Überzeugende Einzel- und Gruppenleistungen im Ballett: "Die Entstehung des Lichts" in der Salzburger Felsenreitschule.

Anna-Maria Löffelberger

Anfang und Ende. Seligkeit und Sündenfall. Ursprung der Schöpfung und deren Vernichtung durch ihr eigenes Geschöpf. Das alles erklärt, bebildert und reflektiert mittels Musik und Wort, Schauspiel und Gesang, Schöpfungstheologie und Erkenntnistheorie, Ballett und Performance. Die Entstehung des Lichts heißt die Drei-Sparten-Monumental-Produktion des Salzburger Landestheaters in der Felsenreitschule. Regie führt Landestheater-Intendant Carl Philip von Maldeghem.

Joseph Haydn könnte den Geburtshelfern der Welt beim Fokussieren helfen. Sein Oratorium Die Schöpfung erklingt radikal gekürzt. Das Mozarteumorchester unter der Leitung von Gabriel Venzago, an den linken Bühnenrand verwiesen, lässt Haydns Tonmalereien wohl da und dort transparent und lautmalerisch anregend gestaltet aufblühen, auch brummen und tröten, hat aber wenig Chance, sich gegen die unaufhörliche Betriebsamkeit der Bühnenmitte zu behaupten: Das Haydn-Fragment dient als Ballettmusik, damit als reine Folie für inhaltliche Verdoppelung. Es erklingt in zwei Teilen, und zwar nach jeweils einem Sprechtheaterstück mit ebenfalls viel Action und Bewegung.

Der Grundgedanke von Die Entstehung des Lichts – woher kommen wir, wohin gehen wir – ist ambitioniert. Viele Einzelleistungen sind überzeugend, vor allem im Ballettensemble. Doch das Gesamtergebnis lässt wegen der Überfülle an Gewolltem eher ratlos zurück.

Stichwortgeber

Das Schauspielstück Galapagos erzählt von der ersten Reise des 22-jährigen Charles Darwin auf einem Vermessungsschiff der britischen Marine und schlägt einen Bogen über die Vita des Vaters der Evolutionstheorie. Das Sprechstück für vier Personen basiert auf dem originalen Briefwechsel des jungen Darwin mit seiner Verlobten und späteren Ehefrau Emma. Regisseur und Landestheaterintendant Charl Philip von Maldeghem hat die Bühnenfassung erstellt. Es deklamieren – und rennen und klettern auf einer Art Halfpipe herum: Nils Arztmann als Charles, Leyla Bischoff als Emma sowie Georg Clementi und Sarah Zaharanski als Stichwortgeber.

Auffällig und nicht eingelöst ist der Kontrast zwischen der feierlichen Gestelztheit der Artikulation und dem beinah ständigen Gewusel. Für die Ausstattung zeichnet Stefanie Seitz verantwortlich.

Das zweite Sprechtheater, Homo Deus, ist eine gemeinsame Stück-Entwicklung des Ensembles. Erzählt wird ohne Scheu vor Gemeinplatz und Plattitüde, wie der Mensch des Anthropozäns sich die Schöpfung endgültig untertan gemacht hat.

Welt retten

Erzählt wird von Ideen, wie die Welt vielleicht zu retten wäre, basierend auf Botschaften der Bewegung Fridays for Future, des Konvivialismus oder der Anhänger des Fliegenden Spaghettimonsters: Politisch-soziale Aktualität, wie brennend auch immer, ohne künstlerische Distanz auf die Bühne gebracht, hat noch selten erhellt.

Dazwischen also das Schöpfungsballett. Die Gesangssolisten Mario Lerchenberger als Uriel und Philipp Schöllhorn als Raphael/Adam tun ihr Bestes, Hazel McBain als Gabriel/Eva bleibt schrill. Der Chor des Salzburger Landestheaters, irgendwo unsichtbar in den Arkaden, hat keine Chance, Klang zu entfalten, Text zu vermitteln.

Auch macht das Ballett mit seiner brillanten Performance, wiewohl in leisen Socken, gehörig Lärm. Die von Ballettdirektor Reginaldo Oliveira erdachte und vom Corps de Ballett ebenso umgesetzte Choreografie überdeckt in jeder Hinsicht die Musik Haydns, ist aber Herzstück und Höhepunkt dieser Suche nach dem Licht der Erkenntnis. (Heidemarie Klabacher, 7.11.2022)