Übersee-Servicestationen sollen oft mit lokal ansässigen Heimatvereinen verwoben sein. Hier ist ein Vereinslokal in Budapest zu sehen.

Foto: AP/Anna Szilagyi

Ein Foto aus dem italienischen Prato zeigt mehrere Männer, die an einem Schreibtisch vor einem Plakat mit der Aufschrift "Fuzhou Police Overseas Service Station" und "Prato, Italia" sitzen. Ähnliche Fotos gibt es auch aus Dublin, aus Budapest – oder auch aus dem afrikanischen Benin. "110 Overseas" – 110 ist in China die Notrufnummer der Polizei – klingt erst einmal nach einer praktischen Initiative: Auslandschinesen und -chinesinnen können in international ausgelagerten Zentren etwa ihren Führerschein verlängern oder andere bürokratische Angelegenheiten regeln, ohne in ihre Heimat nach China reisen zu müssen.

Doch was die "Übersee-Polizeistationen" betrifft, gibt es ein Problem: Sie waren nie beim Gaststaat gemeldet. Eine spanische NGO will Informationen zu mehr als 50 solcher Einrichtungen weltweit gesammelt haben. Sie geht davon aus, dass die eigentliche Zahl deutlich höher liegt.

Berichte aus den Niederlanden über zwei solche Zentren haben vergangene Woche hohe Wellen geschlagen. Außenminister Wopke Hoekstra forderte China auf, die Zentren sofort zu schließen, sie seien "inakzeptabel", nie hätte es eine Zustimmung der Behörden dafür gegeben. Ähnliches passierte bereits in Irland. Auch in Deutschland befassen sich Sicherheitsbehörden mit dem Thema.

Abgesehen von der Frage, ob die Zentren legal errichtet wurden, erheben Medien und NGOs viel gravierendere Vorwürfe. Die Einrichtungen würden unter dem Deckmantel der Servicestellen Dissidenten verfolgen und Druck ausüben. Ein Chinese berichtete in niederländischen Medien, dass er aus China geflohen sei, weil er die Regierung öffentlich kritisiert habe. In Rotterdam wurde er dann über die chinesische "Polizeistation" aufgefordert, nach China zurückzukehren, um seine Probleme zu lösen. Er solle dabei auch an seine Familie denken.

Dementi aus Peking

China dementiert die Vorwürfe entschieden. Vergangene Woche stellte das Außenministerium klar, dass es sich um Zentren handeln würden, die Auslandschinesen etwa dabei helfen, Dokumente zu erneuern – gerade während einer Covid-Infektion praktisch –, oder bei Konflikten mit anderen Chinesen behilflich sind. Es handle sich um "enthusiastische Auslandschinesen", die dort freiwillig helfen. Die chinesische Polizei beachte internationales Recht voll und ganz.

Die Vorwürfe kommen, nachdem die spanische NGO Safeguard Defenders im September einen Bericht veröffentlichte, der 54 solcher Zentren in 30 Ländern nennt. Ein Großteil befinde sich in Europa. Die Einrichtungen sollen oft mit Vereinen von Auslandschinesen verwoben sein. Es handle sich auch nicht unbedingt um Stationen im eigentlichen Sinn, sondern um einzelne Personen, die im Auftrag chinesischer Behörden agieren, zitiert die "Tagesschau" nicht näher genannte deutsche Sicherheitskreise.

Auch der Gründer der NGO, Peter Dahlin, erläuterte im "Spiegel", dass es sich nicht um eine "zentralisierte Operation aus Peking" handeln würde. Es gäbe auch Kulturvereine, die wirklich gute Sachen machen, sagte er zu dem deutschen Magazin und betonte, dass jeder Fall einzeln geprüft werden müsse.

Standort in Wien?

In dem NGO-Bericht wird auch Wien als Standort genannt. Vor rund eineinhalb Jahren soll dieser einem chinesisch-sprachigen Artikel zufolge sogar ausgezeichnet worden sein: Im Februar 2021 habe die Polizei der Region Lishui zehn "exzellente" Auslandsstationen geehrt, unter ihnen Wien. Der NGO-Bericht zitiert außerdem aus einem Artikel vom Mai 2019, in dem die Errichtung der Station in Wien genannt wird.

Das Innenministerium in Wien konnte dazu keine Angaben machen. "Die Attraktivität Österreichs als Operationsgebiet für fremde Nachrichtendienste ist nach wie vor unverändert hoch", heißt es in einer E-Mail an den STANDARD. "Dabei können die aus autoritären Herkunftsländern stammenden Diasporagemeinden Österreichs immer mehr in den Fokus nachrichtendienstlicher Organisationen geraten. Meist stehen die Systemkritiker dieser Staaten unter Beobachtung." Zu konkreten Erkenntnissen "im Zusammenhang mit fremden Nachrichtendiensten" könnten keine Auskünfte gegeben werden.

Die chinesische Botschaft in Wien betonte abermals, dass Berichte über "illegale Polizeistationen" falsch seien. Lokale Behörden in China hätten Online-Plattformen errichtet, um Überseechinesen zu helfen, aktuelle Probleme wie Führerscheinverlängerungen zu lösen, heißt es gegenüber dem STANDARD. Freiwillige würden nun dabei assistieren.

Kampagne gegen Online-Betrug

110 Overseas soll seine Ursprünge in lokalen Kampagnen haben, die gegen den in China wachsenden Online-Betrug vorgingen. Harte Maßnahmen wurden beschlossen, um mutmaßliche aus dem Ausland agierende Betrüger zur Rückkehr nach China zu bewegen, Kinder von bloß Verdächtigen wurden etwa aus öffentlichen Schulen ausgeschlossen.

Kritiker werfen den Kampagnen vor, dass dabei – ähnlich wie bei Antikorruptionskampagnen im Inland – auch Oppositionelle mundtot gemacht werden sollen. Zwischen April 2021 und Juli 2022 hat Chinas Polizei nach eigenen Angaben 230.000 Betrugsverdächtige weltweit "belehrt und davon überzeugt, aus dem Ausland nach China zurückzukehren, um ihre Verbrechen zu gestehen". (Anna Sawerthal, 4.11.2022)