Nach der vierten Verhandlungsrunde haben die Metaller-Kollektivvertragsverhandlungen in der Nacht auf Freitag in einem Kompromiss geendet: Für die rund 137.000 Beschäftigten in der Metallverarbeitungsindustrie gibt es ein Plus von durchschnittlich 7,44 Prozent.

Foto: apa / hans klaus techt

"Es ist ein traditioneller Abschluss in guter Sozialpartnertradition. Aber vorausschauend ist er nicht unbedingt", sagt der IHS-Konjunkturexperte Helmut Hofer mit Blick auf den in der Nacht auf Freitag erzielten Metallerabschluss. Für die Arbeitgeber dürften die gestaffelten Erhöhungen wohl verkraftbar und angesichts des massiven Kaufkraftverlusts durch die Inflation von zehn Prozent wohl auch gerechtfertigt sein, sagt Hofer im Gespräch mit dem STANDARD.

Die Industrie habe schließlich gut verdient, und die Arbeitnehmer hätten die noch gute wirtschaftliche Situation genutzt. "Aber die harte Zeit kommt erst", sagt Hofer. Beim nächsten Abschluss sei im relevanten Betrachtungszeitraum (September 2022 bis August 2023) eine höhere Inflationsrate mehr oder weniger programmiert, und die Wirtschaftslage werde schwächer sein.

Heikle Gratwanderung

In der Gewerkschaft ist man sich dieser Gratwanderung bewusst, steuerfreie Einmalzahlungen lehnte man dennoch ab. "Nächstes Jahr werden sie uns eh die Haut abziehen", bringt es ein in die Verhandlungen involvierter Betriebsratsobmann im informellen Gespräch auf den Punkt. Diesem Problem werde man sich nächstes Jahr stellen müssen. Dann übrigens mit einem neuen Chefverhandler aufseiten der Produktionsgewerkschaft Proge, denn Rainer Wimmer tritt beim ÖGB-Kongress im Juni ab.

Und so dominierte vor dem Wochenende die Freude über den – unter Androhung gewerkschaftlicher Kampfmaßnahmen – rechnerisch recht ordentlichen Abschluss, der im Lichte von Rekordinflation und Energiekrise für die Unternehmen eher am oberen Ende der Verträglichkeit liegen dürfte. Das oberste Ziel der Gewerkschaft, Reallohnverluste zu verhindern, sei erreicht.

Zwei Komponenten

Wie viel jeder und jede Einzelne der rund 137.000 Beschäftigten in der Metallverarbeitungsindustrie mehr auf seinem Lohn- oder Gehaltszettel stehen haben wird, ist auf den ersten Blick nicht erkennbar. Denn der Abschluss besteht aus zwei Komponenten: Ist-Löhne und -Gehälter werden um 5,4 Prozent erhöht, und oben drauf kommt ein Fixbetrag von 75 Euro, und zwar dauerhaft. Das ergibt die kommunizierte Bandbreite der Erhöhung zwischen 8,9 und 6,3 Prozent. Macht im Schnitt 7,44 Prozent Erhöhung.

Der Vorteil dieser Spreizung: Für die untersten Lohngruppen steigen die Bezüge um 8,9 bis 8,0 Prozent und sind somit nicht nur nah am geforderten Zehner vor dem Komma, sondern auch deutlich höher als die Lohnerhöhungen der oberen Besoldungsstufen, deren Bruttozuwachs auf 6,3 Prozent abschmilzt. Unterm Strich zeigen sich damit die (besser verdienenden) Industrieangestellten solidarisch mit den Beziehern niedriger Löhne der Arbeiterschaft.

Sechste Urlaubswoche bleibt tabu

Vorreiter sind die Metaller damit beim Mindestlohn, der nun 2236,16 Euro pro Monat beträgt, und bei den Lehrlingen, deren Monatsbezüge im ersten Lehrjahr von 900 auf tausend Euro (im Jahr 2023) und im vierten Lehrjahr bis 2024 auf 2110 Euro steigen. Diese Attraktivierung fiel den Arbeitgebern nicht schwer, sie brauchen gut ausgebildete Fachkräfte wie einen Bissen Brot.

Bei Überstundenzuschlägen und sechster Urlaubswoche bissen die Arbeitnehmer hingegen auf Granit. "Im Sinne des sozialen Friedens" habe jede Seite Zugeständnisse und Abstriche gemacht, sagte der Obmann des Fachverbands Metalltechnische Industrie, Christian Knill. Ihren Teil trugen dem Vernehmen nach auch die anderen Metall-Fachverbände – von Bergbau/Stahl bis Fahrzeugindustrie – bei. Sie drängten angesichts der noch gut laufenden Konjunktur auf einen Abschluss, denn dieser gilt nun auch für sie. (Luise Ungerboeck, 5.11.2022)