehorsams wolle man von der Regierung Klimaschutzmaßnahmen erzwingen.

All das braucht Geld: ein wenig für den Kleber, mit dem man die Hände auf der Straße festpickt, ein wenig für die Tomatensuppe, mit der man ein Gemälde bewirft. Noch mehr für Kampagnen in sozialen Medien, Plakate, Rekrutierungsaktionen oder Strafen nach den Aktionen. Wie finanzieren sich die Aktivistinnen und Aktivisten des zivilen Ungehorsams?

Climate Emergency Fund

Die Letzte Generation in Deutschland verweist auf ihrer Website darauf, dass ein Großteil der Mittel für Recruitment, Training und Weiterbildung aus dem Climate Emergency Fund stamme. Der in Kalifornien ansässige Fonds "unterstützt mutige Aktivistinnen und Aktivisten, die die Öffentlichkeit für den Klimanotstand aufwecken", heißt es auf der offiziellen Seite.

Warum bewerfen Aktivistinnen Gemälde mit Tomatensuppe? Und was hat das mit der Klimakrise zu tun? Anna Holland und Phoebe Plummer von Just Stop Oil im Interview.

DER STANDARD

Seit seiner Gründung vor rund zwei Jahren hat der Fonds dutzende Klimabewegungen in Europa und den USA mit insgesamt mehr als sieben Millionen US-Dollar unterstützt. Unter den finanziell Begünstigten befinden sich etwa die in Großbritannien gegründeten Bewegungen Extinction Rebellion und Just Stop Oil. Mitglieder der Letzteren bewarfen kürzlich ein Gemälde von Vincent van Gogh in der National Gallery in London mit Tomatensuppe und sorgten damit für große Aufmerksamkeit. Begünstigt werden von dem Fonds auch die Letzte Generation Deutschland und Scientist Rebellion, eine Schwesterorganisation von Extinction Rebellion.

Geld aus Öl

Die Dotation des Climate Emergency Fund stammt wiederum aus einer für viele Menschen überraschenden Quelle: zu einem guten Teil von Aileen Getty, einer von mehreren Erbinnen eines fünf Milliarden US-Dollar schweren Ölvermögens. Ihre Familie hatte 1942 das Unternehmen Getty Oil gegründet, das in den Jahren darauf zu einem der größten US-amerikanischen Ölkonzerne aufstieg.

Nun investiert Aileen Getty das Geld in den Kampf gegen jene Industrie, die sie und ihre Familie einst reich machte. Seit der Gründung des Climate Emergency Fund steckte Getty rund eine Million Dollar in die Organisation.

Aileen Getty will ihre Öl-Millionen nun für den Klimaschutz einsetzen.
Foto: imago images/ZUMA Wire

Von Ölgeschäft distanziert

Dass sich viele Klimabewegungen durch das Geld der Ölerbin finanzieren, führte im Netz bereits zu hitzigen Debatten und Spekulationen: etwa dass die Aktivistinnen und Aktivisten in Wahrheit Verbindungen zur Ölbranche hätten. Dass Aileen Getty selbst noch mit der Branche in Verbindung stehe. Oder dass die fossile Industrie durch die Förderungen der "radikalen" Bewegungen das Bild der Öffentlichkeit über Klimaaktivismus beeinflussen wolle.

Beweise dafür gibt es nicht. Das Ölunternehmen Getty Oil wurde bereits vor rund zehn Jahren verkauft. Getty selbst beteuerte mehrmals, sich vom Geschäft mit Öl distanziert und ihre Investitionen auf den Kampf gegen die Klimakrise gerichtet zu haben. Schon 2012 gründete sie die Aileen Getty Foundation, die laut eigenen Angaben viele lokale und globale Initiativen unterstützt, die sich dem Umweltschutz verschrieben haben.

Nun wolle sie auch zivilen Ungehorsam fördern, den sie für eine der wichtigsten und zugleich am meisten unterfinanzierten Klimaschutzmaßnahmen überhaupt halte, sagt Getty. Das Motiv ihrer Investitionen sei klar: Sie wolle zur Zukunft eines lebenswerten Planeten etwas beitragen. Klimaaktivistin wäre sie so oder so geworden, egal ob ihre Familie in Öl investiert hätte oder nicht, sagt sie.

