Kika/Leiner-Chef Reinhold Gütebier muss bei der Sanierung des Einrichtungskonzerns kräftig nachjustieren.

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Wien – René Benko zahlt im Einzelhandel Lehrgeld. Sein deutsches Warenhausimperium gleicht einem Fass ohne Boden, für das er den Staat zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren um Hilfe angepumpt haben soll. Galeria Karstadt Kaufhof flüchtet nun unter einen Insolvenz-Schutzschirm. Unter ihren 131 Filialen droht ein Kahlschlag.

Als sperriges Investment erweist sich für den Signa-Eigentümer auch der Möbelhandel. Vier Jahre ist es her, dass der Tiroler Milliardär, der ins Visier der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft geraten ist, Leiner und Kika übernommen hat. Wie ein Phönix aus der Asche wollte die traditionsreiche österreichische Einrichtungskette steigen.

Drei Jahre gab sich Reinhold Gütebier Zeit für ihre Sanierung. Als neuer Chef des Konzerns versprach er, Leiner und Kika nicht nur "in einen sicheren Hafen" zu fahren, sondern bald auch "gewaltige Kreuzfahrten" mit ihnen zu unternehmen. In deren Genuss kommen könnten, sofern sie jemals stattfinden, jedoch deutlich weniger Mitarbeiter als geplant.

Wie DER STANDARD erfuhr, stehen etliche Möbelhäuser der Gruppe zum Verkauf. In der Branche ist von vier bis 15 Standorten die Rede, die in Österreich derzeit auf dem Markt angeboten werden. Gütebier selbst hatte bis vor kurzem noch versichert, an den verbliebenen 42 Filialen nicht zu rütteln.

Suche nach Ersatz

Auf Anfrage verwies Gütebier am Freitag in einer schriftlichen Stellungnahme an den STANDARD auf umfassende Umbauten und Renovierungen in den vergangenen Jahren, die sich bezahlt gemacht hätten. "Einige wenige Häuser eignen sich allerdings aufgrund der Gegebenheiten nicht mehr, um unseren Ansprüchen an ein modernes Möbelhaus gerecht zu werden." Man suche daher nach "Objekten", die diese mittelfristig ersetzen sollten. Am Sonntag ließ Gütebier in einer Aussendung wissen: "Alle Einrichtungshäuser bleiben erhalten."

Nicht aufgegangen sei der Plan, unter dem Namen Eskole ein Netz von bis zu zehn neuen Küchenstudios aufzuziehen, erzählen Lieferanten. So soll ein erst vor einem Jahr eröffneter Shop in Linz vor der Schließung stehen.

Gütebier spricht von einer sinkenden Nachfrage nach Küchen, wobei sich die Filialen in Graz und Wien "sehr gut" entwickelten. Die Frage nach dem Standort Linz lässt er unbeantwortet. Mittelfristig sollte die Marke Eskole jedoch weiterhin wachsen, gibt er sich zuversichtlich. In der Aussendung am Sonntag zwei Tage später weist Gütebier eine Schließung des Eskole-Studios in Linz "aufs Schärfste zurück, alle Häuser bleiben geöffnet".

Hoher Bilanzverlust

In der Bilanz vom 30. September 2021 weist die Leiner & Kika Möbelhandels GmbH 3.750 Mitarbeiter und 740 Millionen Euro Umsatz aus. In ihren Büchern steht ein Bilanzverlust in Höhe von knapp 84 Millionen Euro. Wie passt das mit der operativ schwarzen Null zusammen, die das Unternehmen für das Geschäftsjahr 2020/21 konsequent kommunizierte?

Man sei davon nicht weit entfernt gewesen, meint Gütebier nun. Er nennt die bisherige Sanierung einen Erfolg. "Wir haben uns in den letzten Jahren dramatisch verbessert."

Der Einzelhandel wirft für Benkos Immobilienreich Signa in Deutschland wie in Österreich gute Mieterlöse ab. Mit dem Luxuskaufhaus Lamarr in der Wiener Mariahilfer Straße, wo einst das Flaggschiff von Leiner stand, errichtet er sich gerade ein Denkmal. Retail per se wird aber angesichts der widrigen Rahmenbedingungen, von der Corona-Krise bis zur Konsumflaute, zusehends riskant. Was, wenn Benko die Lust an Möbelgeschäften, die wohl mehr Geld verschlingen als geplant, verliert? Gütebier lässt die Frage unbeantwortet.

Die Saure-Gurken-Zeit steht seiner Branche in jedem Fall noch bevor. Österreichs Einrichtungshandel erlebte während der Pandemie eine Sonderkonjunktur. Staatliche Hilfen reduzierten seine Personalkosten vielerorts um bis zu 15 Prozent, während die Umsätze dank höherer privater Ausgaben in Haus und Heim unterm Strich stabil blieben.

Wachsende Marktkonzentration

Eingebremst haben sich die Lust an Möbelkäufen sowie der finanzielle Spielraum dafür erst seit dem Sommer. Einzelne Einrichtungshäuser erlitten seither monatliche Umsatzeinbußen zwischen 20 und 50 Prozent. Für 2023 stellen sich Einrichtungsverbände auf Rückgänge von bis zu einem Drittel ein, zumal der Markt für Wohnungs- und Hausbauten spürbar zu bröckeln beginnt. Es gelte, bis ins Jahr 2024 hinein den Gürtel enger zu schnallen.

Leiner und Kika schleppen noch allerlei Altlasten mit sich herum, sind sich Konzernkenner einig. Mit einem neuen Anstrich allein sei es nicht getan. Inszenierte Wohnwelten etwa erforderten viel Personal und Geld. In Zeiten wie diesen fehle es an beidem.

Druck macht Erzrivale XXX Lutz, der von Wels aus zu einem der größten Einrichtungshändler der Welt heranwuchs und in Europa einen Konkurrenten nach dem anderen aufkauft. Es ist eine Marktkonzentration, die so manchen Lieferanten unrund werden lässt. (Verena Kainrath, 5.11.2022)