Prominente Unterstützer

Getty ist längst nicht die einzige Prominente, die sich für die neueren Klimabewegungen engagiert. Zu den Unterstützerinnen zählen unter anderem auch Rory Kennedy, Dokumentarfilmerin und jüngste Tochter des US-Politikers Robert F. Kennedy, die den Climate Emergency Fund mitgründete, und die Rockefeller-Familie, darunter Rebecca Rockefeller Lambert und Peter Gill Case, die 30 Millionen Dollar ihres persönlichen Vermögens der Equation Campaign versprachen – einem Fonds, der ähnliche Ziele verfolgt wie der Climate Emergency Fund.

Auch die Dokumentarfilmerin Rory Kennedy ist eine Unterstützerin der Bewegungen.
Foto: APA/AFP/VALERY HACHE

Die Familie Rockefeller wurde vor allem durch John D. Rockefeller bekannt, der – ähnlich wie die Gettys – durch die Gründung der Standard Oil Company im 19. Jahrhundert zum Milliardär aufstieg. Nun sollen mit dem Geld Bewohner rund um Gas- und Ölleitungen unterstützt werden, um gegen die fossilen Projekte vorzugehen.

Legalen Protest fördern

Die Finanzierung der Klimaproteste durch die Fonds fällt mitunter in eine Grauzone: Gefördert werden sollen nur legale Proteste von Aktivisten, heißt es offiziell vom Climate Emergency Fund und der Equation Campaign. Indirekt fließt das Geld aber auch in gesetzeswidrige Aktionen der Bewegungen, heißt es vonseiten der Kritiker.

"Das Geld ist nur für erlaubte Dinge vorgesehen, etwa Banner produzieren oder um die Lebenskosten der Mitglieder zu decken", sagt Martha Krumpeck, Mitglied der Letzten Generation Österreich. Das Geld sei beispielsweise nicht für Menschen gedacht, die sich die Geldstrafe nach einem Protest nicht leisten können. Gleichzeitig seien die Förderbedingungen aber auch sehr vage angesetzt, sodass damit viele Kosten vom Personal bis hin zum Material abgedeckt werden können.

Mittel zum Zweck

Die Letzte Generation Österreich bekomme derzeit noch kein Geld aus dem Climate Emergency Fund, sagt Krumpeck. Das Geld der Organisation komme vorrangig von Spenden oder privaten Investitionen der Mitglieder.

"Die Summen, um die es bei uns geht, sind lächerlich, wenn man sie mit dem Geld vergleicht, das Ölkonzerne jedes Jahr einnehmen." Zivilen Widerstand könne sich im Grunde jeder leisten. Es komme nicht auf das Geld auf dem Bankkonto an, sondern wie viele Menschen sich dem System entgegenstellen, sagt Krumpeck.

Spenden mittels Kryptowährung

Die Frage der Finanzierung quält viele Klimabewegungen dennoch. So bietet etwa die Aktivistengruppe Just Stop Oil Menschen an, mittels der Kryptowährung Ethereum an die Organisation zu spenden – was der Bewegung die Kritik einbrachte, die Emissionen, die Transaktionen mit der Kryptowährung verursachen, voranzutreiben. Und selbst etablierte Umweltgruppen wie der World Wildlife Fund kämpfen damit, sich angesichts ihrer Spender zu legitimieren: Die NGO erhielt kürzlich hundert Millionen US-Dollar aus dem Earth Fund des Amazon-Chefs Jeff Bezos.

In der Zwischenzeit sind die Emissionen von Amazon trotz Klimaschutzversprechen jedes Jahr um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. (Jakob Pallinger, 7.11.2022)

Aktivistinnen beschmieren Gemälde, um auf den Klimanotstand aufmerksam zu machen. Was kann Kunst als Protestmittel leisten und wie weit soll Aktivismus gehen? Wir haben mit den Aktivistinnen, Künstlerinnen und Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder gesprochen.
DER STANDARD